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VwGH vom 28.02.2002, 99/09/0257

VwGH vom 28.02.2002, 99/09/0257

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der P Innenbau Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 10/13113/191 0344, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Angelegenheit der Ausländerbeschäftigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführende Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am beim Arbeitsmarktservice Bau-Holz Wien den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den kroatischen Staatsangehörigen G für die berufliche Tätigkeit als Baumonteur. Als Beschäftigungsort wurde im Antragsformular "Wien" angegeben. Als spezielle Kenntnisse der beantragten Arbeitskraft seien "Spezialist für (Rigips) Wände und abgehenkte Decken" erforderlich. Die beschwerdeführende Partei wies in ihrem (durch den rechtsfreundlichen Vertreter verfassten) Antrag unter anderem darauf hin, dass sie eine Baustelle in Innsbruck übernommen habe und (beginnend ab ) dringend zusätzliche Arbeitskräfte benötige, um den Auftrag erfüllen zu können.

Diesen Antrag lehnte das Arbeitsmarktservice Bau-Holz Wien mit Bescheid vom gemäß § 4 Abs. 6 Z 3 AuslBG ab.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung führte die beschwerdeführende Partei untere anderem neuerlich aus, sie benötige dringend Arbeitskräfte, um den übernommenen Auftrag in Innsbruck, der eine Auftragsvolumen in Millionenhöhe umfasse, erfüllen zu können.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 AuslBG als unzulässig zurück.

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde aus, "im Zuge es nunmehrigen Ermittlungsverfahrens wurde erhoben", dass der Beschäftigungsort des beantragten Ausländers im Bundesland Tirol (in Innsbruck) liege. Dies dokumentiere sich aus der Auftragsbestätigung betreffend die Landesfeuerwehrschule Tirol, die Berufungsausführungen und den bei der Erstbehörde erteilten Vermittlungsauftrag für eine Baustelle in Innsbruck. Der Antrag hätte gemäß § 19 Abs. 1 AuslBG bei der nach dem Beschäftigungsort zuständigen regionalen Geschäftsstelle Innsbruck eingebracht werden müssen. Den Geschäftsstellen des Wiener Arbeitsmarktservice fehle die "Kompetenz".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf meritorische Behandlung ihrer Berufung verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten ihres Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Die Berufungsbehörde hat zufolge § 66 Abs. 4 AVG - außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall - , sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Nach § 19 Abs. 1 AuslBG ist der Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung unbeschadet der Abs. 2 und 3 und des § 18 vom Arbeitgeber bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einzubringen, in dessen Sprengel der in Aussicht genommene Beschäftigungsort liegt, bei wechselndem Beschäftigungsort bei der nach dem Sitz des Betriebes zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice.

Die Beschäftigungsbewilligung ist zufolge § 6 Abs. 1 AuslBG für einen Arbeitsplatz zu erteilen und gilt für den politischen Bezirk, in dem der Beschäftigungsort liegt. Der Arbeitsplatz ist durch die berufliche Tätigkeit und den Betrieb bestimmt. Der Geltungsbereich kann bei wechselndem Beschäftigungsort unter Bedachtnahme auf die Lage und Entwicklung der in Betracht kommenden Teilarbeitsmärkte auf mehrere Betriebe eines Arbeitgebers und auf den Bereich mehrerer politischer Bezirke, eines Bundeslandes, mehrerer Bundesländer oder das gesamte Bundesgebiet festgelegt werden.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Unterbehörde zur sachlichen Behandlung des von der beschwerdeführenden Partei gestellten Antrages auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung örtlich zuständig war. Sie meint aber, im Berufungsverfahren sei diese Zuständigkeit nicht mehr gegeben, weil der Beschäftigungsort der beantragten ausländischen Arbeitskraft im Bundesland Tirol (in Innsbruck) liege.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die beschwerdeführende Partei in ihrem Antrag als Beschäftigungsort "Wien" angegeben. Der Sitz der beschwerdeführenden Partei ist in Wien. Ob der in Aussicht genommene Beschäftigungsort der beantragten ausländischen Arbeitskraft - wie die belangte Behörde vermutet - ausschließlich oder teilweise im Bundesland Tirol liegt, steht nicht fest. Die beschwerdeführende Partei hat zwar vorgebracht, dass sie dringend zusätzliche Arbeitskräfte benötige weil sie einen - offenbar größeren - Auftrag in Millionenhöhe in Tirol zu erfüllen habe, sie hat aber nicht vorgebracht, dass gerade die beantragte ausländische Arbeitskraft in Tirol verwendet werden soll. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der von der belangten Behörde herangezogenen Auftragsbestätigung.

Zu Ergebnissen "ihres Ermittlungsverfahrens" betreffend den Beschäftigungsort hat die belangte Behörde kein Parteiengehör gewährt. Demnach durfte die beschwerdeführende Partei ohne Verletzung des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) in dieser Hinsicht in ihrer Beschwerde neues Tatsachenvorbringen erstatten. Die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, die beantragte ausländische Arbeitskraft werde hauptsächlich in Wien arbeiten, ist demnach zulässig und zu zu berücksichtigen.

Sollte sich ergeben, dass die beantragte ausländische Arbeitskraft über das in § 6 Abs. 2 AuslBG hinausgehende Ausmaß in mehreren Bundesländern von der beschwerdeführenden Partei beschäftigt werden soll, dann wäre dies - nach entsprechender Antragsmodifikation durch die beschwerdeführende Partei - bei der Festlegung des Geltungsbereiches einer allenfalls zu erteilenden Beschäftigungsbewilligung zu berücksichtigen (vgl. § 6 Abs. 1 AuslBG, wonach der Geltungsbereich unter anderem auch mehrere Bundesländer umfassen kann). Die belangte Behörde hätte daher gemäß § 37 AVG den Geltungsbereich der Beschäftigungsbewilligung mit der beschwerdeführenden Partei abklären müssen.

Indem die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei mit dem angefochtenen Bescheid als "unzulässig" zurückwies, hat sie die Rechtslage jedenfalls insoweit verkannt, als vorliegend entweder eine Sachentscheidung über die Berufung zu treffen gewesen wäre, oder mit der Berufungswerberin der Geltungsbereich der Beschäftigungsbewilligung zu klären gewesen wäre, oder im Falle der tatsächlichen örtlichen Unzuständigkeit (wegen ausschließlicher Beschäftigung in Tirol) gemäß § 6 Abs. 1 AVG das Rechtsmittel an die zuständige Stelle weiterzuleiten gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 94/05/0370, = Slg. 14.475/A).

Ob die beantragte ausländische Arbeitskraft tatsächlich abweichend von den Antragsangaben (allenfalls unerlaubt) beschäftigt werden wird, war von der belangten Behörde nicht zu untersuchen, sondern darüber - sollte tatsächlich eine Übertretung des AuslBG erfolgen - hätte allenfalls die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu befinden (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0047).

Ausgehend von den Antragsangaben der beschwerdeführenden Partei hatte die belangte Behörde jedenfalls darüber zu entscheiden, ob für den Geltungsbereich des Bundeslandes Wien die begehrte Beschäftigungsbewilligung zu erteilen ist oder nicht. Dass einer Entscheidung darüber bzw. über die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den ablehnenden Bescheid der Unterinstanz ein formelles Hindernis entgegenstünde, oder die Erhebung der Berufung unzulässig wäre, ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu erkennen. Die belangte Behörde ist zu ihren Sachverhaltsannahmen betreffend den Beschäftigungsort überdies nicht in einem mängelfreien, dem Parteiengehör unterzogenen Ermittlungsverfahren gelangt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Der zuerkannte Betrag setzt sich aus dem Schriftsatzaufwand (908 EUR) und der Pauschalgebühr in der tatsächlich entrichteten Höhe von S 2.500-- (das sind 181,68 EUR) zusammen.

Wien, am