VwGH vom 23.07.1999, 97/02/0509
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des FK in G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, Albrechtgasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.11-2/96-14, betreffend Übertretung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der S-GmbH mit dem Sitz in G zu verantworten, dass die im Schreiben des Arbeitsinspektorates vom im Original oder Kopie geforderten Unterlagen dem Arbeitsinspektorat nicht bis zum übermittelt worden seien. Im Schreiben des Arbeitsinspektorates vom seien die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung von sämtlichen, namentlich angeführten, Arbeitnehmern betreffend den Zeitraum vom bis sowie der Schichtplan gemäß § 4 Abs. 8 Arbeitszeitgesetz angefordert worden. Durch die Nichtübermittlung der angeforderten Unterlagen habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung gemäß § 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Z. 1 lit. d Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (ArbIG), BGBl. Nr. 27/1993 begangen und wurde über ihn von der Erstbehörde eine Geldstrafe von S 7.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom , B 338/97, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat diese gleichzeitig an den Verwaltungsgerichtshof ab.
In den die Anfechtung vor dem Verwaltungsgerichtshof betreffenden Beschwerdeausführungen macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenenen Bescheides insbesondere davon aus, dass das Arbeitsinspektorat Graz mit Schreiben vom , - dieses langte am beim Adressaten ein - die S-GmbH unter Androhung einer sonstigen Strafanzeige aufgefordert habe, bis zum hinsichtlich namentlich angeführter Arbeitnehmer Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung betreffend den Zeitraum vom bis sowie den Schichtplan gemäß § 4 Abs. 8 Arbeitszeitgesetz zu übermitteln. Über Ersuchen des Beschwerdeführers sei die Frist zur Übermittlung der Arbeitsaufzeichnungen bis erstreckt worden. Die Unterlagen seien aber erst am dem Arbeitsinspektorat übermittelt worden.
§ 8 Abs. 3 ArbIG lautet wie folgt:
Arbeitgeber/innen haben dem Arbeitsinspektorat auf Verlangen die in Abs 1 genannten Unterlagen oder Ablichtungen, Abschriften sowie Auszüge dieser Unterlagen zu übermitteln. Für die Ablichtung und Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
§ 9 ArbIG lautet:
(1) Stellt die Arbeitsinspektion die Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift fest, so ist der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin oder die gemäß § 4 Abs. 7 beauftragte Person nach Möglichkeit im erforderlichen Umfang mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu beraten und hat das Arbeitsinspektorat den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin formlos schriftlich aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen. Eine Ablichtung der Aufforderung ist den Organen der Arbeitnehmerschaft und dem/der gemäß § 23 Abs. 1 gemeldeten verantwortlichen Beauftragten zur Kenntnis zu übersenden. Den Sicherheitsvertrauenspersonen sowie den Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmediziner/innen ist eine Ablichtung der Aufforderung zur Kenntnis zu übersenden, soweit deren Aufgabenbereich berührt ist.
(2) Wird der Aufforderung nach Abs. 1 innerhalb der festgelegten Frist nicht entsprochen, so hat das Arbeitsinspektorat Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten.
(3) Das Arbeitsinspektorat hat auch ohne vorausgehende Aufforderung nach Abs. 1 Strafanzeige wegen Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift zu erstatten, wenn es sich um eine schwerwiegende Übertretung handelt.
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§ 9 Abs. 3 ArbIG in der Fassung vor der Novelle
BGBl. Nr. 871/1995 lautete:
(3) Das Arbeitsinspektorat ist berechtigt, auch ohne vorausgehende Aufforderung nach Abs. 1 Strafanzeige wegen Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift zu erstatten. Wenn das Verschulden der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen nicht geringfügig ist oder die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, hat das Arbeitsinspektorat ohne vorausgehende Aufforderung gemäß Abs. 1 Strafanzeige zu erstatten.
Soweit der Beschwerdeführer sich gegen eine Fristsetzung durch das Arbeitsinspektorat wendet, ist festzuhalten, daß § 8 Abs. 3 leg. cit. wohl keine Frist vorsieht. Daraus ist allerdings nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes der Schluß zu ziehen, daß die Übermittlung "unverzüglich" zu erfolgen hat. Eine Fristsetzung durch das Arbeitsinspektorat hält der Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht für unzulässig. Eine "zu kurz bemessene" Frist kann aber nicht dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber innerhalb derselben dem Auftrag "ohne Verzug" nachkommen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/02/0216).
Dass es im Beschwerdefall dem Beschwerdeführer zumindest innerhalb der erstreckten Frist möglich gewesen wäre, dem Auftrag ohne Verzug nachzukommen, ergibt sich schon daraus , dass er seinem eigenen Vorbringen zufolge selbst am einer Mitarbeiterin des Arbeitsinpektorates telefonisch mitgeteilt habe, dass "die Unterlagen zur Einsichtnahme aufliegen und daß diese auch überbracht werden können". Mit dem ungenützten Ablauf des war somit der objektive Tatbestand jedenfalls erfüllt. Daran ändert auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer anlässlich seines Telefonats vom von einer Mitarbeiterin des Arbeitsinspektorates allenfalls ein Rückruf des eingeschrittenen Arbeitsinspektionsorganes zugesagt worden war, nichts, weil damit eine weitere Erstreckung der Erfüllungsfrist nicht verbunden war.
Aus der Mitteilung vom , dass die Unterlagen zur Einsicht fertig seien, kann der Beschwerdeführer nichts für seinen Standpunkt gewinnen, weil - ausgehend vom zugrundeliegenden Auftragsschreiben des Arbeitsinspektorates - die Bereitstellung der Unterlagen am zur Erfüllung des erteilten Auftrages nicht ausreichend im Sinne des § 8 Abs. 3 ArbIG sein konnte, da ausdrücklich die Übermittlung der Unterlagen gefordert war. Die Verpflichtung zur Übermittlung der Unterlagen ist in der zuletzt zitierten Gesetzesstelle ausdrücklich normiert, wobei ein solches Verlangen jederzeit auch ausserhalb von Besichtigungen gemäß § 4 ArbIG gestellt werden kann.
Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß ihm mit Schreiben vom der Auftrag zur Vorlage von Unterlagen für einen Zeitraum bis aufgetragen worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass entsprechend der Lebenserfahrung ein Schreiben, welches am verfasst wurde, unter Berücksichtigung des Postweges nicht vor dem beim Beschwerdeführer ankommen konnte. Da das Schreiben tatsächlich erst am im gegenständlichen Betrieb einlangte, kann eine Rechtwidrigkeit dieses Auftrages nicht erblickt werden.
Der Beschwerdeführer versucht, aus der mit BGBl. Nr. 871/1995 erfolgten und vor Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft getretenen Änderung des § 9 Abs. 3 ArbIG, derzufolge der Arbeitsinspektor nur dann ohne vorhergehende Aufforderung Strafanzeige erstatten darf, wenn eine schwerwiegende Übertretung vorliegt, die Unzulässigkeit der gegen ihn erstatteten Anzeige und damit die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abzuleiten. Diese Norm regelt das Verhalten der Organe der Arbeitsinspektion für den Bereich ihrer zeitlichen Geltung. Dieser Gesetzesstelle ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß dadurch etwa Anzeigen, die von Arbeitsinspektoren vor dem Inkrafttreten der geänderten Fassung erstattet wurden, deswegen von der Behörde nicht mehr beachtet werden dürften, weil die Anzeigelegung nicht in Übereinstimmung mit der neuen Rechtslage erfolgte. Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit des Einschreitens des Arbeitsinspektionsorganes an Hand der im Zeitpunkt des Einschreitens bestehenden Rechtslage zu beurteilen. Dies entspricht auch dem Grundsatz, daß ein Sachverhalt im Zweifel unter jenes Gesetz fällt, unter dessen Herrschaft er konkretisiert wurde, welcher durch die hg. Judikatur nicht aufgehoben wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2475/79). Da gemäß § 5 ABGB Gesetze grundsätzlich nicht zurückwirken, haben sie auf vorangegangene Handlungen keinen Einfluß. Vor der Erlassung eines neuen Gesetzes gesetzte Handlungen unterliegen weiterhin dem alten "bereits außer Kraft getretenen" Gesetz (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/09/0077, mit weiteren Nachweisen). Im Hinblick auf das von der belangten Behörde zu Recht als nicht geringfügig erachtete Verschulden des Beschwerdeführers erweist sich die unter Geltung des ArbIG in der Fassung vor der angeführten Novelle erfolgte Strafanzeige als rechtmäßig. Der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erstattete Hinweis auf die gebotene Anwendung der für ihn im Strafverfahren günstigeren Rechtslage geht ins Leere, weil gemäß § 1 Abs. 2 VStG sich die Strafe zwar nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Aus dieser Bestimmung ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers aber nichts zu gewinnen, weil es sich bei der (geänderten) Regelung des § 9 Abs. 3 ArbIG nicht um eine Strafnorm handelt (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 5, Wien 1996, S 746f, zitierte Judikatur).
Aber auch die Strafbemessung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen: Gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 lit. d ArbIG begeht (sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet) eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltung mit einer Geldstrafe von 500 S bis 50.000 S, im Wiederholungsfall von 1.000 S bis 50.000 S zu bestrafen, wer entgegen § 8 Abs. 3 Unterlagen, Ablichtungen, Abschriften oder Auszüge nicht übermittelt. Die belangte Behörde ist im Recht, wenn sie ausführt, dass sich durch die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte, im angefochtenen Bescheid vorgenommene Reduktion der Anzahl der Arbeitnehmer, hinsichtlich deren Arbeitsaufzeichnungen dem Arbeitsinspektorat übermittelt werden sollten, weder an der Verletzung des Schutzzweckes noch am Verschulden des Beschwerdeführers etwas ändert.
Die sich somit insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am