VwGH vom 19.03.1996, 94/11/0223
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/18/00839/93, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß zu im einzelnen bezeichneten Zeiten im Dezember 1990 36 namentlich genannte Arbeitnehmer dieser Gesellschaft die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden in näher umschriebenem Ausmaß überschritten hätten und 11 Arbeitnehmern dieser Gesellschaft nach Beendigung der Tagesarbeitszeit die Mindestruhezeit von 11 Stunden nicht gewährt worden sei. Über den Beschwerdeführer wurden deshalb wegen 36 Übertretungen des § 9 Arbeitszeitgesetz und wegen 11 Übertretungen des § 12 Abs. 1 leg. cit. Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Mit dem als Berichtigungsbescheid bezeichneten Bescheid der belangten Behörde vom wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis in Ansehung der Übertretung I/22 behoben und das diesbezügliche Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, durch die vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen in Form der Auswertung der verwendeten Stempelkarten seien die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen als erwiesen anzusehen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hätten die Stempelkarten als Beweismittel verwendet werden dürfen.
Hinsichtlich des von der Übertretung I/22 betroffenen Arbeitnehmers sei davon auszugehen, daß er leitender Angestellter und daher vom Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen sei. Die Vernehmung der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen sei entbehrlich gewesen, weil es sich bei ihnen nicht um leitende Angestellte gehandelt habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , B 1962/93-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde vier Zeugen, deren Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom zum Beweis dafür, daß die gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeiten laut Dienstplan eingehalten worden seien und daß diese Personen mit der Diensteinteilung und deren Überwachung beauftragt worden seien, beantragt worden sei, nicht vernommen habe. Außerdem hätte die belangte Behörde von Amts wegen sämtliche im Straferkenntnis genannten Arbeitnehmer befragen müssen, ob die mittels der Stempeluhr aufgezeichneten Arbeitszeiten mit den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten übereinstimmten.
Die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel sind aus folgenden Erwägungen nicht gegeben:
Die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde über das Ausmaß der Arbeitszeit gründen sich auf die vom Beschwerdeführer geführten und dem Arbeitsinspektorat vorgelegten Aufzeichnungen nach § 26 Arbeitszeitgesetz. Der Beschwerdeführer hat in seiner Rechtfertigung vom selbst erklärt, daß die Stempeluhren und -karten zur Erfüllung der in § 26 Arbeitszeitgesetz normierten Auskunftspflicht eingerichtet worden seien. Nach § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 446/1994) haben die Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen. Aus dem in dieser Gesetzesstelle umschriebenen Zweck der Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen und der in § 26 Abs. 2 leg. cit. normierten Pflicht, der Arbeitsinspektion und deren Organen Einsicht in diese Aufzeichnungen zu gewähren, folgt, daß sich der Arbeitgeber in der Regel nicht als beschwert erachten kann, wenn die Behörden von der Richtigkeit der dem Arbeitsinspektor vorgewiesenen Aufzeichnungen ausgehen. Behauptet der Arbeitgeber (bzw. der nach § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche) aber die Unrichtigkeit seiner eigenen Aufzeichnungen, so trifft ihn im Verfahren eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Er hat in einem solchen Fall detailliert darzutun, aus welchen Gründen, in welchen Punkten und in welchem Ausmaß seine Aufzeichnungen unrichtig sind (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/19/0329, vom , Zl. 91/19/0134, und vom , Zl. 92/18/0366 und Zl. 92/18/0514).
Diese Verpflichtung hat der Beschwerdeführer nicht erfüllt, weil seinem im Verwaltungsstrafverfahren erstatteten Vorbringen nicht entnommen werden kann, welche Arbeitnehmer an welchen Tagen und zu welchen Zeiten abweichend von den Stempelkarten kürzere Tagesarbeitszeiten geleistet haben sollen und welchen eine längere Ruhezeit, als sich aus den Stempelkarten ergibt, gewährt worden sein soll. Der Beschwerdeführer hat in seinem Schriftsatz vom angekündigt, er werde versuchen, die tatsächliche Arbeitszeit innerbetrieblich zu ermitteln, und deshalb um Erstreckung der Frist zur Stellungnahme ersucht. Im folgenden hat er in seiner Rechtfertigung vom , ohne konkretes Tatsachenvorbringen zu erstatten, die Behauptung aufgestellt, eine innerbetriebliche Überprüfung habe ergeben, daß keine Überschreitungen der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit vorlägen. Mangels konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers im aufgezeigten Sinn liegt im Unterbleiben der von ihm beantragten Zeugenvernehmungen und der Vernehmung aller im Straferkenntnis genannten Arbeitnehmer der Gesellschaft kein Verfahrensmangel. Auch die Beschwerde läßt nicht erkennen, zu welchen konkreten Sachverhaltsfeststellungen betreffend die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit die belangte Behörde bei Durchführung der vom Beschwerdeführer vermißten Zeugenvernehmungen hätte gelangen können.
Der Beschwerdeführer meint, die Blankettstrafnorm des § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 446/1994) lasse nicht deutlich erkennen, auf welche Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes sie sich beziehe. Auf Grund dieser Undeutlichkeit sei nicht klar erkennbar, ob eine allenfalls gegebene Überschreitung der Arbeitszeiten unter diese Blankettstrafnorm falle.
Nach § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwider handeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Bergbau von der Berghauptmannschaft, mit einer Geldstrafe von S 300,-- bis S 6.000,-- oder mit Arrest von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen.
Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Blankettstrafnorm, das heißt eine Norm, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie selbst keine Tatbilder enthält, sondern auf andere Vorschriften verweist, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden. Wenn - wie im Falle des § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz - auf alle Vorschriften eines Gesetzes oder einer Verordnung verwiesen wird, kommen als Übertretungsnormen nur solche in Betracht, die dem Normadressaten ein ausreichend genau umschriebenes Verhalten verbieten oder gebieten (vgl. zur Blankettstrafnorm des § 30 KJBG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0093). Dies ist bei den im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 9 und des § 12 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz unzweifelhaft der Fall. Daß andere Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, etwa die Bestimmung des § 10 über die Überstundenentlohnung allenfalls nicht als Übertretungsnorm in Betracht kommen (siehe das zur verleichbaren Bestimmung des § 14 KJBG ergangene oben zitierte Erkenntnis vom ), macht die Blankettstrafnorm des § 28 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz nicht schlechthin unanwendbar (vgl. zur verfassungsgesetzlichen Unbedenklichkeit dieser Bestimmung das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2343/94-13 und B 2713/94-9).
Da sich die Beschwerde ingesamt als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.