VwGH vom 15.12.2004, 2003/09/0149
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2003/09/0150
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der Zeugen Jehovas, staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft in Wien, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen die Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom (gemeinsame) Zahl 10/13117, betreffend Feststellung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom stellte die beschwerdeführende Partei beim Arbeitsmarktservice Wien-Währinger Gürtel den Antrag auf Feststellung, dass die betroffenen Ausländer hinsichtlich der bei ihr zu verrichtenden vollzeitlichen Tätigkeit als Seelsorger im Rahmen des Ordens der Sondervollzeitdiener der Zeugen Jehovas, wofür sie jeweils eine Entschädigung für die entsprechenden Aufwendungen sowie ein Taschengeld, welches durch Spendengelder gedeckt werde, erhalten sollten, vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen seien.
Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden, jeweils vom , wurde der Antrag auf Feststellung im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. d AuslBG hinsichtlich beider Ausländer abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre - gleichlautenden - Bescheide damit, bei den Zeugen Jehovas handle es sich um keine in Österreich anerkannte Kirche oder Religionsgemeinschaft, weshalb der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 lit. d AuslBG nicht vorliege. Es könne auch nicht erkannt werden, dass es sich bei dieser Gesetzesbestimmung um eine planwidrige Gesetzeslücke handle, die durch Einbeziehung auch der Seelsorger von Bekenntnisgemeinschaften zu schließen gewesen wäre. Im Verfahren nach dem AuslBG sei auch irrelevant, ob die Bekenntnisgemeinschaft der Zeugen Jehovas sämtliche Voraussetzungen des Anerkennungsgesetzes 1874 erfüllten, weshalb die Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft auszusprechen gewesen wäre, was formalrechtlich verfassungswidrigerweise nicht erfolgt sei. Bei der Beurteilung und Entscheidung des gegenständlichen Antrages sei ausschließlich auf die derzeit geltende Gesetzeslage Bedacht zu nehmen. Allfällige Verfassungswidrigkeiten seien von der belangten Behörde nicht zu beurteilen gewesen. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz sehe eben eine Gleichbehandlung von Bekenntnisgemeinschaften mit den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften auch im Rahmen der religiösen Belange nicht vor. Zu einem anderen Ergebnis könne auch der in der Berufung enthaltene Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die darin garantierte Religionsfreiheit nicht führen. Zu dem Hinweis auf § 19 Abs. 2 Z. 3 FrG sei festzuhalten, dass diese Normierung unselbständig Erwerbstätige erfasse, die vom sachlichen Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen seien, wobei den Fremdenbehörden hinsichtlich der Feststellung dieses Sachverhaltes kein Ermessensspielraum eingeräumt werde. Die Ausstellung einer fremdenrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung für Seelsorger von Bekenntnisgemeinschaften sei somit nach dieser Gesetzesbestimmung unzulässig. Für eine über die in § 1 Abs. 2 lit. d AuslBG hinausgehende Interpretation dieses Regulativs sowie die Schließung der von der beschwerdeführenden Partei behaupteten planwidrigen Gesetzeslücke, welche zudem nicht zu erblicken sei, besitze die belangte Behörde als Verwaltungsbehörde keine Befugnis. Bei der Entscheidung, ob ein Ausnahmetatbestand des AuslBG auf einen ausländischen Staatsbürger anzuwenden sei oder dieser den Bestimmungen desselben unterliege, komme der belangten Behörde nicht die Kompetenz zu, andere Rechtsgebiete als das AuslBG zu berücksichtigen. Auch komme der belangten Behörde die Funktion eines Tribunals und das Recht zur Auslegung der EMRK bzw. gemeinschaftsrechtlicher Fragen nicht zu.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem nach Abweisung der Beschwerde und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über eine allfällige Verletzung der beschwerdeführenden Partei in einem sonstigen Recht gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Erkenntnis vom , Zlen. B 1768, 1769/02-10, abgetretene Beschwerde, in der nach ihrer Ergänzung die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch die angefochtenen Bescheide in ihrem Recht auf Ausnahme von den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes hinsichtlich der Beschäftigung des V und der T als Seelsorger in ihrer Religionsgemeinschaft, sowie in ihrem Recht auf Religionsfreiheit (Art. 63 des Staatsvertrages von Saint Germain und Art. 9 EMRK) sowie auf Nichtdiskriminierung (Art. 11 EMRK) verletzt.
Die Beschwerde enthält umfangreiche Ausführungen zum Problem der Benachteiligung der Bekenntnisgemeinschaft auf Grund ihrer Religion, setzt sich kritisch mit den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem in dieser Sache ergangenen Erkenntnis vom auseinander und vertritt - zusammengefasst - den Rechtsstandpunkt, bei striktem Festhalten an einer Wortinterpretation des § 1 Abs. 2 lit. d AuslBG liege eine planwidrige Gesetzeslücke vor, welche durch Rückgriff auf ähnliche Regelungen und unter Berücksichtigung des Europäischen Gemeinschaftsrechts zu schließen sei.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 2 lit. d des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 115/2001 sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Ausländer hinsichtlich ihrer seelsorgerischen Tätigkeiten im Rahmen von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften nicht anzuwenden.
Die beschwerdeführende Partei, "Zeugen Jehovas", ist keine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft im Sinne des Gesetzes über die Anerkennung von Religionsgesellschaften (Anerkennungsgesetz), RGBl. 68/1874; sie ist aber eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft im Sinne des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 (BekGG).
Soweit sich die Beschwerdeführerin - unter Hinweis auf ihr Vorbringen vor dem Verfassungsgerichtshof - weiterhin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt erachtet, ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht dazu berufen ist, Bescheide auf die Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte hin zu überprüfen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 2001/10/0091).
Über die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (Art. 7 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art. 2 Staatsgrundgesetz - StGG, Art. 9 in Verbindung mit Art. 14 EMRK) hat der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits oben bezeichneten, in dieser Sache ergangenen Erkenntnis vom wie folgt ausgeführt:
"§ 1 Abs. 2 lit. d AuslBG bestimmt, dass die Beschäftigung von Ausländern als Seelsorger im Rahmen von 'gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften' vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen ist. Diese bereits in der Stammfassung des AuslBG enthaltene und seit Inkrafttreten des AuslBG unverändert gebliebene Ausnahmebestimmung hat offenkundig lediglich solche Religionsgesellschaften im Auge, die nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr. 68/1874 (Anerkennungsgesetz), anerkannt worden sind (oder bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits anerkannt waren).
Die Beschäftigung von Ausländern als Seelsorger im Rahmen einer 'religiösen Bekenntnisgemeinschaft' iS des BekGG unterliegt demgegenüber dem AuslBG und setzt daher das Vorliegen eines entsprechenden Beschäftigungstitels (vgl. § 3 Abs. 1 AuslBG) voraus.
Nach Art. 9 Abs. 1 EMRK hat jedermann (u.a.) das Recht auf Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit des Einzelnen, seine Religion einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und die Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. Der Schutzbereich dieses Rechts schließt auch die Religionsausübung durch eine kirchliche oder religiöse Körperschaft ('ecclesiastical or religious body') ein (vgl. zuletzt EGMR , Z. 27.417/95, Cha'are Shalom Ve Tsedek/Frankreich, Rz 72 = ÖJZ 2001, 775).
Art. 9 Abs. 2 EMRK normiert einen materiellen Gesetzesvorbehalt: Demnach darf die Religionsfreiheit 'nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.'
Die seelsorgerische Betätigung ist zweifellos vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 EMRK umfasst. In diesen Schutzbereich fällt demnach zwar auch das Beschäftigungsverhältnis eines Seelsorgers zu einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft. Die vom Gesetzgeber in öffentlich-rechtlicher, aber auch in privatrechtlicher Hinsicht, insbesondere auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes, geschaffene Ordnung (wozu auch die Ordnung des Arbeitsmarktes hinsichtlich der Beschäftigung von Ausländern zählt) ist jedoch - wie mit Blick auf die in dieser Hinsicht bestehenden Europäischen Rechtstraditionen nicht zweifelhaft sein kann - iS des Art. 9 Abs. 2 EMRK als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig zu beurteilen.
Durch eine solche Ordnung darf daher im Lichte des Art. 9 Abs. 2 EMRK jedenfalls auch die dem Staat zugewendete Seite der Tätigkeit religiöser Vereinigungen solchen Regelungen unterworfen werden. Soweit dem nicht - hier nicht zu erörternde - verfassungsrechtliche Schranken an anderer Art entgegenstehen, kommt dem staatlichen Gesetzgeber in der Frage, ob und in welcher Weise er im Rahmen der von ihm geschaffenen normativen Ordnung religiös motivierte Tätigkeiten von dieser ausnimmt, ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu.
Soll daher eine Person, die eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, als Seelsorger einer Bekenntnisgemeinschaft in einer Weise tätig werden, die an sich einem Bewilligungsregime - hier: nach dem AuslBG - unterliegt (andere, insbesondere auch ehrenamtliche Formen der Ausübung seelsorgerischer Tätigkeit sind ohnedies von keinem solchen Bewilligungsregime betroffen), so gebietet keine Verfassungsbestimmung, ein solches Beschäftigungsverhältnis von diesem Regime auszunehmen.
Angesichts dessen bleibt zu untersuchen, ob dem Gesetzgeber aus gleichheitsrechtlicher Sicht entgegen getreten werden kann, wenn er insoweit zwischen anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und religiösen Bekenntnisgemeinschaften im Sinne des BekGG unterscheidet. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:
Die Unterscheidung zwischen gesetzlich anerkannten und nicht anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ist durch Art. 15 StGG verfassungsgesetzlich vorgegeben (vgl. 11.981/1988, S. 690 mwN). Mit der Anerkennung erlangt die Kirche oder Religionsgesellschaft die im Gesetz näher beschriebene Stellung, die es ihr erlaubt, an der Gestaltung des staatlichen öffentlichen Lebens teilzunehmen. Da dieser Status bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allen Kirchen und Religionsgesellschaften zuerkannt werden kann - und muss (VfSlg. 11.931/1988, Seite 692; vgl. auch - zu § 11 BekGG - VfSlg. 16.102/2001, Seite 188 ff) -, begegnet die Differenzierung zwischen gesetzlich anerkannten und anderen Gemeinschaften im hier gegebenen Zusammenhang als solche keinen verfassungsrechtlichen Bedenken."
Diesen Ausführungen hat die Beschwerdeführerin auch in ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nichts Neues entgegen zu setzen.
Insoweit die beschwerdeführende Partei auf die in der Lehre gegen die von den Höchstgerichten vertretene Rechtsauffassung veröffentlichte Kritik Bezug nimmt (vgl. etwa Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht) ist ihr zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof dazu in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2003/01/0576, bereits Stellung genommen hat und auch aufgrund der vorliegenden Beschwerdeausführungen keine Veranlassung sieht, von dem dort vertretenen Rechtsstandpunkt abzurücken.
Die Beschwerdeausführungen bieten auch keinen Anlass, davon auszugehen, dem Gesetzgeber des am in Kraft getretenen Bekenntnisgemeinschaftsgesetzes (BekGG) sei die bereits in der Stammfassung des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, enthalten gewesene Bestimmung des § 1 Abs. 2 lit. d leg. cit., insbesondere dessen Einschränkung auf Kirchen- und Religionsgesellschaften, unbekannt gewesen, weshalb es zu einer planwidrigen Gesetzeslücke gekommen sei. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des BekGG in voller Kenntnis der bestehenden Rechtslage keinen Anlass sah, diese Bestimmung des AuslBG neu zu fassen.
Damit unterliegen (entgeltliche) Beschäftigungsverhältnisse zwischen der Beschwerdeführerin einerseits und für sie tätigen Ausländern andererseits unabhängig davon, ob es sich dabei um seelsorgerische Tätigkeiten handelt oder nicht, dem AuslBG.
Aus diesem Grunde war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am