VwGH vom 05.05.2003, 2003/10/0071
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde der ÜM in W, vertreten durch Jarolim, Singer, Specht Rechtsanwälte GmbH in 1020 Wien, Obere Donaustraße 63, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom , Zl. 54.019/10-VII/13a/2003, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist für die Bewilligung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 1999/2000, das Sommersemester 2000, das Wintersemester 2000/2001 und das Sommersemester 2001 mit der Begründung abgewiesen, bei der Antragsfrist für die Bewilligung von Studienbeihilfe handle es sich um eine materiell-rechtliche Frist, auf die die Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Anwendung fänden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 39 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992, i.d.F. BGBl. I Nr. 76/2000, werden Studienbeihilfen auf Antrag zuerkannt.
Anträge sind gemäß § 39 Abs. 2 leg. cit. im Wintersemester in der Zeit vom 20. September bis 15. Dezember, im Sommersemester in der Zeit vom 20. Februar bis 15. Mai zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist eingebrachte Anträge bewirken eine Zuerkennung der Studienbeihilfe ab Beginn des Auszahlungszeitraumes des jeweiligen Semesters, außer wenn der Antragsteller die Zuerkennung ab einem späteren Monat beantragt. Nach Ende der Antragsfrist eingebrachte Anträge bewirken die Zuerkennung der Studienbeihilfe erst ab dem der Antragstellung folgenden Monat. Vor Beginn der Antragsfrist eingebrachte Anträge gelten ab dem ersten Tag der Frist eingebracht. Anträge sind auch dann rechtzeitig eingebracht, wenn sie nachweislich spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gegeben wurden.
Die Beschwerdeführerin, die sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG verletzt erachtet, wendet gegen die Auffassung der belangten Behörde, bei der Frist nach § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz handle es sich um eine, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG nicht zulassende materiell-rechtliche Frist, im Wesentlichen ein, Fristen, die für die Setzung von Verfahrenshandlungen (hier Anträge) vorgeschrieben seien und innerhalb deren die Handlungen also gesetzt werden müssten, stellten verfahrensrechtliche Fristen dar. Eine Frist sei demgegenüber eine materiell-rechtliche, wenn mit ihrem Verstreichen ein bestimmter Anspruch, jedenfalls dem Grunde nach, entstehe oder erlösche. Im vorliegenden Fall zeitige das Verstreichenlassen der Frist keine Wirkung für das Entstehen des Anspruches auf Gewährung von Studienbeihilfe. Dieser Anspruch entstehe mit der Antragstellung. Konsequenterweise sei der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 90/12/0250, zum Ergebnis gelangt, dass es sich bei der Frist nach § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1983, der Vorgängerbestimmung des § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992, um eine verfahrensrechtliche Frist handle. § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1983 habe ebenso wie § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992 die Antragstellung betreffend Studienförderungen zur Inhalt gehabt. Aus dem Wortlaut des § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992 ergebe sich keineswegs ohne jeden Zweifel, dass hier eine materiell-rechtliche Frist normiert sei. Es müsse daher - im Zweifel - jedenfalls von einer verfahrensrechtlichen Frist ausgegangen und die Zulässigkeit einer Wiedereinsetzung der Beschwerdeführerin in den vorigen Stand bejaht werden.
Für die Frage, ob es sich bei der Frist nach § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992 um eine verfahrensrechtliche oder um eine materiell-rechtliche Frist handelt, ist entscheidend, ob durch die fristgerechte Antragstellung (auch) prozessuale Rechtswirkungen ausgelöst werden, was im hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/12/0250, in Ansehung des § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1983, der - wie die Beschwerdeführerin zu Recht betont - Vorläuferbestimmung zu § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992, bejaht wurde. Nach dieser Bestimmung konnten Anträge auf Gewährung von Studienbeihilfen im Wintersemester in der Zeit vom 15. September bis 30. Dezember und im Sommersemester in der Zeit vom 15. Februar bis 31. Mai gestellt werden. Verspätet eingebrachte Anträge waren zurückzuweisen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, "insbesondere nach deren letztem Satz" (der die Zurückweisung verspätet eingebrachter Anträge normierte) handle es sich - so das Erkenntnis vom -
um eine verfahrensrechtliche Frist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/12/0240).
Nun sah § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992, zwar in der Stammfassung BGBl. Nr. 305/1992, im Wesentlichen gleich lautende Regelungen wie § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1983 vor; verspätete Anträge waren zurückzuweisen. Durch die Novelle BGBl. Nr. 201/1996 wurde diese Bestimmung allerdings dahin geändert, dass verspätete Anträge nicht mehr zurückzuweisen waren, sondern einen Anspruch auf Studienbeihilfe erst ab dem der Antragstellung folgenden Monat bewirkten; vor Beginn der Antragsfrist eingebrachte Anträge galten als am ersten Tag der Frist eingebracht. Die Gesetzesmaterialien (RV, 72 BlgNR, 20. GP, 309) sprechen von einem "Wegfall der Beschränkung der Antragstellung auf die Antragsfristen". Anträge könnten auch nach der Antragsfrist gestellt werden, aber nur innerhalb der Antragsfrist gestellte Anträge wirkten auf den Semesterbeginn zurück. Anträge außerhalb der Antragsfrist wirkten erst ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat.
Seit der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 lösen innerhalb wie außerhalb der Frist des § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992 gestellte Anträge unterschiedslos ein Verfahren auf Zuerkennung von Studienbeihilfe aus. Unterschiede bestehen lediglich im dadurch bewirkbaren Anspruch auf Studienbeihilfe: Innerhalb der Frist gestellte Anträge begründen - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - einen Anspruch auf Studienbeihilfe ab dem Beginn des Auszahlungszeitraumes des jeweiligen Semesters - es sei denn, der Antragsteller hat die Zuerkennung ab einem späteren Monat beantragt; außerhalb der Frist gestellte Anträge begründen hingegen einen Anspruch auf Studienbeihilfe ab dem der Antragstellung folgenden Monat. Die fristgerechte Antragstellung löst somit zwar andere materielle, jedoch keine anderen prozessualen Rechtswirkungen aus als die außerhalb der Frist erfolgte Antragstellung. Bei der Frist des § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz handelt es sich daher nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern um eine materiell-rechtliche Frist.
Dieser Standpunkt wurde durch die Studienförderungsgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 98/1997 insoferne bekräftigt, als sie dem § 39 Abs. 2 leg. cit. folgenden Satz anfügte: "Anträge sind auch dann rechtzeitig eingebracht, wenn sie am letzten Tag der Frist nachweislich zur Post gegeben wurden." Bei Annahme einer verfahrensrechtlichen Frist wäre diese Ergänzung überflüssig, weil die Tage des Postenlaufs bei einer verfahrensrechtlichen Frist gemäß § 33 Abs. 3 AVG (der gemäß § 70 Studienförderungsgesetz 1992 im Verfahren über die Zuerkennung der Studienbeihilfe anwendbar ist) ohnedies nicht in die Frist einzuberechnen sind. Wie die Gesetzesmaterialien zeigen, wurde diese Regelung jedoch für notwendig erachtet, um den Studienbeihilfewerbern die Möglichkeit zu geben, ihren Antrag rechtswirksam auch noch am letzten Tag der Frist zur Post zu geben (vgl. RV, 701 BlgNR, 20. GP, 11). "Bei der Antragsfrist im Studienbeihilfenverfahren" handle es sich nämlich "um eine materiell-rechtliche Frist".
Die belangte Behörde ist also mit ihrer Auffassung, die im § 39 Abs. 2 Studienförderungsgesetz 1992 normierte Frist sei eine materiell-rechtliche Frist, die Bestimmungen der §§ 71 f AVG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fänden hier somit keine Anwendung (vgl. dazu die bei Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7 (1999), Rz 612, erwähnte Judikatur), im Recht.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am