VwGH vom 24.05.2000, 99/12/0197

VwGH vom 24.05.2000, 99/12/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 124.671/1-II/2/99, betreffend Anrechnung von Tagen einer Erkrankung auf den Erholungsurlaub (§ 71 BDG 1979), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Während des in der Zeit vom 2. bis vom Beschwerdeführer geplanten, von der Dienstbehörde bewilligten und von ihm angetretenen Erholungsurlaubes erkrankte er am und meldete dies noch an diesem Tag seiner Dienststelle. Daran anschließend war der Beschwerdeführer bis im Sinne des § 51 BDG 1979 dienstunfähig.

Mit Eingabe vom machte er geltend, dass die Tage seiner Erkrankung, die auf die Zeit seines Erholungsurlaubes entfallen seien, auf dessen Ausmaß nicht angerechnet werden dürften.

Darauf entschied die Dienstbehörde erster Instanz mit Bescheid vom wie folgt:

"Gemäß § 71 Abs 1 BDG i.V.m. § 1 Abs 1 Zi 16 DVV wird festgestellt, dass die drei Tage (4. bis ) Ihrer Erkrankung während des für den Zeitraum vom 2. bis genehmigten Erholungsurlaubes auf das Urlaubsausmaß anzurechnen sind."

Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wird mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die begünstigende Regelung der Nichtanrechnung von Krankheitstagen auf das Urlaubsausmaß gemäß § 71 Abs. 1 BDG 1979 nur dann zur Anwendung komme, wenn die Erkrankung während des Urlaubes länger als drei Kalendertage gedauert habe. Nach Wiedergabe des § 71 Abs. 1 BDG 1979 und Hinweis auf die "Richtlinien für die Unterbrechung des Urlaubes durch Erkrankung", vom Ministerrat in seiner Sitzung am beschlossen, erklärt die belangte Behörde im Wesentlichen, dass schon die Satz- und Regelungssystematik dafür spreche, dass die notwendige Mindestdauer der Erkrankung auf den Urlaubszeitraum zu beziehen sei. Vor allem seien aber auch teleologische Gründe für diese Auslegung gegeben. Wer bereits einen Teil seines Urlaubes ungestört konsumiert habe, dem wäre eine am Ende liegende und über den Urlaub hinausgehende Krankheit wohl eher zuzumuten, als eine volle dreitägige Störung mitten im Urlaub, die er nach dem Gesetz ohne Ausgleich hinnehmen müsse. Nach Auffassung der belangten Behörde müsse sich die für die Nichtanrechenbarkeit notwendige Mindestdauer der Erkrankung aus Gründen der Gleichbehandlung der Dienstnehmer und der sachlichen Verhältnismäßigkeit auf den Urlaubszeitraum selbst beziehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Erholungsurlaub im gesetzmäßigen Ausmaß nach den §§ 64 ff BDG 1979 durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmungen, insbesondere des § 71 leg. cit., verletzt.

Die im Beschwerdefall entscheidende Bestimmung des § 71 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, lautet:

"(1) Erkrankt ein Beamter während des Erholungsurlaubes, ohne dies vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt zu haben, so sind auf Werktage (Arbeitstage) fallende Tage der Erkrankung, an denen der Beamte durch die Erkrankung dienstunfähig war, auf das Urlaubsausmaß nicht anzurechnen, wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage gedauert hat. Ist das Urlaubsausmaß des Beamten in Stunden ausgedrückt, so sind so viele Stunden auf das Urlaubsausmaß nicht anzurechnen, wie der Beamte während der Tage seiner Erkrankung nach dem Dienstplan Dienst zu leisten hätte."

Der Beamte hat der Dienststelle, die den Erholungsurlaub festlegt, nach dreitägiger Krankheitsdauer die Erkrankung nach Abs. 2 der genannten Bestimmung unverzüglich mitzuteilen. Ist dies aus Gründen, die nicht vom Beamten zu vertreten sind, nicht möglich, so gilt die Mitteilung als rechtzeitig, wenn sie unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt wird. Beim Wiederantritt des Dienstes hat der Beamte ohne schuldhafte Verzögerung ein ärztliches Zeugnis oder eine Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers über Beginn und Dauer der Dienstunfähigkeit vorzulegen.

Diese Bestimmung geht auf § 42 b der Dienstpragmatik 1914, der mit Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 165, eingefügt wurde, zurück. In den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Regelung (677 der Beilagen NR, X. GP) wurde die diesbezügliche Übereinstimmung mit dem für Dienstnehmer in der Privatwirtschaft geltenden Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 108, betreffend Erkrankung während des Urlaubes, betont. Den Erläuternden Bemerkungen zu dieser gesetzlichen Neuregelung (364 der Beilagen NR, X. GP) ist zu entnehmen, dass die seinerzeit geltende Rechtslage die Frage, wie sich eine Erkrankung während des Urlaubes auf die Urlaubsdauer auswirke, offen ließ und die oberstgerichtliche Rechtsprechung hiezu die Auffassung vertreten habe, dass eine während des Urlaubes eintretende Erkrankung auf die Urlaubsdauer ohne Einfluss sei. Dieser Auffassung stünden aber gewichtige sozialpolitische Bedenken entgegen, weil dem Urlaubsanspruch ein vom Gesetzgeber nicht gewollter, bloß formaler Charakter beigemessen werde, der sich in der Einräumung bezahlter Freizeit erschöpfe und auf die Zweckbestimmung dieses Anspruches keinerlei Rücksicht nehme. Der den vorliegenden Gesetzesentwurf beherrschende Grundsatz, dass Erkrankung den Urlaub unterbreche, dass also die Zeit der Erkrankung auf den Urlaub nicht angerechnet werde, solle aber auf ernstlichere Fälle beschränkt werden. Die Erkrankung müsse daher derart sein, dass sie den Arbeitnehmer, wenn er sich nicht im Urlaub befände, an der Erbringung der Dienstleistung gehindert hätte. Ihre Dauer müsse mindestens drei Kalendertage betragen. Die während des Urlaubes eintretende Krankheit verlängere diesen nicht automatisch um die Dauer der nicht anzurechnenden Krankheitstage. Der Arbeitnehmer habe vielmehr nach termingemäßem Ablauf seines Urlaubes oder, falls die Erkrankung länger dauere, nach deren Beendung seinen Dienst wieder anzutreten. Der verbleibende Urlaubsrest sei erneut zu vereinbaren, wobei der auch sonst geltende Grundsatz zur Anwendung komme, dass diese Vereinbarung unter Rücksichtnahme auf die Betriebserfordernisse und die Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zu erfolgen habe. Grundsätzlich solle der Resturlaub noch im laufenden Dienstjahr oder, wenn für die Urlaubsgewährung das Kalenderjahr maßgebend sei, noch in diesem verbraucht werden.

Mit Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 390, betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung, wurde die vorher dargestellte, seit 1964 für Bedienstete in der Privatwirtschaft bestehende urlaubsrechtliche Sonderregelung für den Fall der Erkrankung während des Urlaubes im § 5 Abs. 1 leg. cit. übernommen.

Die im Beschwerdefall strittige Rechtsfrage ist, ob eine während des Erholungsurlaubes eingetretene Erkrankung nur dann zur Nichtanrechnung der auf Werktage (Arbeitstage) fallenden Tage der Erkrankung auf das Urlaubsausmaß führt, wenn die Erkrankung während des Erholungsurlaubes länger als drei Kalendertage gedauert hat.

Bereits der Wortlaut des § 71 Abs. 1 BDG 1979 spricht für die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers. Die in der genannten gesetzlichen Bestimmung enthaltene erste Tatbestandsvoraussetzung ist, dass der Beamte während des Erholungsurlaubes erkrankt. Die auf Werktage (Arbeitstage) fallenden Tage der Erkrankung sind dann - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - auf das Urlaubsausmaß nicht anzurechnen, wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage gedauert hat. Maßgebend für die Nichtanrechnung ist daher nur, dass die Erkrankung während des Erholungsurlaubes auftritt und länger als drei Kalendertage andauert. Der den ersten Satz des § 71 Abs. 1 BDG 1979 abschließende Konditionalsatz stellt demnach eindeutig auf die Dauer der Erkrankung ab, ohne diesen Umstand mit dem Erholungsurlaub etwa in der Weise zu verbinden, dass die Formulierung lautete: "..., wenn die Erkrankung während des Erholungsurlaubes länger als ..." oder "..., wenn die Erkrankung ... länger als drei Urlaubstage gedauert hat."

Diese bereits auf Grund des Wortlautes gebotene Interpretation, nämlich, dass eine während des Erholungsurlaubes eingetretene Erkrankung, wenn sie - auch unter Berücksichtigung von Zeiten außerhalb des Erholungsurlaubes - drei Kalendertage überschreitet (soweit die Erkrankung den Zeitraum des Erholungsurlaubes betrifft), nicht als Urlaub anzurechnen ist, findet in den vorher wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen auch eine teleologische Stütze. Als Motiv für die gesetzliche Regelung wurde auf den Zweck des Urlaubes (nicht bloß bezahlte Freizeit, sondern Erholung) hingewiesen, der durch eine ernstlichere Erkrankung (länger als drei Kalendertage) nicht erreicht werde. Diese Beeinträchtigung des Erholungszweckes liegt aber jedenfalls auch dann vor, wenn bei einer solchen Erkrankung nur die ersten Tage am Ende des Urlaubszeitraumes gelegen sind.

Im Beschwerdefall steht fest, dass dem Beschwerdeführer für den Zeitraum von Montag, dem 2., bis Freitag, dem , Erholungsurlaub genehmigt war und er am Mittwoch, dem , seine an diesem Tag begonnene Erkrankung meldete, die eine Dienstverhinderung bis einschließlich Dienstag, den , bewirkte. Ausgehend von dieser Sachlage besteht im Sinne der vorstehenden Überlegungen beim Verwaltungsgerichtshof rechtlich kein Zweifel, dass dem Beschwerdeführer die Tage vom

4. bis gemäß § 71 Abs. 1 BDG 1979 nicht als Urlaubstage hätten angerechnet werden dürfen.

An diesem Ergebnis können auch die Überlegungen der belangten Behörde nichts ändern. Die angebliche Ungleichbehandlung zwischen Bediensteten, die während des Urlaubes drei Tage erkranken und hiefür keinen Ersatz erhalten, und solchen, die am Ende des Urlaubes länger erkranken, findet ihre sachliche Rechtfertigung in der gesetzlichen Fristsetzung in Verbindung mit der Überlegung zur Ernstlichkeit der Erkrankung. Auch die gesetzliche Regelung im § 71 Abs. 2 BDG 1979 über die Mitteilungspflicht (erst) nach dreitägiger Krankheitsdauer kann an der gesetzlich gebotenen Betrachtung nichts ändern. Sie entspricht im Übrigen aber grundsätzlich auch der allgemeinen Regelung im § 51 Abs. 2 BDG 1979 und enthält (ebenfalls) eine Nachweisverpflichtung des Beamten über den Beginn und die Dauer seiner Dienstverhinderung.

Der angefochtene Bescheid war aus den vorher dargestellten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am