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VwGH vom 24.10.2000, 99/11/0367

VwGH vom 24.10.2000, 99/11/0367

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde 1. der E in W, und 2. der I in N, beide vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 24, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS5-F-43.470/15-99, betreffend Ersatz von Sozialhilfekosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen sind Erbinnen nach dem am verstorbenen J.H. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom wurde ihnen der Nachlass aufgrund ihrer bedingten Erbserklärungen eingeantwortet, und zwar der Erstbeschwerdeführerin zu drei Viertel und der Zweitbeschwerdeführerin zu einem Viertel. Nach dem Inventar betrug der Bruttoaktivnachlass S 4,942.290,73. Die Passiven von S 8,481.323,71 resultieren im Wesentlichen aus der von der Sozialhilfebehörde angemeldeten Ersatzforderung von S 8,341.281,31.

Der im Jahr 1926 geborene J.H. befand sich seit 1943 wegen seiner geistigen Behinderung in Anstaltspflege, und zwar zunächst aufgrund der damals im Land Österreich geltenden (deutschen) fürsorgerechtlichen Vorschriften (Verordnung über die Einführung fürsorgerechtlicher Vorschriften im Lande Österreich, GBl. f. d. Land Österreich Nr. 397/1938, und vierte Verordnung zur Vereinfachung des Fürsorgerechtes vom , RGBl. I Seite 323).

Mit Schreiben vom teilte die NÖ Landesregierung jener Anstalt, in der J.H. damals untergebracht war, mit, dass das Land Niederösterreich für J.H. ab die endgültige Fürsorgepflicht anerkennt. Im Jahr 1949 wurde J.H. in die Niederösterreichische Landes-Heil- und Pflegeanstalt G. aufgenommen, in der er mit kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Tode blieb. Die Kosten dafür wurden aus Fürsorgemitteln bestritten.

Im Jahr 1970 wurde vom Pflegschaftsgericht für den vollentmündigten J.H. ein Rechtsanwalt zum Kurator bestimmt.

Mit Schreiben vom teilte die Anstaltsleitung dem Magistrat der Stadt Waidhofen an der Ybbs, Sozialamt, mit, dass J.H. durch seine künstlerische Tätigkeit und den Verkauf seiner Arbeiten Einnahmen erzielt habe, die von seinem Kurator im Einvernehmen mit dem Pflegschaftsgericht verwaltet würden. J.H. sei dadurch in der Lage, für einen Teil seiner Verpflegskosten selbst aufzukommen.

Der Magistrat der Stadt Waidhofen an der Ybbs wandte sich in der Folge wiederholt an das Pflegschaftsgericht und den Kurator des J.H. Der Kurator überwies für einzelne Jahre verschieden hohe Kostenbeiträge und begründete jeweils (u.a. mit Ausgaben für Steuern, Material und Kuratorkosten), warum nur die überwiesenen Beträge bezahlt werden könnten.

Nach dem Tod des J.H. nahm das Pflegschaftsgericht mit Beschluss vom 8. Juni1998 den Schlussbericht des (mittlerweile umbestellten) Sachwalters zur Kenntnis, nach dessen Inhalt an Vermögen des J.H. per ein Gerichtsdepotkonto bei einer Bank mit einem Guthabensaldo von S 2,391.199,14 vorhanden sei. Die zum Nachlass gehörenden Bilder des J.H. würden auf mehr als S 2 Mio. geschätzt.

Nach einer Besprechung mit dem Magistrat der Stadt Waidhofen an der Ybbs, Sozialamt, am erklärte der Vertreter der Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom , dass hinsichtlich der im Verlassenschaftsverfahren mit Schreiben vom angemeldeten Forderung von S 1,922.628,-- (diese Forderung betraf den Aufwand vom bis zum Tod des J.H.) zeitlich befristet bis auf den Einwand der Verjährung verzichtet werde. Die Beschwerdeführerinnen würden es begrüßen, noch vor dem Weihnachtstag 1998 eine möglichst umfassende Besprechung der Angelegenheit durchführen zu können.

Mit Schreiben vom retournierte das Amt der NÖ Landesregierung den Akt an die Soziahilfebehörde erster Instanz zur dringenden Einleitung des Kostenersatzverfahrens gemäß § 41 Abs. 5 des NÖ Sozialhilfegesetzes - NÖ SHG.

Mit Bescheid vom verpflichtete der Bürgermeister der Stadt Waidhofen an der Ybbs gemäß § 41 Abs. 1 lit. b und Abs. 5 NÖ SHG die Beschwerdeführerinnen als Erben des J.H. zum Ersatz der vom bis aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe in der Höhe von S 8,341.281,31.

In der dagegen erhobenen Berufung machten die Beschwerdeführerinnen geltend, der Ersatzanspruch sei vor den ordentlichen Gerichten und nicht im Verwaltungsweg geltend zu machen. Der Ersatzanspruch verjähre nach drei Jahren ab Ablauf des Jahres, in dem Sozialhilfe gewährt worden sei. Da Sozialhilfe zuletzt im Jänner 1996 geleistet worden sei, sei der Ersatzanspruch mit Ablauf des Monates Jänner 1999 verjährt. Der Verzicht auf die Verjährungseinrede sei im Hinblick auf angekündigte Vergleichsgespräche abgegeben worden. Das Amt der NÖ Landesregierung habe den Akt dem Magistrat der Stadt Waidhofen an der Ybbs rückgemittelt und damit die Vergleichsverhandlungen verhindert. Damit sei auch der Verzicht nicht wirksam geworden. Verjährung sei jedenfalls hinsichtlich des S 1,922.628,-- übersteigenden Betrages eingetreten.

Da eine Wertsicherung und Dynamisierung des Rückersatzanspruches im Gesetz nicht vorgesehen sei, sei der Betrag um die eingerechnete Wertsicherung zu kürzen. Weitere Passiven bewirkten, dass den Erbinnen nach J.H. aus dem Nachlass maximal ein Betrag von S 3,5 Mio. zufließe, mit dem sie gemäß § 41 Abs. 5 NÖ SHG theoretisch belastet werden könnten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und sprach aus, dass die Beschwerdeführerinnen als Erben des J.H. verpflichtet seien, die für den Zeitraum vom bis aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe in der Höhe von S 1,876.917,-- je zur Hälfte zu ersetzen.

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, für die Abgrenzung, ob das Land Niederösterreich den Aufwand in hoheitlicher oder privatwirtschaftlicher Funktion übernommen habe, sei entscheidend, ob über den Anspruch durch Bescheid abgesprochen worden sei. Zum Zeitpunkt der Aufnahme des J.H. in Anstaltspflege (im Jahr 1943) sei die Kostenübernahme gemäß § 21a der ersten Verordnung über die Einführung fürsorgerechtlicher Vorschriften im Land Österreich (GBl. f. d. Land Österreich Nr. 397/1938) erfolgt. Mangels Erlassung eines Fürsorgegrundsatzgesetzes sei diese deutsche Vorschrift ab 1948 wieder in allen Ländern als vorläufiges Fürsorgerecht übernommen worden, in Niederösterreich durch das Gesetz vom über die vorläufige Regelung der öffentlichen Fürsorge. Nach der

4. Verordnung zur Vereinfachung des Fürsorgerechtes vom , RGBl. I Seite 323, seien die Fürsorgeverbände verpflichtet, für den notwendigen Lebensbedarf

u. a. hilfsbedürftiger Geisteskranker und Geistesschwacher in geeigneten Anstalten zu sorgen. Die Anstaltsversorgung und die Kostentragung seien bis zum Inkrafttreten des NÖ SHG 1974 durch den Landesfürsorgeverband Niederösterreich im Bereich der Hoheitsverwaltung (Bescheid) erfolgt. Auf die Übernahme der Kosten habe ein Rechtsanspruch bestanden. Mit Einführung des NÖ SHG 1974 sei die Tragung der Kosten für die fortdauernde Unterbringung im Landeskrankenhaus G. im Rahmen der Krankenhilfe gemäß § 27 NÖ SHG, also weiterhin im Rahmen der Hoheitsverwaltung mit Rechtsanspruch erfolgt.

Der Verjährungsverzicht sei wirksam. Damit sei die Verjährung der Forderung von S 1,922.628,-- bis unterbrochen worden. Nach § 1501 ABGB sei auf die Verjährung ohne Einwendung der Parteien von Amts wegen kein Bedacht zu nehmen. In der vom Magistrat der Stadt Waidhofen an der Ybbs und dem Amt der NÖ Landesregierung mit den Beschwerdeführerinnen geführten Korrespondenz sei immer die nicht verjährte Forderung des Sozialhilfeträgers für den Zeitraum vom bis genannt worden. Die Beschwerdeführerinnen hätten daher davon ausgehen können, dass seitens der Behörden ein Ersatzverfahren nur hinsichtlich dieser nicht verjährten Kosten eingeleitet werde und es keines Einwandes der Verjährung hinsichtlich der nicht verjährten Kosten für die Zeit vom bis bedürfe. Auf die Verjährung dieser Forderung sei daher im Berufungsverfahren Bedacht zu nehmen gewesen.

Seit 1993 seien von den Sozialhilfebehörden mit der Landesnervenklinik G. Beträge in der Höhe von S 1,876.917,-- ohne Indexsteigerung verrechnet worden. Da eine Dynamisierung und Wertsicherung bei Kostenersätzen im NÖ SHG nicht vorgesehen sei, sei der Ersatz nur in der Höhe des genannten Betrages vorzuschreiben. Dieser Betrag findet in den Nachlassaktiven, die laut Berufung höchstens S 3,5 Mio. betrügen, Deckung. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom seien die Beschwerdeführerinnen als Erben des J.H. bestimmt worden. Sie seien daher je zur Hälfte zum Kostenersatz heranzuziehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Beschwerdegrund der Unzuständigkeit der belangten Behörde machen die Beschwerdeführerinnen in Wahrheit inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, weil die belangte Behörde als Berufungsbehörde die Unzuständigkeit der Erstbehörde für die Vorschreibung des Kostenersatzes nicht wahrgenommen habe. Die Erstbehörde sei deshalb unzuständig gewesen, weil kein Bescheid über die Sozialhilfe erlassen worden sei und die Gewährung der Sozialhilfe demnach eine privatwirtschaftliche Leistung dargestellt habe. Die Rückforderung solcher Leistungen habe im ordentlichen Rechtsweg und nicht im Verwaltungsrechtsweg zu erfolgen. Dies folge auch aus dem Umstand, dass J.H. über ausreichende Mittel verfügt habe, sodass die Bestimmungen des NÖ SHG nicht anzuwenden gewesen seien.

Die belangte Behörde führt dazu in der Gegenschrift aus, dass die Akten der seinerzeitigen Abteilung VII/1 des Amtes der NÖ Landesregierung, die den Bescheid aus 1974 über die Zuerkennung der Krankenhilfe durch Übernahme der Kosten der Unterbringung im Landesnervenkrankenhaus G. zu beinhalten hätten, nicht mehr existierten. Der Nachweis, dass die hoheitlich gewährte Sozialhilfe auch bescheidmäßig zuerkannt worden sei, liege nur für die Übernahme der Kosten im Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus K. für die Zeit vom 18. bis , 27. bis und vom

5. bis vor.

Die Beschwerdeführerinnen stützen sich bei ihren Ausführungen betreffend die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges im Wesentlichen auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 1 Ob 2302/96b. Soweit in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommt, dass dann, wenn vom Sozialhilfeträger Leistungen, die dem Hilfsbedürftigen nach dem NÖ SHG durch Bescheid zu gewähren sind, tatsächlich gewährt werden, ohne dass ein Bescheid erlassen wird, die Gewährung nicht hoheitlich, sondern "nur faktisch und privatwirtschaftlich" erfolgt, und daraus die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges und die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges abgeleitet wird, kann der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung des Obersten Gerichtshofes nicht folgen.

Maßgeblich für die Unterscheidung, ob Leistungen vom Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Hoheitsverwaltung erbracht werden, ist nach § 40 Abs. 2 NÖ SHG die Beantwortung der Frage, ob das betreffende Sozialhilfegesetz dem Hilfesuchenden ein subjektives Recht auf die betreffende Art der Leistung einräumt. Ein solches Recht kann im Verwaltungsverfahren, das mit Bescheid endet, durchgesetzt werden. Wird eine solche Leistung vom Sozialhilfeträger erbracht, liegt unabhängig davon, ob ein Antrag gestellt (Sozialhilfe ist zufolge § 6 NÖ SHG auch unabhängig von einem Antrag zu leisten) und ein Bescheid erlassen wurde, Leistungserbringung im Rahmen der Hoheitsverwaltung vor. Nur die Gewährung von Hilfen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, obliegt nach § 40 Abs. 2 NÖ SHG dem Land als Träger von Privatrechten.

Hinsichtlich der im Beschwerdefall dem J.H. gewährten Krankenhilfe (durch Unterbringung und Pflege in der Landesnervenklinik G.) gemäß § 27 Abs. 2 lit. c NÖ SHG handelt es sich um eine Leistung, hinsichtlich derer einem Hilfesuchenden im Sinne des zuvor Gesagten ein subjektives Recht eingeräumt ist. Es ist demnach nicht von entscheidender Bedeutung, ob entsprechend der Übergangsregelung des § 63 NÖ SHG eine bescheidmäßige Neufestsetzung der Fürsorgeleistung innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgt ist oder ob die Krankenhilfe ohne eine solche bescheidmäßige Festsetzung gewährt wurde. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass ein gleichartiges subjektives Recht des J.H. auf Sorge für den Lebensbedarf in einer geeigneten Anstalt auch schon aufgrund der vor Inkrafttreten des NÖ SHG geltenden fürsorgerechtlichen Vorschriften bestanden hat (siehe dazu § 1 des NÖ Gesetzes vom über die vorläufige Regelung der öffentlichen Fürsorge, LGBl. Nr. 40/1949, i.V. mit der Verordnung über die Einführung fürsorgerechtlicher Vorschriften im Land Österreich, GBl. f. d. Land Österreich Nr. 397/1938 (insbesondere §§ 5 und 15) und der 4. Verordnung zur Vereinfachung des Fürsorgerechtes vom , RGBl. I Seite 323).

Es wurde daher zu Recht im Verwaltungsweg entschieden.

Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, der Sozialhilfebehörde sei seit 1982 bekannt gewesen, dass J.H. Einkünfte erzielt habe, die zur Vermögensbildung hinreichten. Die Gewährung von Sozialhilfe sei also offenbar im vollen Bewusstsein der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des J.H. ohne Prüfung der wirtschaftlichen Angemessenheit erfolgt. Die Zahlung in Kenntnis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängers schließe aber einen Rückersatzanspruch gemäß § 41 Abs. 1 lit. b NÖ SHG aus.

Nach § 41 Abs. 1 lit. b NÖ SHG hat der Hilfeempfänger, unbeschadet der Bestimmung des § 43, die Kosten zu ersetzen, wenn er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte und dies nachträglich hervorkommt.

Nach § 41 Abs. 5 NÖ SHG geht die Kostenersatzpflicht des Hilfeempfängers auf die Erben über. Ihre Haftung beschränkt sich jedoch auf den Wert des Nachlasses.

Die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, die Hilfeleistung sei in Kenntnis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des J.H. erfolgt, findet in den Akten keine Deckung. Das Gegenteil ist der Fall. Die im Akt erliegende Korrespondenz der erstinstanzlichen Sozialhilfebehörde mit dem Pflegschaftsgericht und dem Kurator (Sachwalter) des J.H. zeigt, dass sie bemüht war, aufgrund der ihr bekannt gegebenen Leistungsfähigkeit des J.H. Kostenbeiträge zu erlangen, jedoch erst im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens Kenntnis von dem Bankguthaben des J.H. erlangt hat. Es trifft auch nicht zu, dass sie mit dem Kurator (Sachwalter) Vergleiche über Ersatzansprüche geschlossen hätte. Ersatzansprüche nach § 41 NÖ SHG wurden zu Lebzeiten des J.H. nämlich gar nicht geltend gemacht. Die Anspruchsvoraussetzung des nachträglichen Hervorkommens im Sinn des § 41 Abs. 1 lit. b NÖ SHG ist demnach erfüllt.

Gemäß § 41 Abs. 6 NÖ SHG verjährt der Anspruch auf Kostenersatz nach drei Jahren vom Ablauf des Jahres, in dem die Sozialhilfe gewährt worden ist. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB). Ausgenommen sind Ersatzansprüche über Sozialhilfen, die grundbücherlich sichergestellt sind.

Gemäß § 1497 ABGB wird die Ersitzung und die Verjährung unterbrochen, wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungsfrist entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des anderen anerkannt hat, oder wenn er von dem Berechtigten belangt, und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Wird aber die Klage durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt, so ist die Verjährung für ununterbrochen zu halten.

Die im § 41 Abs. 6 NÖ SHG normierte eingeschränkte Geltung der Regeln über die Unterbrechung der Verjährung bedeutet für Ansprüche, die im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen sind, dass die Verjährung unterbrochen wird, wenn der Ersatzpflichtige ein Anerkenntnis abgibt oder ein Antrag des Sozialhilfeträgers bei der zuständigen Behörde einlangt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 11.526/A, und vom , Zl. 94/08/0104).

Im vorliegenden Fall wurde die Ersatzforderung zwar kurz nach dem Tod des J.H., nämlich mit Schreiben vom , zur Verlassenschaft nach J.H. angemeldet. Zu diesem Zeitpunkt war die Ersatzforderung für die ab geleistete Sozialhilfe gemäß § 41 Abs. 6 NÖ SHG noch nicht verjährt. Diese Anmeldung hatte allerdings keine Unterbrechungswirkung, weil sie nicht der Geltendmachung des Anspruches durch Klage bzw. Antragstellung bei der zur Entscheidung über den Ersatzanspruch zuständigen Behörde gleichzuhalten ist, sondern die Geltendmachung des Anspruches bloß vorbereitet hat (vgl. dazu Schubert in Rummel II2, Rz 9 zu § 1497 ABGB, mwN). Ein die Unterbrechung der Verjährung bewirkender Antrag an die Sozialhilfebehörde erster Instanz wurde erst mit dem Schreiben der NÖ Landesregierung vom gestellt, sodass erst dadurch die Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist, allerdings nur mehr hinsichtlich jener Ansprüche, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren. Dabei handelt es sich um den Ersatz des im Jahr 1996 geleisteten Sozialhilfeaufwandes. Hinsichtlich des für 1995 geleisteten Aufwandes war die Verjährung gemäß § 41 Abs. 6 NÖ SHG bereits mit Ablauf des Jahres 1998 eingetreten.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hatte der mit Schreiben vom erklärte zeitlich (bis ) befristete Verzicht auf den Einwand der Verjährung keine Auswirkung auf die Verjährung des Ersatzanspruches, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Nach der Aktenlage ersuchte die Sozialhilfebehörde erster Instanz mit Schreiben vom das Amt der NÖ Landesregierung um die fristgerechte Einreichung der "Erbrechtsklage". Bei einer Besprechung mit der Sozialhilfebehörde erster Instanz vom ersuchte der Vertreter der Erbinnen auf die Klage zu verzichten, kündigte die Vorlage eines Verjährungsverzichtes an und ersuchte um einen Besprechungstermin beim Amt der NÖ Landesregierung.

Der in der Folge erklärte, "befristete Verjährungsverzicht" ist vor dem Hintergrund des § 1502 ABGB, wonach auf die Verjährung im Voraus nicht verzichtet werden kann, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Vertreter der Erbinnen nicht unterstellt werden kann, er habe auf die Verjährung hinsichtlich bereits verjährter Forderungen "befristet" verzichtet (der Inhalt einer solchen Erklärung wäre bei wörtlicher Auslegung unverständlich), und unter Bedachtnahme auf die zivilprozessuale und zivilrechtliche Praxis, Vergleichsgespräche zu ermöglichen, ohne dass der Anspruchsberechtigte befürchten muss, dass während der Vergleichsgespräche Verjährung eintritt, zu beurteilen. Um derartige Vergleichsgespräche während eines Zivilprozesses - während deren Dauer regelmäßig Ruhen des Verfahren gemäß § 168 ZPO vereinbart wird - führen zu können, ohne dass der Kläger den Einwand, er habe die Klage nicht gehörig im Sinne des § 1497 ABGB fortgesetzt und daher keine Unterbrechung der Verjährung herbeigeführt, befürchten muss, sowie um außergerichtliche Vergleichsgespräche über den Ablauf der Verjährungsfrist hinaus führen zu können, ohne dass der Anspruchsberechtigte gezwungen wäre, innerhalb der Verjährungsfrist Klage einbringen zu müssen, um die Unterbrechung gemäß § 1497 ABGB herbeizuführen, hat die zivilrechtliche Praxis Erklärungen des Gegners für rechtlich beachtlich angesehen, dass er für den Fall der Fortsetzung des (ruhenden) Zivilprozesses oder für den Fall der Klagseinbringung innerhalb einer bestimmten Frist, auf den Verjährungseinwand verzichtet. Einem entgegen der Erklärung dennoch erhobenen Verjährungseinwand des Beklagten könnte der Kläger entgegenhalten, dass die Vergleichsverhandlungen keine Untätigkeit im Sinne einer nicht gehörigen Fortsetzung der Klage gemäß § 1497 ABGB darstellen bzw. dass (Ablaufs-)Hemmung der Verjährungsfrist bewirkt wurde (vgl. dazu Schubert, a.a.O., Rz 10 zu § 1497 ABGB und Rz 2 zu § 1501 ABGB).

Der "befristete Verjährungsverzicht" des Vertreters der Beschwerdeführerinnen bezieht sich auf die von der Sozialhilfebehörde erster Instanz angestrebte "Erbrechtsklage". Für das vorliegende Verwaltungsverfahren kommt ihm keine Bedeutung zu, weil im Verwaltungsverfahren die Verjährung von Amts wegen zu beachten ist und § 41 Abs. 6 NÖ. SHG nur die sinngemäße Geltung der Regelung über die Unterbrechung der Verjährung (1497 ABGB), nicht aber anderer zivilrechtlicher Vorschriften über die Verjährung bestimmt (vgl. dazu Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 486, mwN).

Im Hinblick auf die eingetretene Verjährung kommt ein Ersatz für die vor dem erbrachten Leistungen nicht mehr in Betracht. Das Ergebnis, dass der Träger der Sozialhilfe, der jahrelang hohe Kosten für J.H. im Rahmen der Sozialhilfe aufgewendet hat, nun auf dessen Vermögen nur mehr in geringem Maße zugreifen kann, ist einerseits auf die - für Fälle wie den vorliegenden - relativ kurze Verjährungszeit (vgl. dazu § 11 des Vorarlberger Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1998, der für Ersatzansprüche gegen den Empfänger der Sozialhilfe und dessen Erben eine Verjährungszeit von zehn Jahren vorsieht) und die Säumigkeit des Trägers der Sozialhilfe bei der zielführenden Geltendmachung des Ersatzanspruches bis zum Schreiben vom zurückzuführen.

Der angefochtene Bescheid ist außerdem auch deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführerinnen den Ersatz der Kosten je zur Hälfte aufgetragen hat. Da § 41 Abs. 5 NÖ SHG - abgesehen von der Beschränkung der Erbenhaftung auf den Wert des Nachlasses auch bei unbedingter Erbserklärung - keine von den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes abweichenden Bestimmungen über die Haftung mehrerer Erben enthält, hätte die belangte Behörde beachten müssen, dass mehrere bedingt erbserklärte Erben nach der Einantwortung für teilbare Schulden nur nach ihren Anteilen haften (siehe dazu Welser in Rummel2, Rz 7 zu §§ 820 und 821 ABGB).

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil die Beschwerdeführerinnen mit der Beschwerde nur die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG, nicht aber Beilagengebühr zu entrichten hatten (siehe § 14 TP 5 Abs. 1 in Verbindung mit TP 6 Abs. 5 Z. 1 Gebührengesetz 1957).

Wien, am