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VwGH vom 30.03.1993, 91/08/0169

VwGH vom 30.03.1993, 91/08/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der G in X, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-556-7188/7, betreffend Rückersatz von Sozialhilfeleistungen nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist nach dem Akteninhalt Alleinerzieherin der drei minderjährigen ehelichen Kinder A, geboren 1990, D, geboren 1981; und P, geboren 1986; sie steht bereits seit längerer Zeit im Bezug laufender monatlicher Sozialhilfeunterstützungen in Höhe von - bezogen auf den hier relevanten Zeitraum - S 7.850,--.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes verpflichtet, die ihr zuletzt mit Bescheid vom in der Zeit vom bis gewährte Sozialhilfe zu ersetzen und den Gesamtbetrag von S 10.800,-- in Teilbeträgen von S 2.000,-- von den jeweiligen Sonderzahlungen in den Monaten Mai und Oktober, beginnend mit Oktober 1991, zu bezahlen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Bezirkshauptmannschaft (-Sozialreferat) habe mit Schreiben vom der Beschwerdeführerin Anträge auf Erstattung des Kinderzuschlages für die Jahre 1989 und 1990 mit der Bitte um Fertigung und Retournierung übermittelt. Mit der Beschwerdeführerin sei sodann vereinbart worden, daß der erstattete Kinderzuschlag als teilweiser Kostenersatz für die geleistete Sozialhilfe in den Jahren 1989 und 1990 direkt an die Bezirksverwaltungsbehörde angewiesen werde. Am seien die Anträge mit der Abtretung des Kinderzuschlages für die Jahre 1989 und 1990 dem Finanzamt übermittelt worden. Infolge Widerrufes der Abtretung durch die Beschwerdeführerin sei dieser der Kinderzuschlag für die Jahre 1989 und 1990 im Gesamtbetrag von S 10.800,-- am bar erstattet worden. Da die Beschwerdeführerin im Bezug einer monatlichen Barzuwendung von S 7.850,-- aus Mitteln der Sozialhilfe stehe, hätte sie zum Zeitpunkt des Erhaltes des Kinderzuschlages keinen Anspruch auf eine Geldleistung gemäß § 4 Abs. 1 lit. a der Tiroler Sozialhilfeverordnung gehabt. Da dies erst nachträglich bekannt geworden sei, habe die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes die für den Zeitraum vom 13. Juni bis gewährte Sozialhilfe in Höhe von S 10.800,-- (aliquoter Anteil der monatlichen Geldleistung aus Mitteln der Sozialhilfe in Höhe von S 7.850,--) zu ersetzen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen gerichtete, fristgerecht eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und führte aus, daß gemäß § 7 Abs. 1 der (Tiroler) Sozialhilfeverordnung der Kinderzuschlag bei der Bestimmung des Ausmaßes der Sozialhilfe nicht außer Ansatz zu lassen und sohin zur Gänze als Einkommen zu werten sei. Da die Beschwerdeführerin eine laufende Sozialhilfeunterstützung von monatlich S 7.850,-- beziehe, hätte sie zum Zeitpunkt des Erhaltes des Kinderzuschlages von S 10.800,-- keinen Anspruch auf Geldleistung gemäß § 4 Abs. 1 lit. a der Sozialhilfeverordnung gehabt. Da dies erst nachträglich bekannt geworden sei, habe die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 des Tiroler Sozialhilfegesetzes die für den Zeitraum vom 13. Juni bis gewährte Sozialhilfe in Höhe von S 10.800,-- zurückzuzahlen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973 in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 44/1988 und der Kundmachung LGBl. Nr. 35/1989 (TSHG), ist Sozialhilfe nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden. Nach § 1 Abs. 3 lit. a leg. cit. befindet sich in einer Notlage im Sinne dieses Gesetzes, wer den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Gemäß § 7 Abs. 1 TSHG kann die Sozialhilfe in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gewährt werden. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung ist das Ausmaß der Sozialhilfe im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel zu bestimmen. Nach Abs. 4 leg. cit. dürfen die eigenen Mittel, wozu das gesamte verwertbare Vermögen und Einkommen gehört, bei der Bemessung der Sozialhilfe insoweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar wäre oder für den Hilfesuchenden oder dessen Familienangehörige eine besondere Härte bedeuten würde. Kleinere Einkommen und Vermögen, insbesondere solche, die der Berufsausübung dienen, sind nicht zu berücksichtigen. Gemäß Abs. 6 erster Satz dieser Gesetzesstelle hat die Landesregierung Vorschriften über die Form und das Ausmaß der Sozialhilfe sowie darüber, inwieweit das Vermögen und das Einkommen nicht zu berücksichtigen sind, zu erlassen.

Die dazu ergangene Sozialhilfeverordnung, LGBl. Nr. 68/1974 in der Fassung LGBl. Nr. 81/1983, sieht in § 7 Abs. 1 vor, daß bei der Bemessung des Ausmaßes der Sozialhilfe im Sinne des § 7 Abs. 2 des TSHG, ungeachtet anderer landesrechtlicher Vorschriften, außer Ansatz zu lassen sind:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz;
b)
ein angemessener Betrag des Arbeitseinkommens von Personen, die trotz vorgerückten Alters oder die trotz starker Beschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit einem Erwerb nachgehen;
c) die zur Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben.

Gemäß § 8 Abs. 1 des TSHG ist der Empfänger der Sozialhilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt oder wenn nachträglich bekannt wird, daß er zur Zeit der Gewährung der Sozialhilfe hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Sozialhilfe gefährdet würde.

Das Tiroler Sozialhilfegesetz normiert also - wie aus den zitierten Bestimmungen ersichtlich - in seinem dritten Abschnitt über die Kostentragung den Ersatz durch den Sozialhilfeempfänger selbst (§ 8), durch Unterhaltspflichtige (§ 9) und - in Form eines Überganges von Rechtsansprüchen - durch Dritte (§ 11 leg. cit.), wobei der Landesgesetzgeber Verfahrensvorschriften hinsichtlich der Ersatzansprüche nach §§ 8 und 9 legt. cit. im § 10 leg. cit. und hinsichtlich der in § 11 vorgesehenen Legalzession von gegen Dritte zustehenden Rechtsansprüchen in dieser Bestimmung normiert.

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin entsprechend den Bestimmungen der §§ 33 Abs. 4 und 40 in Verbindung mit § 50 Abs. 2 EStG 1988 für die Jahre 1989 und

1990 am ein Gesamtbetrag an Kinderzuschlägen in Höhe von S 10.800,-- bar überwiesen.

Der Kinderzuschlag ist nach § 33 Abs. 4 EStG 1988 ein Jahresbetrag, der - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 40 EStG 1988 auf Antrag bar erstattet werden kann.

Von der am erfolgten Barauszahlung eines Betrages von S 10.800,-- bekam die belangte Behörde erst "nachträglich", das heißt nach Zufließen dieses Bargeldbetrages und nach Erbringung der - laufenden monatlichen - Sozialhilfeleistung, Kenntnis. Voraussetzung für den Ersatz durch den Empfänger der Sozialhilfe gemäß § 8 Abs. 1 des TSHG ist es, daß dieser zu "hinreichendem" Einkommen oder Vermögen gelangt ist UND durch den Ersatz der Erfolg der Sozialhilfe nicht gefährdet würde. Darin kommt bereits zum Ausdruck, was auch die Bestimmung des § 7 Abs. 4 des TSHG anstrebt, nämlich die Einrechnung verwertbaren Vermögens und Einkommens nur auf jene Fälle zu beschränken, in denen nicht die Gefährdung der vom Sozialhilfegesetzgeber beabsichtigten Zielsetzungen gegeben wäre. Dazu sieht § 7 Abs. 4 leg. cit. ausdrücklich vor, daß kleinere Einkommen und Vermögen ("Schonvermögen") nicht zu berücksichtigen seien. Die aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 7 Abs. 6 TSHG erlassene Sozialhilfeverordnung, LGBl. Nr. 68/1974 in der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 81/1983, normiert in § 7 Abs. 3 lit. e in gleichem Sinne, daß bei der Bemessung des Ausmaßes der Sozialhilfe im Sinne des § 7 Abs. 2 TSHG vom Vermögen kleinere Barbeträge oder sonstige kleinere Sachwerte außer Ansatz zu lassen sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß es sich bei Beträgen von über S 50.000,-- nicht mehr um solche "kleinen Barbeträge" handelt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 81/08/0073, zum in diesem Punkt vergleichbaren Wiener Sozialhilfegesetz und vom , Zl. 86/11/0160). Ein Betrag von S 10.800,-- erscheint aber auch im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Kinderzuschlages gemäß §§ 33 Abs. 4 und 40 des Einkommensteuergesetzes 1988 iVm den sozialpolitischen Zielsetzungen der Sozialhilfe als entsprechend dem § 7 Abs. 4 TSHG derart gering, daß er im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen außer Ansatz zu lassen war. Aus diesem Grunde muß auch auf den Einwand der Beschwerdeführerin, durch Vorschreibung des Rückersatzes werde "der Erfolg der Sozialhilfe" in Frage gestellt, sowie auf das Problem der Anwendung des § 11 TSHG nicht mehr eingegangen werden, obwohl darauf hinzuweisen ist, daß die belangte Behörde die Rückerstattung der Raten nur in den Monaten der Auszahlung der doppelten Richtsatzbeträge angeordnet hatte, daher für eine Gefährdung des Erfolgs der Sozialhilfe nach der derzeitigen Aktenlage kein Anhaltspunkt besteht.

Da die belangte Behörde aus den dargelegten Gründen ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde eingegangen werden muß.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.