VwGH vom 24.08.1999, 99/11/0188
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des K H in G, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. RU6-St-H-9900/00, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, E, F und G gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Führerscheingesetz (FSG) bis einschließlich (das sind vom Beginn der Wirksamkeit der Entziehung mit Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom am an für sechs Monate) entzogen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Anlass für die Einleitung des Entziehungsverfahrens bei der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Zwettl, waren mehrere Anzeigen gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretungen kraftfahrrechtlicher Vorschriften. Im Laufe des Verfahrens - nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens infolge Erhebung einer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom - erhielt die Behörde Kenntnis von einem Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom ; mit diesem Urteil war der Beschwerdeführer des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 StGB schuldig erkannt worden; er habe 1995 oder 1996 gestohlene Fahrnisse (eine Doppelvibrationswalze und einen hydraulischen Gesteinsbrecher) angekauft und beim Abtransport ein Kraftfahrzeug benützt. Darin und in den angezeigten Verwaltungsübertretungen erblickte die Behörde bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 FSG, aus denen sie auf die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers schloss. Die in Rede stehenden Übertretungen bestanden darin, dass der Beschwerdeführer am einen Arbeitnehmer mit dem Lenken eines nicht zum Verkehr zugelassenen LKW, für den auch keine Haftpflichtversicherung bestanden habe und bei dem keine wiederkehrende Überprüfung durchgeführt worden sei, beauftragt habe; für die Fahrt seien für ein anderes Kraftfahrzeug bestimmte Kennzeichentafeln verwendet worden. Am 21. und am habe er andere Arbeitnehmer beauftragt, einen Dreiachsanhänger mit für ein anderes Kraftfahrzeug bestimmten Kennzeichentafeln zu ziehen bzw. ein mit einem unzutreffenden Kennzeichen versehenes Kraftfahrzeug zu lenken, das nicht zum Verkehr zugelassen gewesen sei und mehrere weitere Mängel aufgewiesen habe. Er habe weiters am einen PKW mit nicht für ihn bestimmten Kennzeichentafeln und am ein Kraftfahrzeug ohne gültige Lenkberechtigung gelenkt. Schließlich lägen bei der Erstbehörde insgesamt 49 Vormerkungen über Verwaltungsübertretungen, von denen die meisten Übertretungen des KFG und der StVO beträfen.
Die belangte Behörde bestätigte als Berufungsbehörde den Vorstellungsbescheid vom . In der Begründung dieses Bescheides wird dahingestellt, ob der Beschwerdeführer die erwähnten Verwaltungsübertretungen begangen hat. Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit und damit für die Entziehung genüge das Vergehen der Hehlerei.
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass dieses Vergehen eine bestimmte Tatsache im Sinne des FSG darstelle.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Hehlereidelikt gemäß § 164 StGB eine bestimmte Tatsache darstellen, wenn es nach seiner Schwere den als bestimmte Tatsachen aufgezählten strafbaren Handlungen entspreche; die Begehung von Hehlereidelikten werde typischerweise durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen erleichtert (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 84/11/0104; vom , Zl. 84/11/0206, und vom , Zl. 94/11/0136). Diese zum KFG 1967 ergangene Rechtsprechung kann angesichts der nahezu völligen Vergleichbarkeit auf die durch das FSG gestaltete Rechtslage übertragen werden.
Ob das vom Beschwerdeführer begangene Vergehen der Hehlerei eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 FSG darstellt, kann indes dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, müsste eine Wertung nach § 7 Abs. 5 FSG ergeben, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Entziehung, und zwar bereits bei Erlassung des Mandatsbescheides, auf Grund der Länge der seit der Tat verstrichenen Zeit von etwa drei Jahren und des Verhaltens während dieser Zeit von einer nur aus der Hehlerei abzuleitenden Verkehrsunzuverlässigkeit nicht mehr die Rede sein könnte.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich in diesem Zusammenhang zu dem Hinweis veranlasst, dass es ein offenkundiges legistisches Versehen darstellt, das im Wege der Auslegung zu korrigieren ist, wenn im § 7 Abs. 5 FSG nur von bestimmten Tatsachen nach § 7 Abs. 3 die Rede ist. Dies ergibt bereits ein Blick auf § 7 Abs. 2, wonach auch bestimmte Tatsachen nach Abs. 4 im Sinne des Abs. 5 zu werten sind. Das Vergehen der Hehlerei stellte gegebenenfalls eine bestimmte Tatsache nach Abs. 4 dar.
Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei über die seit der Tat verstrichenen drei Jahre hinaus noch ein weiteres halbes Jahr verkehrsunzuverlässig, könnte nur dann rechtens sein, wenn sich im Verhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit weitere Umstände gezeigt hätten, die gegen seine Verkehrszuverlässigkeit sprächen. Die Erstbehörde hat dies an Hand der angezeigten und vorgemerkten Verwaltungsübertretungen versucht. Die belangte Behörde hat diese Argumentationslinie fallen gelassen und nur mehr das Hehlereidelikt verwertet. Dies war mangels eigener Ermittlungen zur Frage der Begehung der Verwaltungsübertretungen insofern zutreffend, als in Ansehung dieser Übertretungen lediglich Anzeigen vorliegen und der Beschwerdeführer die Begehung bestritten hat. Dazu kommt, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkberechtigung - das für sich gesehen eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 7 lit. a FSG wäre - am erfolgt sein soll, nach der Aktenlage aber der die Entziehung verfügende Mandatsbescheid vom Beschwerdeführer erst am bei der Behörde übernommen wurde.
Hinsichtlich der in der Begründung des Vorstellungsbescheides vom erwähnten 49 vorgemerkten Verwaltungsübertretungen fehlte schließlich jegliche Aussage darüber, um welche Übertretungen es sich gehandelt habe und welches Gewicht ihnen bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers zuzumessen sei.
Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers ist auf dem Boden der dazu getroffenen Feststellungen unzutreffend. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
Fundstelle(n):
KAAAE-58959