VwGH vom 25.02.2004, 2003/09/0115
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom , Zl. 10/13113/222 4619, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für T, eine armenische Staatsangehörige, in ihrem Privathaushalt als Kindermädchen als Dauerbeschäftigung für 30 Wochenstunden bei einer Entlohnung von EUR 5,60/Stunde. Es seien spezielle Kenntnisse oder Ausbildung nicht erforderlich. Auf diesem Antrag ist vermerkt, dass sich T seit Mai 1998 in Österreich befinde, sie eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Asylgesetz seit bis zum rechtskräftigen Abschluss (zu ergänzen: des Asylverfahrens) habe und ihre Eltern und Geschwister in Österreich lebten.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde dieser Antrag der Beschwerdeführerin vom gemäß § 4 Abs. 6 sowie § 13 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgewiesen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus:
"Für das Kalenderjahr 2003 wurde vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gemäß § 13a Ziff 3 AuslBG zur Sicherung der im § 12a definierten Bundeshöchstzahl das für die einzelnen Bundesländer unter Bedachtnahme auf die örtliche Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bestimmte Höchstausmaß beschäftigter und arbeitsloser Ausländer mit Verordnung vom , BGBl. II 432/2002 für das Bundesland Wien zahlenmäßig mit 76.000 festgesetzt (Landeshöchstzahl).
...
Nach der vom Arbeitsmarktservice Österreich für März 2003 veröffentlichten Statistik rechnen 78.362 Ausländer auf diese Höchstzahl, was eine Überschreitung dieser von 3,1 % bedeutet, weshalb auf Grund der Überziehung der Landeshöchstzahl im Zuge des Berufungsverfahrens ein Erfordernis des § 4 Abs. 6 Ziff 2 bis 6 AuslBG für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt sein muss.
Da die beantragte ausländische Arbeitskraft nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 - Beschäftigung als Schlüsselarbeitskraft - erfüllt und es sich weder um eine Beschäftigung auf Grund einer Verordnung gemäß § 5 AuslBG - befristete Zulassung von Ausländern im Rahmen von festgelegten Kontingenten - noch um eine auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarung handelt, muss somit entweder die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene Integration geboten erscheinen oder der Ausländer einer Personengruppe der zuvor zitierten Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung angehören, die auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2).
Durch den Aufenthalt der gewünschten Ausländerin als Asylwerberin wird keine fortgeschrittene Integration begründet und somit auch kein Status einer begünstigt zu betreuenden Person erlangt.
Ebenso liegt kein Tatbestand vor, der die Anwendung der zu § 12a Abs. 2 AuslBG ergangenen Verordnung für die Zulassung zum Arbeitsmarkt als Kindermädchen rechtfertigt.
Im Ermittlungsverfahren wurde somit kein Umstand erhoben, der eine Subsumierung des gewünschten Ausländers unter § 4 Abs. 6 AuslBG zulässt.
Daher steht durch die Überschreitung der Landeshöchstzahl § 4 Abs. 6 AuslBG der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Frau T zwingend entgegen.
Der Umstand, demnach das Arbeitsmarktservice Ihren Arbeitskräftebedarf an einem Kindermädchen nicht abdecken konnte, kann unter Bedachtnahme der Überschreitung der Landeshöchstzahl im gegenständlichen Verfahren zu keinem anderen Beurteilungsmaßstab führen und somit keine Berücksichtigung finden.
Auf Grund der Überziehung der Landeshöchstzahl ist die Normierung des § 4 Abs. 1 AuslBG erst einer Prüfung zuzuführen, wenn die Bedingungen des § 4 Abs. 6 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt sind, was wie zuvor dargelegt, nicht zutrifft."
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom , B 661/03-3, ihre Behandlung ab und trat sie über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom , B 661/03-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe ein falsches Gesetz angewendet. Auf Grund der Übergangsvorschrift des § 34 Abs. 23 AuslBG (BGBl. I Nr. 126/2002) hätte die belangte Behörde die Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 anwenden müssen.
Die Übergangsvorschrift des § 34 Abs. 23 AuslBG lautet:
"Die §§ 1 Abs. 2 lit. a, l und m und Abs. 5, 2 Abs. 5 bis 9, 3 Abs. 1, 2, 4 und 8, 4 Abs. 3 und 5 bis 8, 4b, 5, 7 Abs. 3 und 5, 11 Abs. 1 und 6, 12, 12a Abs. 3, 13, 13a, 13b, 14, 14a Abs. 1 Z 3 und 4, 15, 15a, 17, 18, 19 Abs. 10, 24, 26 Abs. 5, 27a Abs. 3, 28 Abs. 1, 32 Abs. 6 bis 8, 33b, und 35 Z 5 sowie die Abschnittsbezeichnungen IIa, IIb, IIc und IIIa in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 treten mit in Kraft und sind auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem ereignen."
Im Zusammenhang mit der Auslegung der gegenständlichen Übergangsvorschrift ist von Bedeutung, dass es auch eine Sachverhaltsvoraussetzung für ein Verfahren gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG bildet, dass festgelegte Landeshöchstzahlen überschritten sein müssen, ansonsten ein solches Verfahren gar nicht durchzuführen wäre. Dies bedeutet, dass die Überschreitung der Landeshöchstzahl als Sachverhaltselement jeweils zum Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen ist, weil sich dieses Sachverhaltselement erst zum Prüfzeitpunkt ereignen kann. Daher ist im gegenständlichen Fall die Rechtslage der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975 in dieser Fassung lauten:
"§ 4 (6) Nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß § 13 dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen und
1. der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder
2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder
3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 ausgeübt werden soll oder
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4. | der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 erfüllt oder | |||||||||
5. | die Beschäftigung auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder | |||||||||
6. der Ausländer einer Personengruppe angehört, die auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2). | ||||||||||
Die wesentlichen Stellen der gemäß § 12a Abs. 2 AuslBG erlassenen Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung BGBl. Nr. 278/1995, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 256/1997, lauten: |
§ 1. Über die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) gemäß § 12a Abs. 1 AuslBG hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden für
...
9. integrierte Ausländer, die seit mindestens acht Jahren vor der Antragstellung im Bundesgebiet gemäß dem Fremdengesetz 1997 niedergelassen sind;
...
11. Asylwerber, die gemäß den §§ 8 und 15 des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind."
Die Überschreitung der Landeshöchstzahl wird nicht in Zweifel gezogen.
Das Vorliegen einer einhelligen Befürwortung ihres Antrages auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung durch den Regionalbeirat wird von der beschwerdeführenden Partei nicht behauptet. Insofern sie - wie bereits in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - eine "Verfassungswidrigkeit der Entscheidung des Regionalbeirates" behauptet, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht aufgegriffen hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof sieht in der - unveränderten - Argumentation der Beschwerdeführerin keinen Anhaltspunkt, die Sache erneut an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Dies gilt in gleicher Weise für die - ebenfalls unverändert zur Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof auch in gegenständlicher Beschwerde wiederholten - weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken ("Verletzung des Vertrauensschutzes" durch die Novelle BGBl. I Nr. 126/2002; eventuelle Verfassungswidrigkeit des § 1 Z. 11 BHZÜV). Zur behaupteten Verletzung "des Grundrechtes nach Art. 6 EMRK" genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, dass die Versagung der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fällt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/09/0032, mwN).
Insofern die Beschwerdeführerin rügt, dass die Entscheidung des zuständigen Regionalbeirates ihr nicht zur Kenntnis gebracht und inhaltlich nicht begründet worden sei, zeigt sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Denn hiebei handelt es sich um eine Tatbestandsvoraussetzung, die von der belangten Behörde nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0139). Prüfungsgegenstand für den Verwaltungsgerichtshof ist ausschließlich der angefochtene Bescheid der belangten Behörde, in welchem unbestritten davon ausgegangen wurde, dass der Regionalbeirat keine einhellige Befürwortung des Antrages der beschwerdeführenden Partei im Sinne von § 4 Abs. 6 Z. 3 lit. a AuslBG ausgesprochen hat. Die Tatsache der fehlenden Befürwortung wurde der Beschwerdeführerin mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz zur Kenntnis gebracht, womit das Parteiengehör gewährt wurde.
Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, dass die Asylwerberin T gemäß § 1 Z. 11 der BHZÜV, im Sinne der §§ 8 und 15 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zum Aufenthalt berechtigt sei. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, es handle sich um eine unvollständige Norm, weil es gemäß der Definition in § 1 Z. 3 AsylG nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens keinen Asylwerber mehr gebe, weshalb die Wortfolge "§§ 8 und 15 AsylG" als nicht beigesetzt anzusehen sei, scheitert schon an der bereits nach dem Wortlaut in Verbindung mit dem Sinn der Norm einzig möglichen verständigen Würdigung. Das Wort "Asylwerber" ist so wie die in § 15 AsylG getroffene Umschreibung zu verstehen, also als "abgewiesene Asylwerber" zu lesen, weil eine Aufenthaltsberechtigung gemäß "§§ 8 und 15 AsylG" - wie die Beschwerdeführerin richtig ausführt - (unter näher normierten Voraussetzungen) erst erteilt werden kann, wenn der Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde.
Insofern die Beschwerdeführerin inhaltliche Rechtswidrigkeit und relevante Verfahrensfehler wegen "fortgeschrittener Integration" von T rügt, zielt sie auf § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, die Zielvorstellung des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997), die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch die Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbiete es, Asylwerber in Ansehung ihrer privaten und familiären Interessen im Inland besser zu stellen als Fremde, die erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/19/0043). Dieser Gedanke gilt in gleicher Weise für die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG, hier im Besonderen für die Bewertung der "Integration" (im Sinne des AuslBG) von Ausländern, die nach dem FrG 1997 zum dauernden Aufenthalt berechtigt sind, zu einer solchen von Asylwerbern, denen nach dem AsylG nur eine vorübergehende, weil längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens geltende Aufenthaltsberechtigung zukommt. Solange die Stellung des Asylwerbers eine schwebende, das heißt vom Ergebnis des Asylverfahrens abhängende ist, kann eine "fortgeschrittene Integration" im Sinne der gegenständlichen Normen des AuslBG nicht vorliegen, weil der Aufenthalt des Asylwerbers nicht auf einem zu dauerndem Aufenthalt berechtigenden Aufenthaltstitel beruht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Von der Abhaltung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass von der mündlichen Erörterung eine Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG). Dem steht auch nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegen, weil mit verwaltungsrechtlichen Eingriffen in das Recht, Ausländer zu beschäftigen, "civil
rights" nicht verletzt würden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/09/0223).
Wien, am