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VwGH vom 06.06.1991, 91/09/0054

VwGH vom 06.06.1991, 91/09/0054

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 12. Feber 1991, Zl. Dis-DK-F-1/91, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Abteilungsinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Bundespolizeidirektion A, Wachzimmer K. Er ist weiters Obmann des Dienststellenausschusses für die Bediensteten der Sicherheitswache bei der Bundespolizeidirektion A und im Rahmen der Gewerkschaft öffentlicher Dienst Vorsitzender der Sektion n, Sicherheitswache R.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die belangte Behörde am 11. Feber 1991 beschlossen, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 123 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), wegen des Verdachtes der in den §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 und 48 Abs. 1 iVm § 51 Abs. 1 leg. cit. normierten Dienstpflichten ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Nach dem Spruch dieses Beschlusses ist der Beschwerdeführer verdächtig:

"1) am in einem Interview für die ORF-Sendung

'R Heute' hinsichtlich der Gesamtsituation der Sicherheitsexekutive am Flughafen A tatsachenwidrige Behauptungen aufgestellt zu haben, und zwar daß das dortige Wachzimmer vollkommen unterbesetzt sei, daß seit auch die Sicherheitskontrollen durch Polizeiangehörige durchgeführt würden, wobei diese Aufgabe vorher dem Zoll übertragen gewesen sei, daß keine Vorfeldsicherung bestünde, daß aus dem kurzen Betriebslauf keine Lehren gezogen worden seien, daß die Sicherheitsmaßnahmen alle Behandlungen darstellten, daß seitens der Polizeidirektion eine Verbesserung der Personalsituation nicht erfolgt sei, daß die Sparerlässe bedenkenlos vollzogen würden (Dienstpflichtverletzung gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979);

2) am dem ORF ohne Wissen und Zustimmung der Dienstbehörde ein Fernsehinterview gegeben zu haben, wobei er darin über Angelegenheiten des Objektschutzes und der Objektsicherung am Flughafen sowie über die Gestaltung des Flugdienstes Auskunft erteilte und dabei gegen mehrere bestehende Erlässe des BMfI. und gegen geltende Dienstanweisungen verstieß (§ 44 Abs. 1 BDG 1979);

3) am durch die Abgabe eines Fernsehinterviews gegenüber dem ORF über Tatsachen (Objektschutz und Objektsicherung im Bereich des Flughafens durch die Sicherheitsbehörde, Auskunftserteilung über den Flugdienst), die ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt wurden und deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit geboten sind, gegenüber der Öffentlichkeit und sohin gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen hatte, gegen die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit verstoßen zu haben (§ 46 Abs. 1 BDG 1979);

4) am Nachmittag des die ihm als Dienststellenobmann der Sicherheitswache zustehende Freizeit als Personalvertreter ungerechtfertigt in Anspruch genommen zu haben, zumal sich, seinen eigenen Angaben zufolge, herausstellte, daß er während dieses Zeitraumes nicht als Obmann des Dienststellenausschusses der Sicherheitswache in Erscheinung getreten war, sondern in seiner Eigenschaft als Vorsitzender Gewerkschaft öffentli. Dienst, Sektion n, gehandelt hat, ohne daß ihm hiefür Freizeit gewährt, bzw. die Abwesenheit vom Dienst seitens der Dienstbehörde zugestanden worden war und dadurch ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen zu sein (§ 48 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 BDG 1979),

weshalb er im Verdacht steht gegen folgende Dienstpflichten verstoßen zu haben:


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Zur Begründung führte die belangte Behörde in ihrem Einleitungsbeschluß aus, der im Spruch dargelegte Sachverhalt gründe sich auf die Disziplinaranzeige der Bundespolizeidirektion A vom im Zusammenhang mit dem Bericht des Leiters der Abteilung I vom , auf die Erlässe des Bundesministers für Inneres vom und vom , auf die Dienstanweisung der Bundespolizeidirektion A vom 21. Feber 1979, auf den Grundsatzerlaß des Bundesministers für Inneres vom für die Medienarbeit der Sicherheitsexekutive sowie auf den gesamten Akteninhalt. Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 habe der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Damit sei gemeint, daß der Beamte nichts tun dürfe, was das Einfließenlassen anderer als dienstlicher Interessen auf die Vollziehung vermuten lasse und damit seine Glaubwürdigkeit beeinträchtige. Dadurch, daß er in einem ORF-Fernsehinterview bewußt tatsachenwidrige Behauptungen offenbar wider besseres Wissens aufgestellt habe, stehe er im Verdacht, gegen diese Gesetzesstelle verstoßen zu haben. Gemäß § 44 Abs. 1 leg. cit. habe der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt sei, zu befolgen. Durch die Abgabe seines Fernsehinterviews gegenüber dem ORF am habe der Beschwerdeführer mehrfach gegen die obzitierten Erlässe, die das Verhalten von Bediensteten gegenüber den Medien und auch die inhaltliche Gestaltung von Mitteilungen an die Medien regelten, verstoßen. Er habe u.a. auch das Fernsehinterview gegenüber dem ORF ohne Wissen und ohne Willen der Dienstbehörde abgegeben und dadurch mehrfach eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 begangen, zumal ihm die obangeführten Erlässe und die darin ausgegebenen Richtlinien auch im Zusammenhang mit der Dienstanweisung der Bundespolizeidirektion A bekannt gewesen seien. Nach der Anordnung des § 46 Abs. 1 BDG 1979 sei der Beamte über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit geboten seien, gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen habe, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Im Beschwerdefalle stehe fest, daß alle Belange des Objektschutzes und der Objektsicherung, die den Bereich des Flughafens betreffen, im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit geheimzuhalten seien, zumal gegenüber dem ORF keinesfalls eine Verpflichtung bestehe, über solche Tatsachen Mitteilung zu machen, weshalb der Beschwerdeführer im Verdacht stehe, die Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit verletzt zu haben. Letztlich habe der Beamte gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend sei. Aus dem Akteninhalt gehe hervor, daß der Beschwerdeführer seine Abwesenheit vom Dienst zur Durchführung des Fernsehinterviews über den Flughafenbetrieb und zur Begleitung der Filmaufnahmen des ORF als Personalvertreter und damit auf der Grundlage des Personalvertretungsgesetzes stehend deklariert habe. Wie sich nunmehr herausgestellt habe, sei aber diese Tätigkeit durch den Beschwerdeführer keinesfalls in seiner Funktion als Personalvertreter ausgeübt worden, was seine Abwesenheit vom Dienst als gesetzlich gerechtfertigt erscheinen lassen würde, sondern in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftsfunktionär. Hiefür bestehe jedoch keinesfalls eine gesetzliche Verpflichtung seitens der Behörde, dem Bediensteten die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderliche Freizeit zu gewähren. Er hätte vielmehr bei der Dienstbehörde die Erlaubnis für die Abwesenheit vom Dienst einholen müssen. Dies habe er jedoch nicht getan, weshalb er im Verdacht stehe, am Nachmittag des im Zusammenhang mit der Gewährung eines ORF-Interviews ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen zu sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Disziplinarakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, daß gegen ihn nicht ohne Vorliegen der sich aus §§ 91, 118 BDG 1979 und § 28 Abs. 1 PVG ergebenden Voraussetzungen nach § 123 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde, durch unrichtige Anwendung dieser Normen sowie der Vorschriften über die Bescheidbegründung verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes zunächst vor, der angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil Personalvertreter nach § 28 Abs. 1 PVG nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden dürften. Wohl habe die Personalvertretungs-Aufsichtskommission, die mit Bescheid vom den Beschluß des Dienststellenausschusses vom , mit welchem die Zustimmung zur Geltendmachung seiner dienstrechtlichen Verantwortung verweigert worden sei, aufgehoben habe, diese Entscheidung zu Recht darauf gestützt, daß ihm bezüglich der streitverfangenen Äußerungen der Schutz des § 28 Abs. 1 PVG als Vorsitzender der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Sektion n, nicht zukomme. Selbst wenn man aber berücksichtige, daß er ausdrücklich erklärt habe, in seiner gewerkschaftlichen Funktion zu handeln bzw. sich zu äußern, bleibe es offenkundig, daß er das Interview gleichermaßen in Erfüllung seiner Aufgaben als Personalvertreter gegeben habe.

Da gegen den Beschluß auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 123 Abs. 2 letzter Satz BDG 1979 kein Rechtsmittel zulässig ist, ist damit der Instanzenzug erschöpft und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Der Beschwerde kommt diesbezüglich Berechtigung zu.

Gemäß § 28 Abs. 1 erster Satz des Bundes-Personalvertretungsgesetzes, BGBl. Nr. 133/1967 idF des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 284/1971, dürfen Personalvertreter und die Mitglieder der Wahlausschüsse wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Ausschuß - kommt er zu dem Ergebnis, daß die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung der Funktion erfolgt sind - die Zustimmung zu erteilen.

Gemäß § 41 Abs. 1 PVG hat die (Personalvertretungs-Aufsichts-)Kommission als erste und oberste Instanz von Amts wegen oder auf Antrag desjenigen, der eine Verletzung seiner Rechte behauptet, über die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Organe der Personalvertretung zu entscheiden. Die Kommission hat dabei (nach Abs. 2) allfällige Beschlüsse der Organe der Personalvertretung, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes widersprechen, aufzuheben und im übrigen jedenfalls die Gesetzmäßigkeit oder Gesetzwidrigkeit der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Geschäftsführung festzustellen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist mit den Worten "dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden" (§ 28 Abs. 1 PVG) unmißverständlich auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemeint (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/09/0066, vom , Zl. 89/09/0080, vom , Zl. 90/09/0034, sowie vom , Zl. 90/09/0061 und Zl. 90/09/0104). Die Zustimmung des Ausschusses muß VOR Einleitung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Das Fehlen dieser vom Gesetz geforderten Tatbestandsvoraussetzung belastet den Einleitungsbeschluß mit einer zur Aufhebung führenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer dem durch § 28 Abs. 1 PVG geschützten Personenkreis angehört. Unbestritten ist ferner, daß die Zustimmung nach § 28 Abs. 1 PVG vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht erteilt worden ist. Die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Auffassung, der Bescheid der Personalvertretungs-Aufsichtskommission vom ersetze die Zustimmung des Dienststellenausschusses, entbehrt der gesetzlichen Grundlage. Eine derartige Zuständigkeit kommt der Personalvertretungs-Aufsichtskommission nach dem Gesetz nicht zu; sie hat eine solche im vorliegenden Fall auch nicht in Anspruch genommen. Die Aufhebung eröffnet dem Dienststellenausschuß (nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes bei unverändertem Sachverhalt unter Bindung an die von der Personalvertretungs-Aufsichtskommission geäußerte Rechtsanschauung) die Möglichkeit, im vorliegenden Fall dem Gesetz entsprechend vorzugehen.

Das Erfordernis der Zustimmung nach § 28 Abs. 1 PVG wird auch durch die Äußerung des Beschwerdeführers im Zuge der disziplinären Vorerhebungen vor der Dienstbehörde, er habe seine Aussagen im ORF-Interview vom in seiner Funktion als Vorsitzender der Sektion n (Sicherheitswache) getroffen (Niederschrift vom ) nicht berührt:

die Klärung der Frage, in welcher Funktion der Beschwerdeführer gehandelt habe, ist nämlich nur für die Entscheidung maßgebend, ob der Ausschuß nach § 28 Abs. 2 PVG die Zustimmung zu erteilen hat oder nicht. Die Entscheidung darüber steht nach dem PVG nur dem Ausschuß zu. Diese Angelegenheit ist auch keine Vorfrage, die die Disziplinarbehörde im Wege der Beurteilung (vorläufig) lösen dürfte.

Da im Beschwerdefall die Zustimmung des Ausschusses vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorlag, war dieser wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.