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VwGH vom 15.02.2006, 2003/13/0113

VwGH vom 15.02.2006, 2003/13/0113

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel, LL.M., über die Beschwerde der SJ in W, vertreten durch Dr. Karl Muzik, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberggasse 39/17, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/4266-W/02, betreffend Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ab , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 908 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den Ausführungen im angefochtenen Bescheid begehrte die Beschwerdeführerin mit den am beim Finanzamt eingelangten Anträgen die Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe für ihren (am geborenen) Sohn S.J. Gemäß dem vorgelegten ärztlichen Zeugnis vom leide der Sohn seit seiner Kindheit an Epilepsie und sei dadurch zu 50 % behindert.

Das Finanzamt habe mit Bescheid vom die genannten Anträge mit Wirkung ab abgewiesen und dies mit dem Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für diese Leistungen begründet.

Mit "Antrag vom " - so die weiteren Ausführungen im angefochtenen Bescheid - habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben und ein neues ärztliches Zeugnis eingebracht, in dem S.J. erneut auf Grund von Epilepsie mit Wesensveränderung ein 50%iger Behinderungsgrad ab Juni 2002 bescheinigt worden sei und der Amtsarzt auch ausgesprochen habe, dass S.J. ebenfalls ab Juni 2002 voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

In dem im Berufungsverfahren von der Berufungsbehörde eingeholten nervenärztlichen Gutachten des zuständigen Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen sei für S.J. ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 % festgestellt worden. "Lt. Nervenfacharzt" sei S.J. voraussichtlich nicht dauernd außer Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der ärztliche Dienst des Bundessozialamtes habe sich der Diagnose des Nervenfacharztes angeschlossen.

Das genannte Gutachten sei der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom zur Kenntnis gebracht worden. Diese habe sich jedoch dazu nicht geäußert.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides wird die abweisende Berufungserledigung im Wesentlichen mit dem Hinweis auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten begründet, mit dem zwar ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 % festgestellt, allerdings auch ausgesprochen worden sei, dass S.J. voraussichtlich nicht dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Damit stehe keine Familienbeihilfe nach den §§ 2 ff FLAG und somit auch keine erhöhte Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 FLAG zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 250 Abs. 1 BAO muss eine Berufung enthalten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b)
die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c)
die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d)
eine Begründung.
Nach § 275 BAO hat die Abgabenbehörde, wenn eine Berufung nicht den in § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht, dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Nach der Aktenlage und den Ausführungen im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde einen offenbar seitens der Beschwerdeführerin am beim Finanzamt eingebrachten Formularvordruck ("Beih 3"), der mit datiert ist und im Unterschriftsfeld Handzeichen in Form dreier Kreuze aufweist (nach dem Vorbringen in der Beschwerde handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Analphabetin), als Berufung gewertet. Der Formularvordruck weist allerdings keinerlei Gestaltung als Berufung (etwa keine Bezeichnung eines Bescheides, der bekämpft werden soll) auf und enthält im Wesentlichen nur - formularmäßig ausgefüllte - Daten einer ärztlichen Bescheinigung über einen Behinderungsgrad des Sohnes von 50 % bzw. den Vermerk, dass das Kind voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sowie einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe ab "06/2002".
Lag aber keine den Inhaltserfordernissen des § 250 Abs. 1 BAO entsprechende Berufung vor, war die belangte Behörde zur Entscheidung über eine solche Berufung nicht zuständig (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , 89/13/0190, vom , 91/15/0135, und vom , 98/15/0035).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen, das u.a. Verfahrensmängel infolge Verwertung eines mangelhaften Gutachtens geltend macht, zu dem die Beschwerdeführerin wegen ihres Analphabetismus nicht habe Stellung nehmen können, näher einzugehen war (zu den Mindestanforderungen an ärztliche Gutachten vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 96/14/0139, und vom , 2003/13/0068).
Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am