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VwGH vom 29.01.2004, 2003/11/0070

VwGH vom 29.01.2004, 2003/11/0070

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fichtegasse 2a, gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom , Zl. W/68/23/02/47, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom (Einberufungsbefehl) wurde der (am geborene) Beschwerdeführer zur Leistung des Grundwehrdienstes in der Dauer von acht Monaten einberufen und angeordnet, dass er sich am 25. Feber 2002 bis spätestens 11.00 Uhr bei einem näher bezeichneten Truppenkörper einzufinden habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ihm der vorliegende Einberufungsbefehl nicht rechtzeitig zugestellt worden, sondern erst am anlässlich einer durch seinen Rechtsvertreter erfolgten Vorsprache zugekommen sei. Als Zustelladresse sei eine näher genannte Adresse im 15. Wiener Gemeindebezirk angegeben worden, an welcher der Beschwerdeführer bereits beim ersten Zustellversuch am nicht angetroffen worden sei, weil er zu diesem Zeitpunkt wegen eines längeren Aufenthaltes in Kasachstan ortsabwesend gewesen sei. Der Zusteller habe auf dem Zustellformular "Empfänger unbekannt" vermerkt, worauf der Bescheid an den Absender (die belangte Behörde) retourniert worden sei. Sodann sei am unter derselben Adresse wieder eine Zustellung erfolgt, welche jedoch gleichfalls wegen Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers unwirksam gewesen sei. Auch beim zweiten Zustellversuch () sei niemand anwesend gewesen, der Bescheid sei daher am beim Postamt hinterlegt worden. Es habe kein Anlass für die Annahme bestanden, dass sich der Beschwerdeführer regelmäßig an der genannten Adresse aufhalte, er sei auch nicht innerhalb der Abholfrist an den Abgabeort zurückgekehrt, weshalb er auch nicht innerhalb der "Hinterlegungsfrist" Kenntnis von der Hinterlegung erlangen habe können. Es liege daher ein Zustellmangel im Sinne des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz vor, weshalb ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Z. 1 des Wehrgesetzes gegeben sei, wonach Einberufungsbefehle, welche nicht mindestens vier Wochen vor dem Einberufungstag zugestellt würden, rechtswidrig seien.

Die belangte Behörde bringt dagegen (in der Gegenschrift) vor, dass es zwar richtig sei, dass am der Einberufungsbefehl mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" retourniert worden sei. Die Behörde habe aber daraufhin, wie in derartigen Fällen üblich, eine Auskunft hinsichtlich des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers eingeholt, welche ergeben habe, dass der Beschwerdeführer seit an der gegenständlichen Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet sei. Auch andere Behörden seien von diesem Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers ausgegangen. Daraufhin sei eine neuerliche Versendung des Bescheides an dieselbe Adresse erfolgt, am sei vom Zustellorgan im Hausbrieffach des Beschwerdeführers eine Verständigung über den am nächsten Tag erfolgenden weiteren Zustellversuch zurückgelassen worden. Am sei der Beschwerdeführer abermals nicht an der Abgabestelle angetroffen worden und es sei daher die Hinterlegung beim zuständigen Postamt erfolgt. Nach Ablauf der Hinterlegungsfrist sei die Sendung durch das zuständige Postamt mit dem Vermerk "nicht behoben, daher zurück an den Absender" an die belangte Behörde retourniert worden. Aus Sichtvermerken im Pass des Beschwerdeführers ergebe sich, dass dieser am in Kasachstan eingereist, am aber wieder ausgereist sei. Ein entsprechender Nachweis für eine Einreise in ein anderes Land sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer noch innerhalb der Hinterlegungsfrist, nämlich am von seinem Hauptwohnsitz abgemeldet. Auch dieses Indiz deute darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt in Wien befunden habe und somit rechtzeitig von der Zustellung seines Einberufungsbefehles Kenntnis habe erlangen können. Die belangte Behörde sei somit von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Einberufungsbefehles (mit ) ausgegangen.

Diesen Argumenten der belangten Behörde kann jedoch nicht gefolgt werden: Die belangte Behörde geht von einer rechtswirksamen Zustellung des gegenständlichen Einberufungsbefehles durch Hinterlegung an den Beschwerdeführer aus.

§ 17 Zustellgesetz hat folgenden Wortlaut:

"Hinterlegung

§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein "regelmäßiger Aufenthalt" an der Abgabestelle im Sinne des § 17 Abs. 1 Zustellgesetz nur dann vor, wenn der Empfänger, von kurzfristigen Abwesenheiten abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt. Hinsichtlich der im § 17 Abs. 1 leg. cit. normierten Voraussetzung, dass der Zusteller Grund zur Annahme haben müsse, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte, ist darauf abzustellen, ob objektive Gründe dafür gegeben sind, dass sich der Empfänger tatsächlich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle liegt nicht vor, wenn der Empfänger mehrere Tage ortsabwesend ist, wobei es nicht erforderlich ist, dass eine langfristige Abwesenheit von der Wohnung als Abgabestelle gegeben ist, sondern bereits eine kurzfristige Abwesenheit, etwa für einen Auslandsaufenthalt, eine relevante Ortsabwesenheit darstellt (vgl. die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, 1. Band, in E 6ff zu § 17 ZustG dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Nichts deutet darauf hin, dass im vorliegenden Fall objektive Anhaltspunkte dafür gegeben waren, der Beschwerdeführer halte sich im Sinne des § 17 Abs. 1 leg. cit. regelmäßig an der Abgabestelle auf. Unbestritten wurde anlässlich der zum ersten Mal versuchten Zustellung des gegenständlichen Einberufungsbefehles die Postsendung an die belangte Behörde mit dem Vermerk "Empf. unbekannt" zurückgesendet. Dass der Beschwerdeführer an der genannten Adresse polizeilich angemeldet war, lässt noch keine zweifelsfreien Rückschlüsse darauf zu, dass er sich in der angegebenen Wohnung auch regelmäßig aufhält, aus diesem Grund kann auch allein aus dem Hinweis der belangten Behörde, sie habe eine Meldeanfrage hinsichtlich des Beschwerdeführers durchgeführt, für ihren Standpunkt nichts gewonnen werden. Schließlich sind auch die Argumente der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei am aus Kasachstan ausgereist, und es sei ein entsprechender Nachweis für eine Einreise in ein anderes Land nicht ersichtlich, sowie dass er sich am von der gegenständlichen Wohnung abgemeldet habe, nicht zielführend, weil aus ihnen gleichfalls nicht abgeleitet werden kann, der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt der Zustellversuche an der angegebenen Adresse regelmäßig aufgehalten bzw. er sei noch innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt. Die Zustellung durch Hinterlegung des Einberufungsbefehles am war daher entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht rechtswirksam.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit, da er entgegen § 24 Abs. 1 Z 1 Wehrgesetz 2001 (in Kraft getreten am als Nachfolgebestimmung des § 35 Abs. 1 Z. 1 Wehrgesetz 1990) nicht rechtzeitig zugestellt wurde, als rechtswidrig, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am