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VwGH vom 10.02.1998, 97/04/0213

VwGH vom 10.02.1998, 97/04/0213

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des H P und des G P, beide in S, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Zl. 318.309/6-III/A/2a/97, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: B AG in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 33, 74, 77 und 359 GewO 1994 und gemäß § 127 Abs. 1 ASchG die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Betriebsanlage eines Großhandelsmarktes auf einem näher bezeichneten Standort nach Maßgabe der einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildenden im einzelnen bezeichneten Projektsunterlagen sowie unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom mangels Parteistellung der Beschwerdeführer zurückwies.

Über Beschwerde der Beschwerdeführer hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 96/04/0252, diesen Bescheid in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Mit dem nunmehr als Ersatzbescheid für den mit dem zuletzt genannten Erkenntnis aufgehobenen Bescheid ergangenen Bescheid vom wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom gemäß § 77 GewO 1994 ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der Bestimmungen der §§ 74 Abs. 2 und 77 Abs. 1 GewO 1994 führte der Bundesminister zur Begründung dieses Bescheides aus, aus dem Akteninhalt gehe hervor, daß die Anwesen der Beschwerdeführer 180 m bzw. 200 m von der Betriebsanlage entfernt seien. Auf Grund dieser Entfernung sei nicht mit Beeinträchtigungen durch Abgasimmissionen, herrührend von auf der Betriebsanlage durchgeführten Kfz- bzw. im speziellen Lkw-Fahrten zu rechnen. Die Frage der Lärmimmissionen sei bereits in einem Gutachten vom behandelt worden. Aus dem gehe hervor, daß eine geringfügige Erhöhung (1 bis 2 dB) der derzeit vorhandenen Lärmimmissionen zu erwarten sei. Darüberhinaus seien im Rahmen des bisherigen Verfahrens Berechnungen für einige der Betriebsanlage näher gelegene Liegenschaften durchgeführt worden. Dies sowohl für Liegenschaften, die zum Teil durch den nördlich der Betriebsanlage geplanten ca. 2,5 m hohen Erdwall abgeschirmt werden sollten, als auch für solche Liegenschaften, die durch diesen Wall keine Abschirmwirkung mehr erfahren würden. Aus den im Akt erliegenden Luftbildern gehe hervor, daß zwischen der Betriebsanlage und den in Rede stehenden "Berufungsliegenschaften" ebenes, durch landwirtschaftliche Betriebe (niederer Bewuchs) genütztes Gelände liege. Darüberhinaus werde im Gutachten vom erwähnt, daß die in Betracht gezogenen Liegenschaften (unter anderem jene der Beschwerdeführer) etwa jeweils die gleiche Entfernung zu einem der wesentlichen Umgebungsgeräuscherzeuger, nämlich der Autobahn A 10, hätten. Wenn auch auf den Liegenschaften der Beschwerdeführer eine geringfügige Erhöhung der Lärmimmissionen erwartet werden könne, so sei diese derartig niedrig, daß sie nicht als geeignet bezeichnet werden könne, die Nachbarn zu belästigen oder gar zu gefährden. Da somit eine Beeinträchtigung der Interessen des § 74 Abs. 2 keinesfalls gegeben sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift einen gleichartigen Antrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in ihren subjektiven öffentlichen Rechten auf sachliche Erledigung einer gegen einen Bescheid der Gewerbebehörde erster Instanz erhobenen Berufung sowie im besonderen in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf Zuerkennung der Parteistellung in einem gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren als Nachbarn und auf Stattgebung der von ihnen gegen eine geplante gewerbebehördliche Betriebsanlage erhobenen Einwendungen im Sinne einer Abweisung der Genehmigung der Betriebsanlage wegen gesundheitsschädlicher und belästigender Immissionen, die von der Betriebsanlage auf die Grundstücke der Beschwerdeführer einwirkten, verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringen sie vor, nach § 63 Abs. 1 VwGG sei die Behörde bei der Fällung des Ersatzbescheides durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des seinerzeit aufgenommenen Sachverhaltes gebunden. Die Annahme eines geänderten Sachverhaltes hätte die Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs verpflichtet. Dies sei bisher geflissentlich unterlassen worden. Die nicht erfolgte Behebung des Bescheides erster Instanz durch die belangte Behörde verletze die Beschwerdeführer im subjektiven öffentlichen Recht nach § 63 VwGG und mache den Bescheid inhaltlich rechtswidrig. Der Genehmigungsbescheid enthalte keine Betriebsbeschreibung. Eine Verweisung auf die Projektunterlagen sei unzureichend, weil diese dem Genehmigungsbescheid bisher nicht angeschlossen worden seien. Im Bescheid müßten alle für die Genehmigungsfähigkeit bedeutsamen Elemente der Betriebsanlage, also auch etwaige Maschinen und Einrichtungen, die geeignet seien, Gefährdungen, Belästigungen usw. hervorzurufen, im einzelnen angeführt sein. Auch diesem Umstand trage der angefochtene Bescheid nicht Rechnung. Das Ermittlungsverfahren sei von der belangten Behörde nicht wiederholt worden. Hinsichtlich der Geruchsimmissionen beruhe der Bescheid erster Instanz nur auf Schätzungen und nicht auf konkreten Messungen. Bei Durchführung von Luftgütemessungen wäre die Behörde im Ergebnis den Einwendungen der Beschwerdeführer folgend zu einem im Ergebnis anderen, nämlich abweisenden Bescheid gekommen. Das seit Fertigstellung der Anlage in den Wohnungen der Beschwerdeführer wahrnehmbare Dröhnen sei nicht lärmtechnisch gemessen worden. Mangels Messung der Lärmimmission sei die Angabe und Feststellung im angefochtenen Bescheid, lediglich eine Erhöhung um 1 bis 2 dB an Lärm gehe von der Anlage als Einwirkung aus, irrig. Das von der Betriebsanlage ausgehende Dröhnen sei zur Nachtzeit so arg, daß ein erholsamer Schlaf unmöglich sei. Der Parkplatz bestehe nicht, wie irrig angenommen, lediglich aus 94 Stellplätzen, sondern aus 224 Boxen (Stellplätzen). Diese unrichtige Befundaufnahme habe zu einem unrichtigen Lärmgutachten in technischer und medizinischer Hinsicht geführt. Insgesamt müsse gesagt werden, daß bisher die Frage der Immissionen an Geruch, Geräusch, Lärm und Feuchtigkeit keiner Lösung zugeführt worden sei, die frei von Rechts- und Tatirrtum sei.

Gemäß § 359 Abs. 2 GewO 1994 sind der für den Genehmigungswerber, für das Arbeitsinspektorat und für die Gemeinde bestimmten Ausfertigung des Genehmigungsbescheides eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die Pläne und Skizzen, die dem Verfahren zugrunde lagen, und die Beschreibung der beim Betrieb der Anlage zu erwartenden Abfälle und der betrieblichen Vorkehrungen zur Lagerung, Vermeidung, Verwertung und Entsorgung anzuschließen; auf diesen Beilagen ist zu vermerken, daß sie Bestandteile des Genehmigungsbescheides bilden.

Da diese Bestimmung den Anschluß der dort genannten Beilagen an den Genehmigungsbescheid nur hinsichtlich der für den Genehmigungswerber, für das Arbeitsinspektorat und für die Gemeinde bestimmten Ausfertigung vorschreibt, ergibt sich daraus zwingend, daß diese Unterlagen anderen Bescheidausfertigungen, insbesondere jenen, die den sonstigen Parteien des Verfahrens zuzustellen sind, nicht anzuschließen sind. Es bildet daher auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn der für die Beschwerdeführer bestimmten Ausfertigung derartige Beilagen nicht angeschlossen waren.

Die Beschwerdeführer irren ferner, wenn sie meinen, die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid gegen die Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG, wonach die Behörde im Falle der Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof verpflichtet ist, mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, verstoßen. Denn die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom durch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/04/0252, geschah ausschließlich deshalb, weil die belangte Behörde die Parteistellung der Beschwerdeführer verneinte und deshalb deren Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zurückgewiesen hatte. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde durchaus der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes folgend in Anerkennung der Parteistellung der Beschwerdeführer deren Berufung meritorisch erledigt. Es ist daher für den Verfassungsgerichtshof auch nicht erkennbar, warum die Beschwerdeführer meinen, durch diesen Bescheid in den Rechten auf meritorische Erledigung der Berufung und auf Einräumung der Parteistellung verletzt zu sein.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aber auf Grund folgender Erwägungen als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet:

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, genügt die Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht zwar im allgemeinen mit der kurzen Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz, falls sie in der Frage des Tatbestandes und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 2354/A). Eine solche Verweisung genügt allerdings dann nicht, wenn die Berufung, über die die Behörde entscheidet, gegen die Gründe der Erstinstanz Argumente enthält, von denen nicht von vornherein erkennbar ist, daß sie unzutreffend sind oder an der Sache vorbeigehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/12/0027).

Im vorliegenden Fall enthält die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstbehördlichen Bescheid ein umfangreiches Vorbringen, in dem die Beschwerdeführer u. a. darlegen, daß und warum das im erstbehördlichen Verfahren eingeholte Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen, soweit es sich auf Lärm bezieht, nicht auf den tatsächlich gegebenen Verhältnissen basiere und daher zu unrichtigen Ergebnissen komme. Darüberhinaus wird in der Berufung gerügt, daß von der Erstbehörde, abgesehen vom Lärm, u.a. auf Immissionen, die in Form einer "erheblichen Luftbeeinträchtigung" als Folge des enormen Fahrzeugverkehrs auf der in Rede stehenden Betriebsanlage auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer einwirkten, nicht Bedacht genommen worden sei. Schließlich wird in der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstbehördlichen Bescheid noch vorgebracht, die in Rede stehende Betriebsanlage bewirke eine nachteilige Veränderung der Grund- und Oberflächenwasserverhältnisse auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer.

Auf dieses Berufungsvorbringen wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides in keiner Weise eingegangen, obwohl nicht von vornherein gesagt werden kann, dieses Vorbringen sei unzutreffend oder gehe an der Sache vorbei. Es hätte vielmehr entsprechender, allenfalls durch eingeholte Sachverständigengutachten gestützter Darlegungen darüber bedurft, warum die belangte Behörde meint, dieses Vorbringen sei nicht geeignet, zu einer anderen als der von der Erstbehörde getroffenen Entscheidung zu kommen.

Das Fehlen derartiger Ausführungen macht es dem Verwaltungsgerichtshof unmöglich, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Aus prozeßökonomischen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die in den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegende, im Namen der mitbeteiligten Partei erstattete Mitteilung vom , wonach das in Rede stehende Projekt bereits fertiggestellt ist, veranlaßt, auf seine Rechtsprechung zu verweisen, wonach es unzulässig ist, die auf eine Nachbarliegenschaft einwirkenden, von der zu genehmigenden Betriebsanlage ausgehenden Immissionen im Wege der Schätzung oder Berechnung zu ermitteln, wenn eine Messung möglich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/04/0128).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für Beilagen zu einer Beschwerde keine gesonderte Gebühr zu entrichten ist.