VwGH vom 26.05.1998, 97/04/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. I-0779/95/E6, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:
"Sie haben bei der Ausschreibung für das Bauvorhaben Wohnanlage K in G teilgenommen und dabei die Ausführung der Leistung "Trockenbauarbeiten" zum Anbotsabgabetermin am bei der ausschreibenden Stelle "P GmbH" angeboten, obwohl Sie zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz der Gewerbeberechtigung für das Handwerk "Stukkateure und Trockenausbauer" waren. Sie haben demnach im Rahmen einer Ausschreibung Trockenbauarbeiten angeboten, was der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten wird."
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 366 Abs. 1 Z. 1 i.V.m.
§ 1 Abs. 4 GewO 1994 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 3.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt werde.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei unbestritten, daß die vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeiten in den Bereich "Trockenausbauarbeiten" fielen und er diese Arbeiten seit nunmehr ca. 15 Jahren fachmännisch ausübe, er aber eine diesbezügliche Berechtigung nach der Gewerbeordnung nicht besitze, wohl aber eine solche für das Tischlereigewerbe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer Tätigkeiten, die in den Bereich Trockenbauarbeiten fielen, seinen Angaben zufolge seit nunmehr 15 Jahren ausübe, habe ihn nicht von der Verpflichtung zu befreien vermocht, "sich über die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften kundig zu machen und zu halten". Der Beschwerdeführer, der im Tischlereigewerbe selbständig tätig sei, wäre verpflichtet gewesen, sich beispielsweise bei der zuständigen Behörde hinsichtlich der Voraussetzungen für die Erlangung einer Berechtigung zur Ausübung des Handwerkes der "Stukkateure und Trockenausbauer" zu erkundigen. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach dem Tatzeitpunkt, nämlich am , die Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis im Gewerbe der Stukkateure und Trockenausbauer beantragt habe und diese mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom (eingeschränkt auf den Trockenausbau) erteilt worden sei, vermöge ihn nicht zu entschuldigen. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht erfolgreich auf § 376 Z. 12 GewO 1994 berufen. Der Beschwerdeführer sei nämlich weder vor der Gewerberechtsnovelle 1992 noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerbeordnung 1973 zur Ausübung eines handwerksmäßigen Gewerbes berechtigt gewesen, das nunmehr Teil des in Rede stehenden Handwerks der "Stukkateure und Trockenausbauer" sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom , B 4802/96-3, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Hauptgewicht der Beschwerde liegt in der Behauptung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung und Auslegung des § 376 Z. 12 GewO 1994 durch die belangte Behörde.
§ 376 Z. 12 GewO 1994 hat folgenden Wortlaut:
"12. (Zu § 94:)
Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerbeordnung 1973 zur Ausübung eines handwerksmäßigen Gewerbes berechtigt sind, das nunmehr Teil eines Handwerks gemäß § 94 ist, sind zur Ausübung dieses Handwerks gemäß § 94 berechtigt."
§ 376 Z. 12 GewO 1994 entspricht (inhaltlich) § 376 Z. 12 GewO 1973 in der Stammfassung. § 376 Z. 12 GewO 1973 erfuhr insbesondere auch nicht durch die Gewerberechtsnovelle 1992 eine Änderung. Lediglich durch die Wiederverlautbarung BGBl. Nr. 194/1994 wurde im § 376 in jenen Fällen, in denen die Wendung "Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes" (in der GewO 1973) aufschien, eine Formulierung gebraucht, die eine genaue zeitliche Bestimmung ermöglichen soll (vgl. Abschnitt A, Art. V Z. 44 der Wiederverlautbarung). In diesem Sinne wurden die Worte "dieses Bundesgesetzes" durch die Worte "der Gewerbeordnung 1973" ersetzt. Daß durch eine derartige Anpassung die Grenzen der Ermächtigung zur Wiederverlautbarung überschritten worden wären, ist aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht zu finden. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht zu einer Antragstellung nach Art. 139a B-VG veranlaßt.
Schon aus dem Wortlaut der Regelung ist aber klar erkennbar, daß damit lediglich eine Übergangsregelung in Ansehung des Inkrafttretens der Gewerbeordnung 1973 (in der Stammfassung) geschaffen wurde, nicht aber ein Übergangsrecht in Ansehung (auch) der Gewerberechtsnovelle 1992.
Die Beschwerderügen, soweit sie eine unrichtige Anwendung des § 376 Z. 12 GewO 1994 der belangten Behörde zum Vorwurf machen, vermögen somit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die Beschwerde ist aber im Ergebnis insoweit begründet, als inhaltlich vorgebracht wird, daß durch die Neuschaffung des Handwerks "Stukkateure und Trockenausbauer" durch die Gewerberechtsnovelle 1992 Tischler, die schon bis dahin Trockenausbauten durchgeführt hätten und diese Tätigkeit auf Grund ihrer langjährigen Praxis auch beherrschten, zur Weiterführung ihrer Tätigkeit berechtigt seien.
Mit der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, wurde in den Katalog des § 94 als Z. 8 "Stukkateure und Trockenausbauer" aufgenommen (bisher Stukkateure in § 94 Z. 76).
§ 95 GewO 1994 - in seiner durch die Gewerberechtsnovelle 1992 geschaffenen Fassung - bestimmt:
"Durch die Neueinstufung einer Tätigkeit als Handwerk wird der Berechtigungsumfang anderer Handwerke oder gebundener Gewerbe (§§ 124 und 127), von deren Berechtigungsumfang diese Tätigkeit auch schon bis zum Inkrafttreten der Neueinstufung umfaßt war, nicht berührt."
Wie es in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage in 635 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates 18. GP heißt, schütze diese Bestimmung den Bestand an Rechten, die Handwerken oder gebundenen Gewerben zukämen, für den Fall der Neueinstufung einer Tätigkeit in die Gruppe der Handwerke. So seien z.B. Zimmermeister weiterhin zur Durchführung von Isolierungs- und Trockenausbauarbeiten berechtigt, auch wenn die betreffenden Tätigkeiten neu in den Handwerken zugeordnet worden seien. Desgleichen würden die Rechte der Baumeister, der Tischler und - soweit es sich um Stahlkonstruktionen handle - der Schlosser durch die Aufnahme der Trockenausbauer in die Handwerksliste (§ 94 Z. 8) nicht geschmälert.
Der Gesetzgeber geht somit davon aus, daß der "Trockenausbauer" neu in die Handwerksliste aufgenommen wurde und diese Tätigkeit bisher im Rahmen anderer Gewerbe ausgeübt worden ist. Die Regelung des § 95 GewO 1994 soll somit insgesamt jene Bereiche erfassen, die bisher keinem traditionellen Berufsbild zugeordnet werden konnten, und zwar wohl insbesondere deshalb, weil durch die Entwicklung ursprünglich untergeordnete Tätigkeiten zu einem eigenen Berufszweig geworden sind. Als Beispiel dafür soll nach der Absicht des Gesetzgebers gerade der Trockenausbau gelten, der bisher (auch) im Rahmen des Tischlergewerbes zulässigerweise ausgeübt worden sei. Daß diese Einschätzung des (historischen) Gesetzgebers unzutreffend wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof auch vor dem Hintergrund des § 29 letzter Satz GewO 1994 nicht zu finden.
War aber die Tätigkeit des "Trockenausbaus" vor der Gewerberechtsnovelle 1992 (auch) vom Gewerbe (bzw. Berechtigungsumfang) der Tischler umfaßt, wobei zur Abgrenzung für den Zweifelsfall die Kriterien des § 29 letzter Satz GewO 1994 heranzuziehen sind, so wurde im Grunde des § 95 dieser Berechtigungsumfang durch die Neueinstufung des Trockenausbaus als Handwerk nicht berührt.
Da die belangte Behörde dies in Verkennung der Rechtslage unberücksichtigt ließ, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß sich das Erfordernis der Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens ergab.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand sowie den - im Hinblick auf die gesetzliche Kostenpauschalierung nicht zuzuerkennenden - für Umsatzsteuer geltend gemachten Betrag.