VwGH vom 25.11.1997, 97/04/0117
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des J in I und des Dr. R in W, beide vertreten durch Dr. F u.a., Rechtsanwälte in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , Zl. VIb-221/530-1996, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: "B"-Vermietungsgesellschaft m.b.H., vertreten durch P & M, Anwaltssozietät KEG in B), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt B wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Spruchpunkt B des Bescheides des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug gemäß den §§ 74, 77 und 353 ff GewO 1994 sowie den §§ 93 und 99 ASchG die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Einkaufs- und Begegnungszentrums an einem näher bezeichneten Standort nach Maßgabe der in diesem Bescheid enthaltenen Betriebsbeschreibung und unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen und Bedingungen erteilt. Die Auflage C (Vorschreibungen über Antrag des Amtssachverständigen für Lufthygiene) Punkt 2. hat folgenden Wortlaut:
"Die in den Küchen erfaßte mechanische Abluft ist entsprechend den jeweiligen Abluftmengen sowohl durch Partikelabscheider als auch durch entsprechende Geruchsfilter (z.B. Aktivkohle) zu reinigen. Die installierten Filteranlagen sind entsprechend den Angaben der Herstellerfirma zu warten und instandzuhalten."
Mit Spruchpunkt A dieses Bescheides wurde eine nicht den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffende Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann unter anderem im Rahmen der Darstellung des Verfahrensganges aus, der gewerbetechnische Amtssachverständige habe unter anderem zum Wochenendbetrieb der Lüftungsanlage ausgeführt, daß im gewerbetechnischen Gutachten vom bereits dargelegt sei, daß bei Vollbetrieb aller lufttechnischen Anlagen ein Beurteilungspegel gemäß Ö-Norm S 5004 von 45 dB, ermittelt in 15 m Entfernung, nicht überschritten werde. Bei Abschaltung der Anlagen "Großverteiler" und "Detailisten" ab 21.30 Uhr werde ein Beurteilungspegel von 35 dB, ebenfalls in 15 m Distanz, eingehalten. Bei den nächstgelegenen Wohnnachbarn stellten sich etwas niedrigere Werte als Immissionspegel ein. Nach Ansicht dieses Sachverständigen sei daher zusammenfassend festzuhalten, daß der Immissionspegel der lufttechnischen Anlagen bei den nächstgelegenen Wohnnachbarn auch bei Vollbetrieb im Bereich des Grundgeräuschpegels liege und daher sicherlich nicht unzumutbar störend sei. Der lufthygienische Sachverständige habe unter anderem ausgeführt, bei einer sorgfältigen Ausführung der Lüftungsanlage, bei einer Wartung der Lüftungssysteme und bei einem periodischen Wechsel der Vorfilter werde durch die Abgase der gewerblichen Betriebe sowie der Garagen aufgrund der Überhöhung der Abgase (Auftrieb) und des Abstandes der Anrainer nur sehr selten eine Geruchswahrnehmung aus den gewerblichen Betrieben bei den Anrainern zu erwarten sein. Von den von ihm gepflogenen Ermittlungsergebnissen ausgehend gelangte der Landeshauptmann zu dem Ergebnis, bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen sei zu erwarten, daß durch die gegenständliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Einkaufs- und Begegnungszentrums Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 vermieden und diesbezügliche Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 leg. cit. auf ein zumutbares Maß beschränkt würden.
Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen dessen Spruchpunkt B, richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit einem gleichlautenden Antrag.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringen sie einleitend vor, die Gewerbepraxis orientiere sich seit jeher am Grundsatz, daß sämtliche Einrichtungen und Objekte einer Anlage eine Einheit bildeten und das Gesamtobjekt der Genehmigungspflicht unterliege. Daraus ergebe sich in Konsequenz für die Form der Erledigung die Unzulässigkeit einer Art Grundsatzentscheidung in der Art, daß zunächst die Gesamtanlage unter Ausschluß der Einzelanlagenteile mit gesondertem Bescheid und sodann mit einem weiteren Bescheid die Einzelanlageteile genehmigt würden. Die von der belangten Behörde in ihren Bescheid aufgenommene Beschreibung der in das Einkaufszentrum aufzunehmenden Geschäfte reiche nun keineswegs aus, um die Betriebsanlage so ausreichend zu definieren, daß eine Genehmigung hätte erfolgen dürfen. Aus dem erstinstanzlichen Bescheid ergäben sich zwar die Geschäftstypen. Es sei aber nicht klar, welche Geräte, Maschinen und sonstigen Einrichtungen von diesen Geschäften bzw. deren Betreibern zusätzlich verwendet werden sollten. Gerade die Ausführungen des Umweltinstitutes des Landes Vorarlberg vom in dem von der zweiten Instanz eingeholten Gutachten bestätigten diese Auffassung. Der Sachverständige führe hinsichtlich der vorzuschreibenden Filteranlage aus, die vom Sachverständigen der ersten Instanz gemachte Vorschreibung von "entsprechenden Filteranlagen", die vom erstinstanzlichen Bescheid übernommen und von der belangten Behörde gebilligt worden sei, sei ausreichend, da eine genauere Beschreibung der Abluftmengen und Filter im gegenständlichen Fall noch nicht möglich sei, da das Planungsstadium noch nicht jenen Grad erreicht habe, welches eine Klassifizierung eindeutig zulasse. Zwangsläufig sei daher eine Genehmigung jedes einzelnen Geschäftes notwendig, wenn deren Ausstattung bekannt sein werde. Das sei aber unzulässig.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in den Ziffern 1 bis 5 genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen hervorzurufen. Nach § 77 Abs. 1 leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Wie die Beschwerdeführer zutreffend hervorheben, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, daß es unzulässig ist, in einer Art Grundsatzentscheidung dem Grunde nach die Zulässigkeit einer nur der Type nach bestimmten Betriebsanlage zu genehmigen oder in Erledigung eines Ansuchens um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage in der Form vorzugehen, daß zunächst mit gesondertem Bescheid die "Gesamtanlage" unter Ausschluß der "Einzelanlagenteile" und sodann "die Einzelanlageteile" wieder mit getrennten Bescheiden genehmigt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 11.888). Diese Rechtslage ist auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt anwendbar, weil die mit der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. Nr. 63, neu geschaffene Regelung des § 356e GewO 1994 im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht anzuwenden ist.
Es kann nun dahingestellt bleiben, ob, wie die Beschwerdeführer meinen, im angefochtenen Bescheid nicht endgültig klargestellt ist, welche Geräte, Maschinen und sonstige Einrichtungen in den einzelnen Geschäften schließlich zur Anwendung kommen würden, oder ob, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, durch die Ergänzungen, die der erstbehördliche Abspruch im angefochtenen Bescheid erfuhr, diese Frage geklärt ist. Jedenfalls ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit dem diesem zugrundeliegenden Ermittlungsverfahren, daß zumindest die Abluftanlage nicht in ihrer endgültigen Ausgestaltung der Beurteilung der belangten Behörde zugrundelag. Denn in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des Umweltinstituts des Landes Vorarlberg vom wird im Zusammenhang mit der Überprüfung des im erstbehördlichen Verfahren eingeholten Gutachtens eines lufthygienischen Sachverständigen ausgeführt, die Terminologie dieses Sachverständigen sei ausreichend im Sinne des Standes der Technik und es sei daher die entsprechende Abluftführung nach dem Stand der Technik und der Wissenschaft zu verstehen. Eine genauere Beschreibung der Abluftmengen bzw. der Filter könne im gegenständlichen Fall noch nicht gegeben werden, da das Planungsstadium noch nicht jenen Grad erreicht habe, welcher seine Klassifizierung eindeutig zulasse. Hingegen sei davon auszugehen, daß durch ein konzessioniertes Unternehmen die Planung fortgesetzt nach dem Stand der Technik, d.h. unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und der Regelwerke der Lüftungstechnik, betrieben und daher auch ein dem Stand der Technik entsprechender Filter eingebaut werde.
Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weil sie in Verkennung der dargestellten Rechtslage mit dem angefochtenen Bescheid ein Projekt genehmigte, das zumindest in der Gestaltung der Abluftanlage nur in Grundzügen, nicht aber in seinen Details vorlag, wobei im Sinne der Ausführungen des Umweltinstituts des Landes Vorarlberg die endgültige Ausgestaltung dem das Projekt ausführenden Fachmann überlassen und auf dessen Fachkenntnisse vertraut wird. Diese Unklarheit findet schließlich auch ihren Niederschlag in der diesbezüglichen Auflage, die für die Reinigung der in den Küchen erfaßten mechanischen Abluft lediglich einen den jeweiligen Abluftmengen entsprechenden Partikelabscheider und einen entsprechenden Geruchsfilter vorschreibt und damit gegen das Gebot der Bestimmtheit von Auflagen verstößt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 8205, vom , Zl. 83/04/0054, und vom , Zl. 91/04/0209).
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, sodaß es sich erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.