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VwGH vom 24.10.2000, 99/11/0325

VwGH vom 24.10.2000, 99/11/0325

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/A/40/00036/98, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen Berufener der T.-GmbH zu verantworten, dass insgesamt 92 Arbeitnehmern dieser Gesellschaft in der Woche vom Montag, dem , bis Sonntag, dem , keine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen habe (Wochenendruhe), gewährt worden sei. Er habe dadurch insgesamt 92 Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz - ARG begangen. Wegen dieser Übertretungen wurden über den Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 ARG Geldstrafen in der Höhe von je S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 18 Stunden) verhängt.

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, es sei unbestritten und werde durch die aktenkundigen Arbeitszeitaufzeichnungen bestätigt, dass die namentlich genannten Arbeitnehmer an den angelasteten Tagen, insbesondere auch am Sonntag, dem , beschäftigt worden seien. Unbestritten sei auch die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers.

Nach § 3 Abs. 1 ARG habe der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen habe. Während dieser Zeit dürfe der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 ARG zulässig sei. Gemäß § 3 Abs. 2 ARG habe die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13.00 Uhr (für bestimmte Arbeitnehmer um 15.00 Uhr) zu beginnen. In Anbetracht dieses Tatbestandes habe eine ausreichend präzisierte Tatanlastung datumsmäßig jene Tage (insbesondere Sonntage) zu bezeichnen, an welchen ein Arbeitnehmer beschäftigt worden sei. Die jeweiligen Uhrzeitangaben in den Tatanlastungen seien nicht erforderlich gewesen, um den Beschwerdeführer vor einer Doppelbestrafung zu schützen oder seine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit zu sichern.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Ausnahmebestimmung des § 11 Abs. 1 Z. 2 ARG stütze und in diesem Zusammenhang behaupte, dass er ohne die ihm angelastete Beschäftigung der Arbeitnehmer einen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schaden erlitten hätte, sei ihm entgegenzuhalten, dass der vom Beschwerdeführer herangezogene Ausnahmetatbestand auch erfordere, dass unvorhergesehene und nicht verhinderbare Gründe vorlägen und andere zumutbare Maßnahmen zu diesem Zweck nicht möglich seien. Die vom Beschwerdeführer und vom Zeugen P. geschilderte Konkurrenzsituation stelle keinen unvorhergesehenen Grund dar. Durch den Vertragsabschluss vereinbare der Beschwerdeführer selbst die Lieferbedingungen und Lieferfristen, sodass weder unvorhergesehene noch nicht verhinderbare Gründe im Sinne des § 11 ARG vorlägen. Die Verrichtung geplanter Arbeiten falle nicht unter den Ausnahmetatbestand.

Notstand wäre bei wirtschaftlicher Schädigung nur dann anzunehmen, wenn die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedroht wäre. Derartiges werde jedoch nicht einmal vom Beschwerdeführer behauptet.

Bei der Strafbemessung sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sowohl das öffentliche als auch das private Interesse an der Einhaltung der Wochenendruhe und an der ausreichenden Erholungsmöglichkeit für Beschäftigte nicht unerheblich beeinträchtigt habe, weshalb der Unrechtsgehalt keinesfalls als geringfügig angesehen werden könne. Es liege auch kein geringfügiger Verschuldensgrad vor. Mildernd sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit verwaltungsstrafrechtlich unbescholten gewesen sei. Mangels konkreter Angaben des Beschwerdeführers sei auf Grund seines Alters und seiner beruflichen Stellung von zumindest durchschnittlich guten Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen. Eine Herabsetzung der von der Erstbehörde verhängten Geldstrafen (je S 2.000,--) sei gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer nach der Tatzeit die kollektivvertragliche Zustimmung für die Wochenendarbeit in seinem Unternehmen erreicht habe, sodass zumindest die spezialpräventiven Aspekte der Strafe in den Hintergrund träten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den Spruch des (mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten) Straferkenntnisses der Erstbehörde für unverständlich und widersprüchlich, weil darin nicht nur Arbeitszeiten der Arbeitnehmer am Samstag und Sonntag angegeben worden seien, sondern auch Arbeitzeiten am Freitag, dem .

Dem ist zu erwidern, dass die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz, die die geleisteten Arbeitszeiten aus den von der T.-GmbH geführten Aufzeichnungen übernommen hat, zwar bei einigen Arbeitnehmern auch den Freitag genannt hat, doch handelt es sich dabei durchwegs um Fälle, in denen der betreffende Arbeitnehmer am Freitagabend zu arbeiten begonnen und bis Samstag früh durchgearbeitet hat. Die Angabe dieser Arbeitszeit zeigt, dass in allen Übertretungsfällen nicht nur die Ruhezeit am Sonntag verletzt wurde, sondern dass auch die gemäß § 3 Abs. 1 ARG erforderliche Mindestzeit der Wochenendruhe von 36 Stunden unterschritten wurde.

Der Beschwerdeführer meint, dass im Falle eines Arbeitnehmers angegeben worden sei, "Sonntag, , 18.00 Uhr bis 06.00 Uhr". Dieser Angabe sei nicht entnehmbar, welche Zeit überhaupt auf den Sonntag gefallen sei, nämlich die Zeit von 18.00 Uhr bis 00.00 Uhr oder die Zeit von 00.00 Uhr bis 06.00 Uhr.

Auch damit zeigt der Beschwerdeführer keine unzureichende Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG auf, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen müsste (vgl. zum Erfordernis und Zweck der Tatumschreibung die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E.Nr. 9 und 10a zu § 44a Z. 1 VStG zitierte hg. Rechtsprechung). Bei verständiger Beurteilung der - von der T.-GmbH stammenden - Zeitangaben kann kein Zweifel daran bestehen, dass der betreffende Arbeiter in dem vom Beschwerdeführer genannten Beispielsfall von Sonntag 18.00 Uhr bis Montag 06.00 Uhr gearbeitet hat.

Der Beschwerdeführer beruft sich auch im Beschwerdeverfahren darauf, es sei ein außergewöhnlicher Fall im Sinne des § 11 Abs. 1 ARG vorgelegen.

§ 11 Abs. 1 und 2 ARG haben folgenden Wortlaut:

"Ausnahmen in außergewöhnlichen Fällen

§ 11. (1) Während der Wochenend- und Feiertagsruhe dürfen Arbeitnehmer in außergewöhnlichen Fällen mit vorübergehenden und unaufschiebbaren Arbeiten beschäftigt werden, soweit diese

1. zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorzunehmen sind, oder

2. zur Behebung einer Betriebsstörung oder zur Verhütung des Verderbens von Gütern oder eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schadens erforderlich sind, wenn unvorhergesehene nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zu diesem Zweck nicht möglich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die im Abs. 1 angeführten Arbeiten dem Arbeitsinspektorat binnen vier Tagen nach Beginn der Arbeiten schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige hat die Gründe für die Arbeiten sowie die Anzahl der zur Arbeitsleistung benötigten Arbeitnehmer zu enthalten."

Das Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und sein Beschwerdevorbringen enthalten keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein Ausnahmefall im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 ARG vorgelegen sein könnte. Der Beschwerdeführer meint zwar, unter Notstand im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 1 ARG sei etwas anderes zu verstehen als unter Notstand gemäß § 6 VStG, zeigt aber nicht auf, woraus sich das ergeben solle und welchen Begriffsinhalt der im § 11 Abs. 1 Z. 1 ARG genannte Notstand haben soll. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu ( der mit § 11 Abs. 1 ARG im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des) § 20 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz und § 20 KJBG die Auffassung vertreten, dass unter dem in diesen Gesetzesstellen genannten Notstand ein solcher im Sinne des § 6 VStG zu verstehen ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0084, mwN). Diese Rechtsprechung ist auf § 11 Abs. 1 Z. 1 ARG übertragbar. Selbst wenn man aber der Auffassung des Beschwerdeführers folgte, gäbe es keinen Grund anzunehmen, dass an eine Notstandssituation im Sinne dieser Gesetzesstelle geringere Anforderungen zu stellen wären als an den im § 11 Abs. 1 Z. 2 ARG geregelten Ausnahmefall des wirtschaftlichen Schadens, auf den sich das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde der Sache nach bezieht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 ARG und zu § 20 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz die Auffassung vertreten, dass außergewöhnliche Fälle im Sinne dieser Gesetzesstellen Ereignisse sind, die außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes liegen und nur nach strengsten Maßstäben zu einer vorübergehenden Durchbrechung der gesetzlichen Schutzvorschriften berechtigen können. Die das Erfordernis der Mehrarbeit bedingenden Umstände dürfen weder regelmäßig noch vorhersehbar sein. Wer sich auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Falles im Sinne dieser Gesetzesstellen beruft, dem obliegt es, im Verwaltungsverfahren konkretes, durch Beweisanbote untermauertes Tatsachenvorbringen zu erstatten, das - seine Richtigkeit vorausgesetzt - die Anwendung des Ausnahmetatbestandes rechtfertigt (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 92/18/0521, 0522, und vom , Zl. 95/11/0327, jeweils mwN).

Die Erfüllung der im § 11 Abs. 2 ARG (ebenso im § 20 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz) normierten Anzeigepflicht ist zwar nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0361), sie erleichtert allerdings den Nachweis, dass tatsächlich ein Ausnahmefall vorgelegen war.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren war nicht geeignet, einen Ausnahmefall gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 ARG darzutun. Die belangte Behörde hat mit Recht darauf hingewiesen, dass unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen müssen und dass andere Maßnahmen zur Verhinderung des unverhältnismäßigen Schadens nicht zur Verfügung stehen. Der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand, dass das von ihm geleitete Unternehmen schärfster internationaler Konkurrenz ausgesetzt sei, rechtfertigt nicht die massive Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften. Warum die in Erfüllung übernommener Aufträge durchzuführenden Arbeiten nicht so planbar gewesen sein sollten, dass sie ohne Verletzung der Wochenendruhe zahlreicher Arbeitnehmer hätten durchgeführt werden können, ist aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu erkennen. Bereits beim Abschluss von Lieferverträgen, insbesondere bei der Vereinbarung von Lieferfristen, ist in der Regel auf die Kapazität des Unternehmens Bedacht zu nehmen, sodass nur nachträglich auftretende unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe zu einer Ausnahme im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 2 ARG führen können. Aus welchem Grund dies im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sein sollte, ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer hält die über ihn verhängten Geldstrafen für überhöht, weil in seinem Fall nur Milderungsgründe vorgelegen seien.

Dem ist zu erwidern, dass die verhängten Strafen ohnedies im untersten Bereich des (von S 500,-- bis S 30.000,-- reichenden) Strafrahmens des § 27 ARG angesiedelt sind. Im Hinblick auf den von der belangten Behörde zu Recht hervorgehobenen nicht geringen Unrechtsgehalt der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Taten und den nicht geringen Grad seines Verschulden kann in der von der belangten Behörde vorgenommenen Strafbemessung kein Ermessensfehler erblickt werden.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am