VwGH vom 04.07.1997, 97/03/0048
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-3/2597/8-1997, betreffend Zeugengebühr in einem Verfahren betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, Rechtsanwalt mit Sitz in W, wurde von der belangten Behörde zu einer für in Salzburg anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 durch eine näher bezeichnete Person sowohl als Zeuge als auch als Parteienvertreter dieser Person geladen. Nach dem Protokoll dieser Strafverhandlung, die um 14.00 Uhr des genannten Tages begann und um 14.35 Uhr endete, wurde der Beschwerdeführer als Zeuge vernommen. Mit Schriftsatz vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , machte der Beschwerdeführer als Zeugengebühren Substitutionskosten in der Höhe von S 4.240,-- und Reisekosten in der Höhe von S 1.188,--, zusammen S 5.428,--, geltend. Mit Erledigung vom wurden dem Beschwerdeführer durch den Kostenbeamten der belangten Behörde gemäß § 51a zweiter Satz AVG zuzusprechende Reisekosten in der Höhe von S 828,-- vorläufig bekanntgegeben (und mitgeteilt, daß dieser Betrag auf das Konto des Beschwerdeführers überwiesen werde). Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene "Bescheidbeschwerde" wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 95/03/0302, wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom , bei der belangten Behörde eingelangt am , bekräftigte der Beschwerdeführer seinen Gebührenanspruch als Zeuge in der Höhe von S 5.428,-- und stellte den Antrag, abzüglich der bereits geleisteten S 828,-- ihm einen Betrag von S 3.412,-- an Zeugengebühr zuzusprechen.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Zeugengebühren in der Höhe von S 3.412,-- gemäß § 51a AVG iVm § 3 GebAG 1975 abgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer die zugesprochenen Reisekosten in der Höhe von S 828,-- binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides zurückzuerstatten habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen aus, daß der Beschwerdeführer bei der Berufungsverhandlung am als berufsmäßiger Parteienvertreter aufgetreten sei und somit im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit als Rechtsanwalt die Vertretung der Beschuldigten wahrgenommen habe. Für diese Vertretungshandlung habe ihm auch ein entsprechendes Entgelt zugestanden, es sei daher davon auszugehen, daß allein aufgrund seines Auftretens als Parteienvertreter ohnehin die Notwendigkeit für eine allfällige Stellvertreterbestellung in Wien bestanden habe. Darüber hinaus sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf sein Auftreten als Vertreter der Beschuldigten aus der gleichzeitigen Wahrnehmung seiner Zeugenpflicht einen entsprechenden Entgeltverlust nicht in Kauf zu nehmen gehabt habe, sodaß ein Lohn- oder Gehaltsentgang als Voraussetzung für einen Gebührenanspruch nicht gegeben gewesen sei. Unabhängig von der Zeugenladung hätte sich der Beschwerdeführer, um seiner rechtsanwaltlichen Vertretungstätigkeit (in Salzburg) nachkommen zu können, in Wien vertreten lassen müssen. Die gleiche Ausgangslage treffe auch für den Ersatz der Reisekosten zu. Der Beschwerdeführer sei als Parteienvertreter zur Verhandlung erschienen und vermöge damit auch im Zusammenhang mit Reisekosten keine zusätzlichen Aufwendungen als Zeuge geltend zu machen. Der bereits überwiesene Betrag an Reisekosten sei daher rückzuerstatten.
Dagegen wendet der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, daß vor der belangten Behörde keine "Anwaltspflicht" bestanden habe und daher auch keine Verpflichtung, bei der Verhandlung in Salzburg zu intervenieren. Einzig die Tatsache, daß er als Zeuge geladen war, habe bewirkt, daß er aus Wien habe anreisen müssen, dadurch eine Hauptverhandlung in Wien nicht verrichten habe können und einen Substituten bestellen habe müssen. Darüber hinaus sei aufgrund des Umstandes, daß die Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren seine Kanzleileiterin gewesen sei und ohne Substitution seine Kanzlei einen ganzen Tag geschlossen habe bleiben müssen, die Bestellung eines Vertreters auch in der Kanzlei erforderlich gewesen. Weiters rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde keinerlei Ermittlungsverfahren durchgeführt habe.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des GebAG 1975, in der anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 623/1994, lauten wie folgt:
"Umfang der Gebühr
§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfaßt
1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;
2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.
...
Anspruchsvoraussetzungen
§ 4. (1) Der Anspruch auf die Gebühr steht dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist. Er kommt aber auch dem Zeugen zu, der ohne Ladung gekommen und vernommen worden oder der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist;
...
Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis
§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1. 147 S für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2. anstatt der Entschädigung nach Z 1
a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,
b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,
c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,
d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.
(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.
Geltendmachung der Gebühr
§ 19. (1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen ... nach Abschluß seines Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen ...
(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft ... zu bescheinigen.
(3) Auf seine Ansprüche und die allfällige Notwendigkeit des Beweises oder der Bescheinigung ist der Zeuge durch das Gericht in der Ladung aufmerksam zu machen ...
Bestimmung der Gebühr
§ 20. ...
(2) Vor der Gebührenbestimmung kann der Zeuge aufgefordert werden, sich über Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu äußern und, unter Setzung einer bestimmten Frist, noch fehlende Bestätigungen vorzulegen.
..."
Den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer nicht Verdienst-(bzw. Einkommens-)entgang geltend machte, sondern Substitutionskosten als Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 2 lit. c GebAG 1975. Unter einem "notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter" im Sinne dieser Gesetzesstelle kann nach dem Regelungszusammenhang nur eine Person verstanden werden, die den Zeugen während der Zeit seiner Abwesenheit von seinem Betrieb, seinem Unternehmen, seiner Kanzlei etc. vertritt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0172, mit weiterem Judikaturhinweis). Aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 81/17/0110, und vom , Zl. 85/15/0064) können auch Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Substituten durch einen Rechtsanwalt, um einer Verpflichtung als Zeuge nachkommen zu können, als Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter im Sinne der Bestimmungen des Gebührenanspruchgesetzes 1975 angesehen werden. Indem die belangte Behörde die Auffassung vertrat, der Beschwerdeführer sei ohnehin als Parteienvertreter bei der Verhandlung vom aufgetreten, und es sei schon deshalb dem Grunde nach ein Gebührenanspruch des Beschwerdeführers nicht gerechtfertigt, hat sie die Rechtslage verkannt. Eine Verpflichtung des Beschwerdeführers, persönlich als Parteienvertreter zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zu erscheinen, bestand nicht. Dieses persönliche Erscheinen war ausschließlich dafür erforderlich, um der Verpflichtung, als Zeuge auszusagen, nachkommen zu können. Im Grunde des § 4 Abs. 1 zweiter Satz, erster Fall GebAG 1975 ist für den Gebührenanspruch maßgeblich, daß der Zeuge gekommen und vernommen worden ist. Den Bestimmungen des Gebührenanspruchgesetzes 1975 ist nicht zu entnehmen, daß ein derart entstandener Gebührenanspruch eines Zeugen dadurch gehindert wäre, daß dieser "im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit" neben der Erfüllung seiner Zeugenpflicht auch noch andere Tätigkeiten, allenfalls auch entgeltlich, vornimmt. Mangels der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen des Beschwerdeführers als Parteienvertreter zur anberaumten Verhandlung vor der belangten Behörde ist daher auch deren Auffassung in der Begründung des angefochtenen Bescheides verfehlt, aufgrund seines Auftretens als Parteienvertreter sei "ohnehin" eine Stellvertreterbestellung in Wien notwendig gewesen. Gleiches gilt auch hinsichtlich der geltend gemachten Reisekosten. Insoweit die belangte Behörde darauf abstellte, daß beim Beschwerdeführer kein "Lohn- oder Gehaltsentgang" eingetreten sei, ist ihr - wie bereits eingangs erwähnt - zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer ihr gegenüber nicht Verdienstentgang geltend gemacht hat, sondern Stellvertreterkosten, die gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 lit. c anstelle des Verdienst- bzw. Einkommensentganges gebühren.
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.