VwGH vom 15.09.2004, 2003/09/0182
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2003/09/0160 E
2003/09/0167 E
2003/09/0168 E
2003/09/0169 E
2003/09/0166 E
2003/09/0161 E
2004/09/0021 E
2003/09/0170 E
2004/09/0055 E
2003/09/0171 E
2003/09/0173 E
2003/09/0172 E
2004/09/0053 E
2004/09/0054 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des J L in O, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Johannesgasse 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-BN-03-3029, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (unter Bedachtnahme auf die aus dem erstinstanzlichen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom übernommenen Spruchteile) der Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der L Gesellschaft mbH mit dem Sitz in T zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin entgegen § 3 AuslBG am einen namentlich näher bezeichneten Ausländer (einen ungarischen Staatsangehörigen) ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung beschäftigt habe.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.000,-- verhängt.
Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
"Auf Grund des Ergebnisses des Berufungsverfahrens ist davon auszugehen, daß es zwischen der österreichischen Firma L GesmbH (seit Ende 1999 L GesmbH & Co KG) mit dem Sitz in T und der ungarischen Firma R F Bt. (Anmerkung: im folgenden kurz Firma R) mit dem Sitz in S, welche über keinen Betriebssitz in Österreich verfügt, von Ende 1997 bis September 2001 Geschäftsbeziehungen gegeben hat. Diese Geschäftsbeziehungen wurden aber bereits beginnend mit März 2001 schrittweise abgebaut. Im Zuge dieser Geschäftsbeziehungen wurden von der Firma L GesmbH laufend Frachtaufträge an die Firma R in Form von Subaufträgen weitergegeben. Diese Subaufträge wurden jeweils von der ungarischen Firma Renata mit auf die Firma L GesmbH in Österreich zugelassenen LKW durchgeführt, wobei die LKW von ungarischen Kraftfahrern, die Arbeitnehmer der Firma R waren, gelenkt wurden.
Der von Polizeiorganen am kontrollierte ungarische Kraftfahrer der Firma R hat damals in Erfüllung eines von der Firma L GesmbH der Firma R in Form eines Subauftrages erteilten Frachtauftrages einen Warentransport von Deutschland nach Österreich durchgeführt. Auf Grund des vom Beschuldigten vorgelegten Leihvertrages ist davon auszugehen, dass der von dem Ausländer gelenkte LKW zur Tatzeit von der Firma L GesmbH der Firma R unentgeltlich überlassen wurde. Nachweise dafür, dass der ursprünglich abgeschlossene unentgeltliche Leihvertrag später in einen entgeltlichen Mietvertrag umgewandelt würde, konnten vom Beschuldigten nicht erbracht werden. Für den ungarischen Lenker gab es jedenfalls zur Tatzeit keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen im Sinne des § 3 Abs. 1 oder § 18 Abs. 1 AuslBG. Seitens des Beschuldigten wurde darauf hingewiesen, dass sich die Firma L GesmbH & Co KG mittlerweile im Konkurs befindet.
...
Unstrittig ist der Umstand, dass der ungarische Staatsbürger als Arbeitnehmer der Firma R Arbeitsleistungen im Inland erbracht hat, welche sich aus der Durchführung des Frachtauftrages ergeben, der der Firma R durch die Firma L GesmbH in Form eines Subauftrages erteilt war."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, auf Grund des "im Berufungsverfahren ermittelten Sachverhaltes" habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a (iVm § § Abs. 1) AuslBG deshalb begangen, weil der (im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses näher bezeichnete) Ausländer der Firma L GesmbH im Wege der Arbeitskräfteüberlassung von der (ungarischen) Firma R zur Verfügung gestellt worden sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe im Berufungsverfahren weder ein Ermittlungsverfahren noch eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Bescheidbegründung, die belangte Behörde gehe von dem festgestellten Sachverhalt aufgrund von Ermittlungen im Berufungsverfahren aus, sei unrichtig und werde bestritten. Wie die belangte Behörde zu ihren Sachverhaltsfeststellungen gelangte, sei nicht erklärlich (nachvollziehbar).
Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.
Die §§ 51e (idF BGBl. I Nr. 65/2002), 51g (idF BGBl. Nr. 52/1991) und 51i (idF BGBl. I Nr. 158/1998) lauten (auszugsweise wiedergegeben) wie folgt:
"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)
§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
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2. | sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder | |||||||||
3. | im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder | |||||||||
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. | ||||||||||
... |
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
...
Beweisaufnahme
§ 51g. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat die zur Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise aufzunehmen.
(2) Außer dem Verhandlungsleiter sind die Parteien und ihre Vertreter, insbesondere der Beschuldigte, im Verfahren vor einer Kammer auch die übrigen Mitglieder berechtigt, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen. Der Verhandlungsleiter erteilt ihnen hiezu das Wort. Er kann Fragen, die nicht der Aufklärung des Sachverhaltes dienen, zurückweisen.
...
(4) Sonstige Beweismittel, wie Augenscheinsaufnahmen, Fotos oder Urkunden, müssen dem Beschuldigten vorgehalten werden. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern.
Unmittelbarkeit des Verfahrens
§ 51i. Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, dann ist bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung in Folge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 5 entfallen ist."
Wie dem eindeutigen Wortlaut des § 51e Abs. 1 VStG zu entnehmen ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat - der als Tribunal im Verwaltungsstrafverfahren die Anforderungen des Art. 6 EMRK zu erfüllen hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0094, und die darin angegebene Judikatur insbesondere die Entscheidung des EGMR vom , Nr. 32381/96, Fall Baischer gegen Österreich) - grundsätzlich über jede Berufung eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Eine Verhandlung hat nur in den - im Beschwerdefall jedoch nicht in Betracht zu ziehenden - Fällen des § 51e Abs. 2 VStG zu entfallen, oder der unabhängige Verwaltungssenat kann nur dann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn die Voraussetzungen der Abs. 3, 4 oder 5 des § 51e VStG erfüllt sind.
Von daher war es im Beschwerdefall rechtswidrig, wenn die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers - diese enthält keine Beschränkung auf die Beurteilung der Rechtsfrage - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entschieden hat, sind doch die Voraussetzungen der Abs. 3 bis 5 des § 51e VStG nicht vorgelegen. Der angefochtene Bescheid enthält dazu keine Begründung.
Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich, weil die belangte Behörde den zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob der Ausländer vom ungarischen Arbeitgeber als Erfüllungsgehilfe eines Subfrachtvertrages eingesetzt, oder der Firma L als überlassene Arbeitskraft zur Verfügung gestellt wurde, entscheidungswesentlichen (aber strittigen) Sachverhalt nicht geklärt bzw. darüber keine Beweise unter Beachtung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes aufgenommen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/09/0266, vom , Zl. 99/09/0096, und vom , Zl. 99/09/0164).
Insoweit die belangte Behörde sich auf "Ergebnisse des Berufungsverfahrens" stützt, hat sie dazu keine "Erkenntnisquellen" offengelegt. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten sind Ermittlungsschritte der belangten Behörde im Berufungsverfahren nicht feststellbar. Von daher fehlt im angefochtenen Bescheid auch eine Begründung, welche Erwägungen die belangte Behörde zu ihren Sachverhaltsfeststellungen geführt haben.
Ginge man von dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt aus, so folgte - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - in rechtlicher Hinsicht, dass die L Gesellschaft mbH die Arbeitsleistungen eines "betriebsentsandten" ungarischen Kraftfahrers im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b (iVm § 18 Abs. 1) AuslBG in Anspruch genommen habe, weil dieser Ausländer als Erfüllungsgehilfe (von seinem ungarischen Arbeitgeber) eingesetzt worden sei, um einen (als Subauftrag zustande gekommenen) Werkvertrag gegenüber der L Gesellschaft mbH (der Bestellerin des Subfrachtvertrages) zu erfüllen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/09/0230, zu einer gegen den Beschwerdeführer geführten Verwaltungsstrafsache nach dem AuslBG ). Dem im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt sind Hinweise darauf, der Ausländer sei durch die L Gesellschaft mbH als überlassene Arbeitskraft verwendet (beschäftigt) worden, nicht zu entnehmen, hat die belangte Behörde doch festgestellt, der ungarische Arbeitnehmer habe Güter für seinen ungarischen Arbeitgeber, der diesen Transport als Subfrachtführer übernahm, transportiert (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/09/0048).
Sollte der ungarische Arbeitgeber den Transport als Subfrachtführer übernommen und diesen Transport mit seinem Arbeitnehmer durchgeführt haben, dann fehlte der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, der Ausländer sei der L Gesellschaft mbH im Wege der Arbeitskräfteüberlassung zur Verfügung gestellt worden, die (auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren beruhende) Tatsachengrundlage. Von daher wurde die im angefochtenen Bescheid dargelegte rechtliche Beurteilung, der Beschwerdeführer habe es zu verantworten, dass der Ausländer im Betrieb der L Gesellschaft mbH verwendet (beschäftigt) wurde, und er habe eine Verwaltungsübertretung nach der lit. a des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG begangen, nicht nachvollziehbar begründet (vgl. zur Unterscheidung von Arbeitskräfteüberlassung und Tätigwerden als Unterfrachtführer etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0027).
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der dargelegten Verfahrensverstöße (und Durchführung eines den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprechenden Berufungsverfahrens) zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, belastet sie damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am