VwGH vom 21.03.1994, 94/10/0010

VwGH vom 21.03.1994, 94/10/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 18.322/26-IA8/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. Agrar 11-220/4/93, zurück. Begründend legte die belangte Behörde dar, der Bescheid des Landeshauptmannes sei der Beschwerdeführerin am durch Hinterlegung zugestellt worden. Die Berufungfrist habe daher am geendet. Die Berufung sei am und somit verspätet zur Post gegeben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht unter Vorlage von Bescheinigungsmitteln geltend, sie habe sich vom 4. bis auf einem Urlaubsaufenthalt in Krems befunden. Bei ihrer Rückkehr in ihre Wohnung am Sonntag, dem , habe sie die Hinterlegungsanzeige vorgefunden. Am Montag, dem habe sie den beim Postamt hinterlegten Bescheid des Landeshauptmannes vom behoben. Die Zustellung sei daher erst am wirksam geworden; die am zur Post gegebene Berufung sei rechtzeitig erhoben worden. Dies sei der belangten Behörde nicht bekannt geworden, weil sie kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt; sie vertritt die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe in der Berufung nicht vorgebracht, daß sie den Bescheid erst am vom Postamt abgeholt habe. Im übrigen seien auch diesfalls noch zehn Tage der Berufungsfrist übrig gewesen. Das Beschwerdevorbringen, die Berufungsfrist habe erst am zu laufen begonnen, unterliege dem Neuerungsverbot.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 21 AVG sind Zustellungen nach den Vorschriften des Zustellgesetzes vorzunehmen.

Nach § 17 Abs. 3 zweiter und dritter Satz ZustG gelten hinterlegte Sendungen mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt. Sie gelten nach dem folgenden Satz der zitierten Vorschrift nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

In der Beschwerde wird ein dem soeben wiedergegebenen § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG zu subsumierender Sachverhalt unter Vorlage von Bescheinigungsmitteln behauptet. Davon ausgehend wäre nach der zuletzt zitierten Vorschrift die Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes erst am Montag, dem , wirksam geworden; die Berufung wäre diesfalls innerhalb der bis zum Montag, dem offenstehenden Berufungsfrist (vgl. § 63 Abs. 5 in Verbindung mit § 32 Abs. 2 AVG) eingebracht worden.

Die Rechtsfrage, ob eine Berufung rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, ist auf Grund von Tatsachen zu entscheiden, die die Behörde gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen festzustellen hat (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ,

Zlen. 90/18/0058, 0059). Der Berufungswerber ist nicht verpflichtet, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Zl. 92/09/0156).

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist der Partei Gelegenheit zu geben, vom Ermittlungsergebnis jene Tatsachen betreffend, auf deren Grundlage die Frage der Rechtzeitigkeit oder Verspätung der Berufung zu beantworten ist, Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 88/07/0089). Unterläßt es die Behörde, das Parteiengehör zu wahren, so kann der Berufungswerber ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot den Zustellmangel in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dartun (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 88/18/0048). Geht die Behörde von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dies dem Berufungswerber vorgehalten zu haben, so hat sie das Risiko einer Bescheidaufhebung zu tragen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 91/11/0053, und vom , Zl. 92/07/0114).

Der belangten Behörde, die die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist der Beschwerdeführerin vor Erlassung des die Berufung zurückweisenden Bescheides nicht vorgehalten hat, ist somit ein Verfahrensfehler unterlaufen, wobei im Hinblick auf die Darlegungen der Beschwerde und die vorgelegten Bescheinigungsmittel nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.