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VwGH vom 30.10.1991, 91/09/0060

VwGH vom 30.10.1991, 91/09/0060

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Oberösterreich, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV-240/1-1991, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Erwin B in N, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird gemäß § 47 Abs. 4 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Arbeitsamt Ried i.I. mit Schreiben vom an die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. Strafanzeige gemäß § 28 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (BGBl. Nr. 218/1975 idF des BGBl. Nr. 450/1990, AuslBG) gegen den Mitbeteiligten erstattet. Der Anlaß hiefür war, daß auf Grund des verspätet eingebrachten Antrages des Mitbeteiligten vom auf Erteilung (Verlängerung) einer am bereits abgelaufenen Beschäftigungsbewilligung in Verbindung mit der Tatsache der erst am erfolgten Abmeldung des genannten Ausländers von der Sozialversicherung auf das Vorliegen einer unerlaubten Beschäftigung vom 3. bis geschlossen worden war.

In der Folge war nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom das gegen den Mitbeteiligten als den zur Vertretung nach außen Berufenen der Firma T-G.m.b.H. wegen der in der Zeit vom 3. bis nicht bewilligten Beschäftigung eines polnischen Staatsangehörigen eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG eingestellt worden, weil diesem kein Verschulden angelastet werden könne.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung, in der sie im wesentlichen vorgebracht wurde, dem Mitbeteiligten sei ein Verschulden insoferne anzulasten, als diesem als für die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift verantwortliche Person bei deren Einhaltung eine besondere Sorgfalt obliege und er dieser offensichtlich nicht nachgekommen sei. Einer Unterschreitung der Mindeststrafe bis zur Hälfte werde aber zugestimmt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid "gemäß §§ 5 und 45" VStG bestätigt.

Zur Begründung wird vorerst die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wie folgt wiedergegeben:

Das Ermittlungsverfahren habe zu Tage gebracht, daß in der T-G.m.b.H. die Prokuristin C seit Jahren betreffend die Beschäftigung von Ausländern die Verfahrensabwicklung mit dem Arbeitsamt tätige und es in diesem Zusammenhang noch nie einen Grund zur Beanstandung gegeben habe. Im Beschwerdefall habe es die Genannte in der Eile lediglich übersehen, daß die vorhandene Beschäftigungsbewilligung entgegen der sonstigen Praxis lediglich für vier Wochen ausgestellt worden sei. Bei Durchführung der Lohnabrechnung am habe sie dieses Versehen selbst bemerkt und so rasch wie möglich Kontakt mit dem Arbeitsamt aufgenommen. Den Mitbeteiligten treffe daher an der gegenständlichen Übertretung nicht das geringste subjektive Verschulden.

Nach Wiedergabe der Berufung und des § 5 Abs. 1 VStG führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus:

Fahrlässigkeit dürfe also auch dann nicht angenommen werden, wenn der Täter nur glaubhaft mache, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. "Glaubhaftmachen" bedeute, daß der Täter Umstände aufzuzeigen vermöge, die Zweifel an seinem Verschulden, an seiner Fahrlässigkeit, begründen könnten. Eine Bestrafung sei weiterhin möglich, doch habe die Behörde in einem solchen Fall in der Begründung des Bescheides anzuführen, weshalb sie dennoch davon ausgehe, daß der Täter fahrlässig gehandelt habe. Der Mitbeteiligte habe in seiner Stellungnahme zum Beschuldigtenladungsbescheid vom vorgebracht, bei dem am angemeldeten Ausländer sei leider übersehen worden, daß dessen Arbeitsbewilligung nur für den Zeitraum von vier Wochen ausgestellt worden sei. Der Ausländer habe sofort nach Feststellung dieses Irrtums die Arbeit niedergelegt. Er bitte, das Versehen zu entschuldigen. Die Prokuristin habe am als Zeugin angegeben, sie sei Angestellte der genannten Firma und besitze für den gesamten Betrieb die Einzelprokura. Ihr sei das Rechnungswesen sowie das Personalverrechnungswesen zugewiesen. In diesen Bereich falle auch die Verfahrensabwicklung mit dem Arbeitsamt betreffend die Beschäftigung von Ausländern. Somit sei sie für diese Belange verantwortlich. Es sei von ihr in der Eile übersehen worden, daß die vorhandene Beschäftigungsbewilligung für den genannten Ausländer entgegen der sonstigen Praxis lediglich für vier Wochen ausgestellt worden sei. Am habe sie dieses Versehen bemerkt. Da sie an diesem Tage einen namentlich genannten Bediensteten des Arbeitsamtes nicht mehr habe erreichen können, habe sie diesen Fall erst am besprechen können. Dabei sei vereinbart worden, daß der Ausländer vorläufig abgemeldet und nach Vorliegen der neuen Beschäftigungsbewilligung wieder angemeldet werde. Diese Bewilligung liege mittlerweile vor. Allerdings sei der Ausländer in seine Heimat zurückgekehrt. Somit treffe den Mitbeteiligten an der Übertretung nicht das geringste Verschulden. Das Verschulden ihrerseits sei äußerst geringfügig und es seien auch die Folgen der Übertretung unbedeutend geblieben. Umstände, die irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit dieser Zeugenaussage hätten aufkommen lassen, seien nicht vorgelegen. Es sei daher nicht nur glaubhaft gemacht, sondern sogar bewiesen, daß der Mitbeteiligte an der nichtbewilligten Beschäftigung des Ausländers in der Zeit vom

3. bis kein Verschulden treffe. Die Einstellung des gegen den Mitbeteiligten eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens entspreche daher dem Gesetz. Wären die Voraussetzungen für die Einstellung nicht gegeben gewesen, so könnte bzw. müßte gemäß § 21 VStG ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 28a AuslBG gestützte Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien (beschwerdeführende Partei), mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben zur Beschwerde Gegenschriften mit dem Antrag erstattet, dieselbe als unbegründet abzuweisen bzw. mangels Beschwer zurückzuweisen.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.

Bei dem mit der genannten Strafbestimmung pönalisierten Verhalten handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsams- oder Formaldelikt (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Erkenntnis vom , Zl. 91/09/0038 und die dort weiters angegebene Rechtsprechung).

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, so genügt gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG).

Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Mitbeteiligte als Geschäftsführer der Gesellschaft m.b.H.

verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher iSd § 9 Abs. 1 VStG ist und daß der Ausländer nur kurze Zeit (jedenfalls zwei Tage) ohne entsprechende Bewilligung beschäftigt war.

Bei Verwaltungsübertretungen, deren Tatbild in einem bloßen Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder in der Nichtbefolgung eines Gebotes besteht und das keinen Eintritt eines Schaden oder einer Gefahr vorsieht (Ungehorsamsdelikte), wird - wenn nicht ausschließlich Vorsatz verlangt wird - Strafbarkeit angenommen, wenn der Täter iSd § 5 Abs. 1 VStG nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Damit wird das Verschulden bei bloßen Ungehorsamsdelikten widerleglich vermutet, wobei nach der Novellierung des § 5 Abs. 1 VStG durch die VStG-Novelle 1987, BGBl. Nr. 516, Art. I, Z. 1, nur insoferne eine Änderung eingetreten ist, als nunmehr - zum Unterschied vom Beweis, der in der Herbeiführung eines behördlichen Urteils über die GEWISSHEIT des Vorliegens einer entscheidungsrelevanten Tatsache besteht - nunmehr die Herbeiführung eines Urteiles über die WAHRSCHEINLICHKEIT einer Tatsache genügt. Damit ist also keine Änderung in der grundsätzlichen Verschuldensvermutung und der daraus resultierenden Verpflichtung des Beschuldigten sich dagegen zur Wehr zu setzen, eingetreten, sondern nur eine Erleichterung für den Beschuldigten insoferne normiert worden, als nunmehr die GLAUBHAFTMACHUNG dessen, daß kein Verschulden gegeben sei, anstelle einer Beweisführung ausreicht.

Im Beschwerdefalle ist ferner unbestritten, daß der für das Personalrechnungswesen und für die Beschäftigung von Ausländern im internen Verantwortungsbereich zuständigen Einzelprokuristin C insofern "in der Eile" ein Fehler unterlaufen ist, als sie übersehen hat, daß der polnische Staatsangehörige (mindestens) zwei Tage lang ohne entsprechende Bewilligung im Betrieb des Mitbeteiligten beschäftigt wurde. Strittig ist, ob dieses einmalige Fehlverhalten auch dem Mitbeteiligten als Geschäftsführer der Gesellschaft m.b.H. und damit als strafrechtlich Verantwortlicher angelastet werden kann.

Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß die genannte Prokuristin diesen Fehler selbst entdeckt und dem Arbeitsamt angezeigt hat, weshalb nicht nur glaubhaft gemacht, sondern sogar bewiesen sei, daß den Mitbeteiligten an der nicht bewilligten Beschäftigung des Ausländers in der Zeit vom 3. (Samstag) bis kein Verschulden treffe.

Diese Auffassung der belangten Behörde erweist sich als nicht rechtswidrig.

Strafrechtlich Verantwortliche iSd § 9 Abs. 1 VStG haben ein Verschulden von zur selbständigen Bearbeitung berufenen Mitarbeitern (hier: Prokurist) nur zu vertreten, wenn sie bei der Auswahl und/oder Überwachung solcher Personen schuldhaft handeln. Niemand darf sich auf ungeeignete, unerfahrene, überforderte oder bekanntermaßen nachlässige Sachbearbeiter verlassen. Bei der Auswahl, Belehrung und Überwachung der Mitarbeiter muß ein strafrechtlich Verantwortlicher das Mögliche tun, um eine Versäumnis von fristgebundenen Anträgen auszuschließen. Welche Anforderungen im Einzelfall an eine ordnungsgemäße Fristenwahrung zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Größe des Bürobetriebes ab.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Beschwerdefall nicht zu erkennen - und diesbezüglich für die beschwerdeführende Partei nichts Konkretes ins Treffen -, daß der mitbeteiligten Partei bei dem gegebenen Sachverhalt ein Auswahl- und/oder Überwachungsverschulden anzulasten wäre.

Darüber hinaus ist nicht jede mangelhafte Arbeitsweise eines Mitarbeiters pflichtwidrig. Grundsätzlich schuldet jeder Dienstnehmer nur eine im Ganzen durchschnittliche Leistung. Das schließt allerlei Mängel der Arbeitsweise ein, die als Ganzes zu betrachten ist. Auch der fähigste und zuverlässigste Dienstnehmer macht gelegentlich Fehler und ist Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen. Es wäre willkürlich, solche Mängel aus dem Zusammenhang einer andauernden Tätigkeit herauszugreifen und isoliert zu beurteilen. Das kann allenfalls bei vorsätzlichem Verhalten geschehen, also bei ausgesprochener Widersetzlichkeit oder bewußter Gleichgültigkeit gegenüber ganz konkreten Anordnungen oder auch bei bewußter Nachlässigkeit, die im gegebenen Einzelfall voraussehbar zu erheblichen Nachteilen geführt hat. Damit scheiden als Pflichtverletzungen Arbeitsmängel aus, die im alltäglichen Ablauf jedem einmal unterlaufen können, soweit sie nicht persönlichkeitsbedingt wiederholt, vorsätzlich oder infolge Gleichgültigkeit mindestens bewußt fahrlässig begangen wurden.

Beruht die (kurzfristige) Fristversäumnis auf einem einmaligen Fehlverhalten einer sonst zuverlässigen Bürokraft, trifft den nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich Verantwortlichen kein Verschulden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.