VwGH 30.09.1994, 91/08/0069
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der Beitragszuschlag nach § 113 Abs 1 ASVG ist nicht als Verwaltungsstrafe, sondern als eine (neben der Bestrafung nach § 111, § 112 ASVG ermöglichte) wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung der sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten. Demgemäß darf, wenn mit dem festgestellten Meldeverstoß auch eine Beitragsnachentrichtung verbunden ist, der Beitragszuschlag - bei Bedachtnahme auf den Regelungszusammenhang des § 113 ASVG mit § 59 ASVG - weder den durch den Meldeverstoß verursachten Verwaltungsmehraufwand zuzüglich der Verzugszinsen infolge der verspäteten Beitragsentrichtung noch das Doppelte der in § 113 ASVG näher umschriebenen Beiträge übersteigen; er darf in solchen Fällen nach dem klaren Wortlaut des § 113 Abs 1 ASVG aber auch - unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners und der Art des Meldeverstoßes - eine Untergrenze nicht unterschreiten, nämlich die Höhe der Verzugszinsen, die ohne Vorschreibung eines Beitragszuschlages auf Grund des § 59 Abs 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. Der Art des Meldeverstoßes und damit dem Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß kommt - neben anderen Umständen, wie zB den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners - nur bei der Ermessensübung innerhalb der objektiven Grenzen Bedeutung zu. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1990/03/27 89/08/0076 1 |
Norm | ASVG §113 Abs1 idF 1986/111; |
RS 2 | Der durch die Verletzung der Meldepflicht verursachte Mehraufwand der Verwaltung ist grundsätzlich nicht jener Verwaltungsaufwand, der zur Feststellung der Meldepflichtverletzungen aufgewendet wurde, sondern jener Aufwand, der nicht aufgelaufen wäre, wenn keine Meldeverstöße festgestellt worden wären. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/08/0223 E RS 2 |
Norm | ASVG §113 idF 1986/111; |
RS 3 | Auch nach § 113 ASVG idF der 41ten Novelle zum ASVG hat die Behörde die nach der Rechtsprechung zu § 113 legcit zu ermittelnde untere und obere Grenze ihrer Ermessensbefugnis und sodann bei der konkreten Ausmessung des Beitragszuschlages die für die Ermessensausübung innerhalb dieser Grenzen maßgebenden Erwägungen in der Begründung ihres Bescheides anzuführen; taxierte Beitragszuschläge (also ein bestimmter Betrag pro Meldeverstoß) können nicht verhängt werden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1991/04/16 90/08/0103 8 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der T GmbH in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom , Zl. 3/07/-12.545/2-1991, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, Faberstraße 19 - 23, 5024 Salzburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der Beschwerdeführerin auf Grund von Meldepflichtverletzungen und der sich daraus ergebenden Beitragsnachverrechnung einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG in der Höhe von S 108.000,-- vor.
Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, wobei sie im wesentlichen die Richtigkeit der Beitragsnachverrechnung bestritt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der verhängte Beitragszuschlag als rechtens bestätigt. Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom 14. bis im Betrieb der Beschwerdeführerin eine Beitragsprüfung durchgeführt, die den Beitragszeitraum I/88 bis VIII/90 betroffen habe. Dabei sei festgestellt worden, daß für die überwiegende Mehrheit der Dienstnehmer unrichtige Lohnabrechnungen und Sonderzahlungsberechnungen erstellt worden seien. Ebenso seien Mehrleistungen von Kraftfahrern nicht gemeldet und verrechnet worden. Diese Differenzen hätten zu einer Nachbelastung im Ausmaß von S 540.048,62 geführt. Da die Beschwerdeführerin ihren Verpflichtungen gemäß § 33 Abs. 1 ASVG nicht nachgekommen sei und die vom Dienstgeber geforderte nötige Sorgfalt nicht angewendet habe, sei zusätzlich gemäß § 113 Abs. 1 ASVG wegen Säumnis ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 108.000,-- verhängt worden. Dieser Zuschlag habe nicht nur die Funktion eines Zinsenersatzes für die sonst nach § 59 Abs. 1 ASVG vorzuschreibenden Verzugszinsen, sondern sei auch wegen fehlerhafter und unterlassener Abrechnungsmeldungen verhängt worden. Nachdem im gegenständlichen Fall die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse von der vom Gesetz gebotenen Möglichkeit in nur sehr geringem Ausmaß Gebrauch gemacht habe und der Zuschlag sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gerechtfertigt sei, sei der Einspruch abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können Beitragszuschläge den in § 111 ASVG genannten Personen (Stellen) in den in § 113 Abs. 1 Z. 1 bis 3 näher umschriebenen Fällen vorgeschrieben werden, wobei als Höchstgrenze jeweils das Doppelte der Summe der überhaupt nicht, verspätet oder nicht zur Gänze entrichteten Beiträge normiert ist. Die beiden letzten Sätze dieser Gesetzbestimmung lauten:
"Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung aufgrund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären."
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist der Beitragszuschlag im Sinne des § 113 Abs. 1 ASVG eine (neben der Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe) weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäß Funktionieren der Sozialversicherung. Demgemäß darf er objektiv einerseits nicht das Ausmaß des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsmehraufwandes zuzüglich des Zinsenentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung, andererseits aber auch nicht das Zweifache der nachzuzahlenden Beträge überschreiten. Der objektiv auf diese Weise nach oben hin zweifach begrenzte Beitragszuschlag kann bei der vorgesehenen Ermessensübung, bei der auch das Verschulden des Meldepflichtigen zu berücksichtigen ist, eine Reduzierung erfahren (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 86/08/0223, und vom , Zl. 90/08/0142).
Zu der Frage der Ermittlung des pauschalierten Mehraufwandes der Verwaltung einschließlich des Kapitalaufwandes (bzw. Zinsenentganges) infolge der verspäteten Beitragsentrichtung hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , Zl. 87/08/0284, 0286, und vom , Zl. 90/08/0142, ausgesprochen, daß es sich dabei nicht schlechthin um jenen Verwaltungsaufwand handle, der zur Feststellung der Meldepflichtverletzung aufgewendet worden sei, sondern vielmehr um den dadurch verursachten (zusätzlichen) Aufwand, der nicht aufgelaufen wäre, wenn keine Meldeverstöße festgestellt worden wären, d.i. beispielsweise etwa der Verwaltungsaufwand, der dem Versicherungsträger durch die neue Feststellung und Vorschreibung von Beiträgen sowie für die Berechnung der Verzugszinsen erwachsen sei.
Als Untergrenze des Beitragszuschlages darf die Höhe der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG nicht unterschritten werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0360).
Bei der Ermessensübung innerhalb der solcherart gegebenen Unter- bzw. Obergrenzen des Beitragszuschlages kommt der Art des Meldeverstoßes, dem Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners Bedeutung zu (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 87/08/0140 das bereits erwähnte Erkenntnis vom ).
Die Behörde hat die nach der Rechtsprechung zu § 113 ASVG zu ermittelnde untere und obere Grenze ihre Ermessensbefugnis und sodann bei der konkreten Ausmessung des Beitragszuschlages die für die Ermessensausübung innerhalb dieser Grenzen maßgebenden Erwägungen in der Begründung ihres Bescheides anzuführen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 90/08/0103).
Um beurteilen zu können, ob die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Festsetzung des Beitragszuschlages mit S 108.000,-- diesen Grundsätzen entspricht, genügt aber die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides nicht, zumal sich die belangte Behörde primär mit der Bestreitung der Meldepflichtverletzung hätte befassen müssen.
Hindert eine Begründungslücke die Nachprüfung des Bescheides auf die inhaltliche Gesetzmäßigkeit, dann hat die Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderem Bescheid hätte kommen können (vgl. etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 600 ff, wiedergegebene Rechtsprechung).
Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) konnte ein Stempelgebührenersatz nicht zugesprochen werden.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1994:1991080069.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAE-58519