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VwGH vom 06.04.2005, 2003/09/0127

VwGH vom 06.04.2005, 2003/09/0127

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der G GmbH in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Tirol des Arbeitsmarktservice vom , Zl. LGSTi/V/13113/2275313-702/2003, betreffend Versagung der Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag der beschwerdeführenden GmbH, die in I ein Hotel betreibt, auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung für den irakischen Staatsbürger R gemäß § 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 i.d.F. BGBl. I Nr. 126/2002, abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der beantragte Ausländer dem Antrag zufolge als "Beikoch" in Dauerbeschäftigung im Betrieb der Beschwerdeführerin beschäftigt werden solle.

Auf Grund der zur Verfügung stehenden amtlichen Statistik über die Arbeitsmarktdaten (herausgegeben vom Arbeitsmarktservice Österreich) sei davon auszugehen, dass die mit Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, BGBl. II Nr. 432/2002 (Landeshöchstzahlenverordnung 2003) gemäß § 13 AuslBG festgesetzte Höchstzahl für das Bundesland Tirol von 17.400 überschritten sei. Gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG bestehe im Falle der Überschreitung der Landeshöchstzahlen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Arbeitskraft nur, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 bis 3 AuslBG und des § 4 Abs. 6 Z. 1 oder Z. 2 oder Z. 3 oder Z. 4 oder Z. 5 oder Z. 6 AuslBG vorlägen.

Die Voraussetzung des § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG sei nicht erfüllt, weil der Regionalbeirat die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet habe. § 4 Abs. 6 Z. 6 AuslBG nehme auf die Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV) Bezug. Der beantragte Ausländer erfülle auch nicht die in § 1 Z. 11 BHZÜV angeführten Bedingungen. Es handle sich bei ihm zwar um einen Asylwerber, er sei jedoch nicht nach den §§ 8 und 15 des Asylgesetzes 1997 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Wenn die Beschwerdeführerin nun vorbringe, dass sich bei der durchgeführten Verhandlung beim Unabhängigen Asylsenat bereits abgezeichnet habe, dass der Berufung des Beschwerdeführers gegen den abweislichen Bescheid der Asylbehörde erster Instanz Erfolg beschieden sein werde, so müsse dem entgegen gehalten werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über den angefochtenen Bescheid eine Entscheidung des Bundesasylsenates eben noch nicht vorliege.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, dass der beantragte Ausländer im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG eine fortgeschrittene Integration aufweise, so vermöge sich die belangte Behörde dem nicht anzuschließen. Der Beschwerdeführer lebe nämlich erst knapp zwei Jahre als Asylwerber alleine in Österreich, er habe in dieser Zeit Kenntnisse der deutschen Sprache erworben. Acht Monate seines Aufenthaltes habe er in einem Flüchtlingslager verbracht. Erst etwa neun Monate habe er im Sinne der Bestimmungen des AuslBG eine Beschäftigung ausgeübt. Ansprüche auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz habe er auf Grund seiner erst kurzen Beschäftigungszeit jedoch nicht erwerben können. Auch ein mehrmonatiger Aufenthalt in einem Flüchtlingslager könne nicht zu einer fortgeschrittenen Integration in die österreichische Gesellschaft führen und die Tatsache, dass der Ausländer römisch-katholischer Christ sei, vermöge für sich alleine ebenfalls eine fortgeschrittene Integration nicht zu begründen. Die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgebrachte besondere Gewissenhaftigkeit des Ausländers und der Erwerb des Führerscheins B durch ihn sowie die Tatsache, dass er für ihren Betrieb eine große Hilfe darstelle, könne zwar ein betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung des Ausländers darstellen, diese Argumentation sei jedoch für eine fortgeschrittene Integration in die österreichische Gesellschaft keine Stütze.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 i.d.F. BGBl. I Nr. 126/2002, lautet:

"§ 4. ...

...

(6) Nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß

§ 13 dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt

werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen und

1. der Regionalbeirat die Erteilung der

Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder

2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf

seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder

3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß

§ 5 ausgeübt werden soll oder

4. der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5

erfüllt oder

5. die Beschäftigung auf Grund einer

zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder

6. der Ausländer einer Personengruppe angehört, die

auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2).

...

§ 20. ...

...

(3) Über Berufungen gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice entscheidet die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nach Anhörung des Landesdirektoriums. Eine weitere Berufung ist nicht zulässig."

§ 1 der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung, BGBl. Nr. 278/1995 i.d.F. BGBl. II Nr. 249/2003, lautet:

"§ 1. Über die Gesamtzahl der unselbstständig beschäftigten

und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 12a Abs. 1

AuslBG hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und

Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden für

1. Ausländer, deren Beschäftigung im Hinblick auf ihre

fortgeschrittene Integration geboten erscheint;

2. Ausländer, die gemäß einer Verordnung auf Grund des

§ 29 des Fremdengesetzes 1997 zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind;


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3.
Schlüsselkräfte (§ 2 Abs. 5 AuslBG);
4.
Grenzgänger (§ 2 Abs. 7 AuslBG) und Pendler (§ 2 Abs. 8 AuslBG) für eine Beschäftigung in einem Gesundheits- und Wohlfahrtspflegeberuf, für die sie eine monatliche Bruttoentlohnung in der Höhe von mindestens 40 vH der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zuzüglich Sonderzahlungen erhalten;

5. Ausländer, für die die Voraussetzungen zur

Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach einer Verordnung

auf Grund des § 5 AuslBG vorliegen;

6. Ausländer, für die bereits eine Bewilligung zur

grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 des

Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, vorliegt;

7. Ausländer, für deren Beschäftigung die

Voraussetzungen des § 18 AuslBG vorliegen;


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8. Grenzgänger (§ 2 Abs. 7 AuslBG) für eine Beschäftigung bei jenem Arbeitgeber, der sie innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens sechs Monate nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erlaubt beschäftigt hat;
9.
Rotationsarbeitskräfte (§ 7 Abs. 4 Z 2 FrG);

10. im Bundesgebiet niedergelassene Ausländer, für die

wegen eines gegen sie oder ihr minderjähriges Kind gerichteten

körperlichen Angriffs, einer Drohung mit einem solchen oder wegen

eines ihre psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigenden

Verhaltens ihres Ehegatten ein weiteres Zusammenleben mit diesem

nicht zumutbar ist und aus diesen Gründen

a) eine Sicherheitsbehörde Anzeige erstattet hat oder

b) eine einstweilige Verfügung gemäß § 382b der

Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, oder ein gerichtlicher

Beschluss auf gesonderte Wohnungsnahme gemäß § 92 Abs. 3 des

Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811,

erwirkt wurde oder

c) die Ehe geschieden wurde oder

d) ein Arzt, eine Krankenanstalt, eine


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Interventionsstelle, ein Frauenhaus, das Jugendamt bzw. die Jugendwohlfahrtsstelle oder ein Kinderschutzzentrum aufgesucht wurde und diese Einrichtungen das Vorliegen eines solchen Verdachts gemeldet haben oder sonst bestätigen;
11. Asylwerber, die gemäß den §§ 8 und 15 des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind;
12. niedergelassene ausländische Jugendliche."
"Landesdirektorium
Zusammensetzung und Mitgliedschaft

§ 13. (1) Das Landesdirektorium besteht aus dem Landesgeschäftsführer als Vorsitzendem, seinem Stellvertreter und vier weiteren Mitgliedern. Je eines dieser weiteren Mitglieder wird vom Bundesminister für Arbeit und Soziales auf Vorschlag der Kammer der gewerblichen Wirtschaft des jeweiligen Bundeslandes, der Vereinigung Österreichischer Industrieller, der Kammer für Arbeiter und Angestellte des jeweiligen Bundeslandes und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bestellt. Für jedes weitere Mitglied ist ein Stellvertreter zu bestellen, der das Mitglied zu vertreten hat, wenn es an der Ausübung seiner Funktion verhindert ist."

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren hinsichtlich ihrer Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl angestellt habe. Damit zeigt sie jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich sind, dass die Landeshöchstzahl nicht überschritten gewesen wäre und auch die Beschwerdeführerin letztlich gar nicht bestreitet, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Landeshöchstzahl überschritten war. Daher konnte eine Beschäftigungsbewilligung im vorliegenden Fall nur im erschwerten Verfahren gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG erteilt werden.

Hinsichtlich der Beurteilung, ob der beantragte Ausländer gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG eine "fortgeschrittene Integration" in die österreichische Gesellschaft aufweist, meint die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte bei einem ordnungsgemäßen Verfahren festgestellt, dass der beantragte Ausländer ein sehr gebildeter Mensch sei, der in seiner Heimat Biologie studiert habe. Er spreche sehr gut deutsch, sei interessiert, Sprachkenntnisse zu erwerben und er sei auch lernwillig. Der beantragte Ausländer stelle weiter eine wichtige Stütze für die Beschwerdeführerin im Hotelbetrieb dar, gehe seiner Arbeit nach, obwohl er Leistungen im Rahmen der Bundesbetreuung oder der Sozialhilfe beziehen könne. Er habe auf Grund erlittener Verfolgung in seiner Heimat einen gesinnungsmäßigen Bruch mit dem Irak vollzogen, der zu seiner Integration beigetragen habe. Der beantragte Ausländer habe in Österreich viele Freunde gefunden.

§ 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG und das darin enthaltene Kriterium einer "fortgeschrittenen Integration" wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 in das AuslBG eingefügt. Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung können "als besonders integriert ... insbesondere Ausländer gelten, welche die Integrationsvereinbarung (§ 50a FrG) bereits erfüllt haben und schon längere Zeit im Bundesgebiet niedergelassen, aber noch nicht aufenthaltsverfestigt sind oder deren Zulassung zu einer Beschäftigung im Hinblick auf ihre besondere Eingliederung in die österreichische Gesellschaft und ihre familiären Sorgepflichten geboten erscheint" (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1172 BlgNR 21. GP, S 45).

Der beantragte Ausländer hat sich im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits etwa ein Jahr und zehn Monate im Bundesgebiet aufgehalten, davon etwa acht Monate in einem Flüchtlingslager und sodann im Hotel der Beschwerdeführerin, wo er gearbeitet hat. Darüber hinaus gehende konkrete und intensive private oder familiäre Beziehungen im Bundesgebiet wurden nicht geltend gemacht. Bei dieser Sachlage kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, dass die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG als nicht erfüllt ansah, weil sich der Ausländer weder schon längere Zeit im Bundesgebiet aufgehalten hatte noch von einer besonderen Eingliederung in die österreichische Gesellschaft oder familiären Sorgepflichten gesprochen werden kann.

Die Beschwerdeführerin meint, der angefochtene Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil ihm nicht entnommen werden könne, ob der Regionalbeirat des Arbeitsmarktservice zusammengetreten sei und ob das Landesdirektorium über die Berufung der Beschwerdeführerin getagt habe.

Die belangte Behörde tritt dieser Argumentation in der Gegenschrift damit entgegen, dass dem Landesdirektorium gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG nur (mehr) ein Anhörungsrecht zustehe und dass eine allfällige Unterlassung seiner Anhörung "keinen Verfahrensfehler" darstelle, weil dem Landesdirektorium keine nach außen in Erscheinung tretende Behördenfunktion zukomme. Mit dieser Auffassung beruft sich die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0117.

Dazu ist darauf hinzuweisen, dass zwar der Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 3 lit. a AuslBG nur im Fall der einhelligen Befürwortung der Beschäftigung des Ausländers durch den Regionalbeirat erfüllt ist und auch durch eine einhellige Befürwortung durch das Landesdirektorium nicht ersetzt werden kann. Der sozialpartnerschaftlich zusammengesetzte Beirat Landesdirektorium ist allerdings gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG vor Erlassung eines Berufungsbescheides durch die Landesgeschäftsstelle jedenfalls anzuhören.

Die Unterlassung der Anhörung stellt keinen relevanten Verfahrensmangel dar, weil nicht zu ersehen ist, inwiefern die belangte Behörde im vorliegenden konkreten Fall - insbesondere bei Anwendung des § 4 Abs. 6 AuslBG - durch seine Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am