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VwGH vom 12.12.1995, 94/09/0197

VwGH vom 12.12.1995, 94/09/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien

in Wien I, Weihburggasse 30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/06/00288/94, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mP: A in W; wP: BMAS), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes vom wurde die mitbeteiligte Partei vom Magistrat der Stadt Wien als Strafbehörde erster Instanz am zur Rechtfertigung aufgefordert, weil sie es als zur Vertretung nach außen Berufener der "XY OHG" zu verantworten habe, daß diese Gesellschaft in dem von ihr in Wien, M-Straße 140, betriebenen Eissalon am vier namentlich genannte polnische Staatsangehörige als Kellnerinnen und Eisverkäuferinnen ohne entsprechende Bewilligung beschäftigt habe. Dadurch habe die mitbeteiligte Partei § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 1 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (= AuslBG) verletzt.

Nach Stellungnahmen durch die mitbeteiligte Partei, in der diese Schwierigkeiten, entsprechende Mitarbeiter zu bekommen, darlegte und auf die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung der betretenen Ausländer hinwies, entschied die Behörde erster Instanz - soweit dem Bedeutung zukommt - wie folgt:

"Sie haben als zur Vertretung nach außen Berufener der "XY OHG" zu verantworten, daß diese Gesellschaft in dem von ihr in Wien, M-Straße 140, betriebenen Eissalon, am die polnischen Staatsangehörigen Frau EG, Frau KF, Frau HK und Frau ZK als Kellnerinnen und Eisverkäuferinnen beschäftigt hat, obwohl ihr für diese weder entsprechende Beschäftigungsbewilligungen erteilt wurden, noch diese jeweils im Besitze eines Befreiungsscheines oder einer Arbeitserlaubnis waren.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. Nr. 502/1993.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

vier Geldstrafen von je Schilling 20.000,--, zusammen S 80.000,--, falls diese uneinbringlich sind, vier Ersatzfreiheitsstrafen von je 6 Tagen, zusammen 24 Tagen ..."

Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, auf Grund der Anzeige und der Rechtfertigung der mitbeteiligten Partei sei die Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen. Der Stellungnahme der mitbeteiligten Partei könne keine entlastende Wirkung beigemessen werden. Auf die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse der mitbeteiligten Partei habe bei der Strafbemessung nicht Rücksicht genommen werden können, weil diese der Behörde nicht bekanntgegeben worden seien und die mitbeteiligte Partei an ihrer Feststellung nicht mitgewirkt habe. Die Strafhöhe sei jedoch so bemessen worden, daß der notwendige Lebensunterhalt nicht gefährdet erscheine. Bei der Strafbemessung habe die "mangelnde verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit nicht mildernd gewertet werden" können, erschwerend sei kein Umstand gewesen.

Auf Grund der von der mitbeteiligten Partei eingebrachten Berufung, die sich nur gegen die Strafhöhe richtete, und nach Befassung des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes entschied die belangte Behörde wie folgt:

"Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG wird der nur gegen das Strafausmaß eingebrachten Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, daß die Strafnorm richtig "§ 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG" zu lauten hat. Die verhängten Geldstrafen in der Höhe von viermal je S 20.000,-- (zusammen S 80.000,--) werden auf viermal je S 12.000,-- (zusammen S 48.000,--), im Falle der Uneinbringlichkeit von viermal je 6 Tagen auf viermal je 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe (zusammen 16 Tage), herabgesetzt."

Zur Begründung wird nach Darstellung des Verfahrensablaufes und der Rechtslage im wesentlichen ausgeführt, da sich die Berufung nur gegen das Strafausmaß gerichtet habe, sei auf den somit als erwiesen anzunehmenden objektiven Tatbestand der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht näher einzugehen gewesen. Der objektive Unrechtsgehalt der angelasteten Taten könne nicht als gering gewertet werden, weil die illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zu volkswirtschaftlichen Schäden und - zusätzlich - zu einer Wettbewerbsverzerrung führe. Auch das Verschulden könne vorliegendenfalls nicht als gering bezeichnet werden, weil nichts hervorgekommen sei, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen gewesen wäre, daß die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift von der mitbeteiligten Partei besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder die Verwirklichung der dargestellten Straftatbestände aus besonderen Gründen nur hätte schwer vermieden werden können. Die im Spruch bezeichnete Strafnorm stelle bereits eine fahrlässige Rechtsverletzung unter Strafdrohung. Aus der im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt einliegenden Mitteilung des Zentralgewerberegisters vom sei ersichtlich, daß die mitbeteiligte Partei verwaltungsstrafrechtlich zwar nicht unbescholten (zum Tatzeitpunkt sei eine rechtskräftige Strafe nach der Speiseeisverordnung vom vorgelegen), jedoch noch nicht wegen Übertretung des AuslBG vorgemerkt sei. Im Hinblick auf den objektiven Unrechtsgehalt der Tat, das Verschulden der mitbeteiligten Partei, den zuerkannten Milderungsgrund sowie unter Berücksichtigung der bekanntgegebenen äußerst ungünstigen finanziellen Verhältnisse nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erscheine die nunmehr verhängte Strafe als durchaus angemessen und keineswegs zu hoch. Eine weitere Strafherabsetzung sei unter Bedachtnahme auf die vorangeführten Strafzumessungsgründe sowie unter Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen und dem bereits angeführten bis zu S 120.000,-- pro unberechtigt beschäftigtem Ausländer reichenden Strafrahmen nicht in Betracht gekommen. Im Straferkenntnis erster Instanz sei mangels Kenntnis auf die tatsächlich ungünstigen finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht Rücksicht genommen worden. Inzwischen seien diese bekannt: S 15.000,-- monatlich bei Sorgepflichten für zwei mj. Kinder. Die implizite Ansicht des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes sei schon richtig, daß der Unternehmer nicht vom Gewinn, sondern von den Entnahmen lebe, doch drückten die von der mitbeteiligten Partei geschilderten hohen Unkosten auf den Gewinn und erlaubten in weiterer Folge auch nur angepaßte Entnahmen, wenn nicht die wirtschaftliche Substanz des Betriebes angegriffen werden solle. Wirtschaftlich betrachtet seien daher beide Fakten im Gesamtzusammenhang und branchenbedingt, nicht aber isoliert zu sehen. Die Rechtsansicht des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes, daß der Milderungsgrund der korrekten sozialversicherungsrechtlichen Erfassung und auch Bezahlung der Beiträge zwar dem Grunde nach ein Milderungsgrund sei, hier aber wegen des Erschwerungsgrundes der unerlaubt langen Beschäftigungsdauer nach dem AuslBG weit in den Hintergrund trete, sei nicht zu folgen gewesen. Der Erschwerungsgrund der langen Beschäftigungsdauer könne angesichts des allein angelasteten einen Kontrolltages, der reinen Strafberufung und der bereits eingetretenen (Teil-)Rechtskraft in der Schuldfrage einen korrekten Milderungsgrund nicht "eliminieren". Würde man der gegenteiligen Rechtsansicht des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes folgen, dann wären alle "sozialversicherungsmäßig korrekt handelnden Beschäftiger deshalb höher zu bestrafen, weil sie dadurch gleichzeitig den Beweis einer langen Beschäftigungsdauer selbst" lieferten, während alle "alles bestreitenden Beschäftiger" nur den einen Kontrolltag nach dem AuslBG zu verantworten hätten. Eine solche Ungleichbehandlung könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Die belangte Behörde sehe vielmehr auf Grund der erstmaligen Verfehlung nach dem AuslBG und der korrekten sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Erfassung den general- und spezialpräventiven Zweck der Strafe durch die Strafherabsetzung als gesichert an. Abgesehen davon, daß der eindeutige Milderungsgrund bisher nicht berücksichtigt worden sei. Die Abänderung im Spruch habe der richtigen Zitierung der angewendeten Strafnorm gedient.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Teilaufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Aktenwidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet. Die mitbeteiligte Partei hat eine Stellungnahme abgegeben, aber keinen Kostenantrag gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde richtet sich gegen die Herabsetzung der Strafe von je S 20.000,-- auf je S 12.000,-- für die Beschäftigung der drei im erstinstanzlichen Bescheid erstgenannten polnischen Staatsangehörigen; sie ist also nicht gegen die Herabsetzung der Strafe wegen der Beschäftigung von Frau Kopcial gerichtet.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG begeht u.a. eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 120.000,-- zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 Abs. 1 VStG stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Abgesehen von der Frage der Teilrechtskraft ergibt sich im Verwaltungsstrafverfahren eine besondere Grenze durch das Verbot der reformatio in peius.

Die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 10.077/A). Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Demgemäß obliegt es der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

§ 19 Abs. 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für die Strafbemessung sind, egal ob sie durch Organmandat, Strafverfügung oder im ordentlichen Verfahren erfolgt. Darüberhinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer zu berücksichtigender subjektiver Umstände. Dies bedeutet für das ordentliche Verfahren, daß die Behörde auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 VStG ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzulegen hat. Dazu gehört die Beantwortung der gemäß § 19 Abs. 1 VStG rechtserheblichen Frage nach dem Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung jener Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Des weiteren sind neben dem objektiven Kriterium des Unrechtsgehaltes der Tat auch die subjektiven des Schuldgehaltes der Tat zu erörtern (vgl. das bereits vorher genannte Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom ).

Die Milderungs- und Erschwerungsgründe sind im VStG nicht taxativ aufgezählt. Auch die Dauer eines strafbaren Verhaltens kann im Rahmen der Strafbemessung maßgebend sein. Das Unterbleiben der Feststellung vorhandener Milderungsgründe bzw. die unzutreffende Wertung von Umständen als Erschwerungsgründe belastet einen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Bei der Bemessung der Geldstrafe sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Täters wichtige Kriterien. Deshalb bedarf es auch entsprechender Erhebungen dieser Umstände durch die Behörde, wobei in der Regel mit den Angaben des Beschuldigten das Auslangen zu finden sein wird. Bestehen allerdings Bedenken gegen seine Angaben, so ist der Beschuldigte zu einer Konkretisierung derselben zu verhalten. Unterläßt die Behörde die Erhebung dieser wesentlichen Umstände, ist ihre Entscheidung mit Verfahrensmängeln belastet.

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde bei der Strafbemessung mit der Frage des Verschuldens auseinandergesetzt und dieses als nicht geringfügig bezeichnet; weiters hat sie die Feststellung getroffen, daß die mitbeteiligte Partei hinsichtlich des AuslBG unbescholten ist und die finanziellen Verhältnisse im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Betriebes und die Sorgepflichten schlecht sind. Darüberhinaus wurde die korrekte sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Erfassung als Milderungsgrund gewertet, der im Hinblick auf den einen angelasteten Tag der Beschäftigung - bei der besonderen Verfahrenslage (reine Strafberufung) rechtlich zutreffend - durch den Erschwerungsgrund der langen Beschäftigungsdauer nicht ausgeschaltet werden darf.

Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde hinsichtlich der Beweisfrage der langen Beschäftigungsdauer (nämlich: daß die Anmeldenden "deshalb höher zu bestrafen" wären) allgemein nicht teilt, erweist sich im konkreten Fall die Strafbemessung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden eingeschränkten Ermessensprüfung nicht als rechtswidrig.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.