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VwGH vom 30.09.1998, 97/02/0450

VwGH vom 30.09.1998, 97/02/0450

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zlen. 1/42-2/1996, 18/242-2/1996, betreffend Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und der Bauarbeiterschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: EF in H in T, vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, Museumstraße 26/III), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom war die mitbeteiligte Partei für schuldig befunden worden, sie habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F. AG, welche persönlich haftender Gesellschafter der F. AG & Co KG sei, und somit als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ zu verantworten, daß, wie anläßlich einer am um 12.45 Uhr durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk durchgeführten Unfallerhebung festgestellt worden sei, auf einer Baustelle an einem näher bezeichneten Ort im Gemeindegebiet N. i. St. bei Abbrucharbeiten an einem Straßenbrückenbauwerk

die Abbrucharbeiten ohne Vorliegen einer schriftlichen, von einer fachkundigen Person erstellten Abbruchanweisung durchgeführt worden seien;

der waagrechte Abstand vom eingesetzten Bagger zur Vorderkante der abzubrechenden Endquerträgerplatte des Tragwerkes unmittelbar vor dem Unfallereignis ca 4,45 m betragen habe, obwohl gemäß § 113 Abs. 1 Z. 2 der Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, unter Berücksichtigung der Tragwerkshöhe (Höhe von der Flußsohle bis Oberkante Tragwerksplatte ca. 4 m) ein waagrechter Sicherheitsabstand (mindestens das 1,5-fache der Geschoßhöhe) von mindestens 6 m erforderlich gewesen wäre;

der Bauleiter Ing. J. A. zum ersten Mal einen derartigen Brückenabbruch geleitet und der Polier J. P. vor seinem Einsatz an der gegenständlichen Baustelle lediglich einmal einen solchen Brückenabbruch beaufsichtigt habe, obwohl gemäß § 5 Abs. 4 Z. 8 Bauarbeiterschutzverordnung mit der selbständigen Ausführung von mit besonderen Gefahren verbundenen Arbeiten nur Arbeitnehmer beschäftigt werden dürften, die mit diesen Arbeiten vertraut, körperlich und fachlich geeignet sowie besonders unterwiesen worden seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu 1) § 130 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit mit § 118 Abs. 3

ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994, sowie in Verbindung mit mit § 110 Abs. 4 und 5 Bauarbeiterschutzverordnung

zu 2) § 130 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit mit § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994, sowie in Verbindung mit mit § 113 Abs. 1 Z. 2 Bauarbeiterschutzverordnung

zu 1) § 130 Abs. 5 Z. 1 in Verbindung mit mit § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994, sowie in Verbindung mit mit § 5 Abs. 4 Z. 8 Bauarbeiterschutzverordnung

begangen, weshalb gegen ihn gemäß § 130 Abs. 5 Einleitungssatz in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu 1. und 2. je eine Geldstrafe von je S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 14 Tage) und zu 3. eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) zu verhängen gewesen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren zu den Punkten 1) und 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die Kammer und zu Punkt 3) durch das Einzelmitglied gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 VStG eingestellt.

In ihrer auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützten Beschwerde macht die beschwerdeführende Bundesministerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die Aufhebung des Straferkenntnisses vom und die Einstellung des Strafverfahrens war, daß nach Ansicht der belangten Behörde die mitbeteiligte Partei nicht als Arbeitgeber des bei den Brückenabbrucharbeiten tödlich verunglückten Baggerführers angesehen werden könne, weil dieser nicht von der Gesellschaft, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer die mitbeteiligte Partei ist, beschäftigt worden sei. Weiters sei gegen die mitbeteiligte Partei innerhalb der Frist der Verfolgungsverjährung eine auch das Element der Arbeitgebereigenschaft beinhaltende Verfolgungshandlung nicht gesetzt worden.

Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, der verunglückte Baggerführer sei als Arbeitnehmer der Firma P. vertraglich der F. Bau AG & Co KG zur Verfügung gestellt worden, um für diese unter deren Kontrolle zu arbeiten. Es handle sich hiebei um eine Überlassung im Sinne des § 9 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, auf deren Dauer der Beschäftiger als Arbeitgeber des überlassenen Arbeitnehmers gelte.

Die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Verwaltungsstraferkenntnis selbst angegeben, der verunglückte Baggerfahrer sei als Arbeitnehmer der Firma P. auf Grund eines zwischen diesem Unternehmen und der F. AG & Co KG bestehenden Vertrages unter der Aufsicht des verantwortlichen Bauleiters Ing. J. A. und des Poliers J. P. weisungsunterstellt auf der Baustelle tätig gewesen. Daraus folgt aber - wie die Beschwerdeführerin zutreffend erkannt hat -, daß eine Überlassung im Sinne des § 9 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz vorlag, weshalb die als Beschäftiger anzusehende F. AG & Co KG gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen für die Dauer der Überlassung als Arbeitgeber galt. Die als handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Gesellschaft tätige mitbeteiligte Partei war sohin gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften und somit auch der Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung sowie des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes durch diese Gesellschaft verantwortlich.

Soweit die belangte Behörde die Aufhebung des erstinstanzlichen Verwaltungsstraferkenntnisses bzw. die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens damit begründet hat, gegen die mitbeteiligte Partei sei innerhalb der Frist der Verfolgungsverjährung keine auf ihre Eigenschaft als Arbeitgeber eingehende Verfolgungshandlung gesetzt worden, weshalb Verfolgungsverjährung vorliege, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Umstand, ob ein Beschuldigter eine Tat als Arbeitgeber, als zur Vertretung nach außen Berufener, als gewerberechtlicher Geschäftsführer, als verantwortlicher Beauftragter oder als Bevollmächtigter zu verantworten hat, nicht als Sachverhaltselement der angelasteten Tat zu werten ist, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal darstellt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/11/0087, und vom , Zl. 90/19/0527). Der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung der mitbeteiligten Partei als zur Vertretung nach außen berufenen Organs der genannten, als Arbeitgeber anzusehenden Gesellschaft wäre sohin - unabhängig davon, daß die im Verwaltungsstrafverfahren gegen die mitbeteiligte Partei gerichteten Verfolgungshandlungen nicht auf die Arbeitgebereigenschaft Bedacht genommen haben - nicht Verfolgungsverjährung gemäß § 31 VStG entgegengestanden.

Die mitbeteiligte Partei hat in ihrer Gegenschrift verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmungen des § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und des § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG erhobenen, weil die Vorlage von an ein Arbeitsinspektorat zugestellten Bescheiden an die beschwerdeführende Bundesministerin an keine Frist gebunden sei, worin ein Verstoß gegen das aus Art. 6 MRK abzuleitende Gebot, in angemessener Frist über erhobene Vorwürfe zu entscheiden, liege. Weiters stünden diese Bestimmungen auch mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht im Einklang, weil auf Seiten der Beschwerdeführerin eine Bindung an eine Frist nicht vorliege. Diese Bedenken teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht, weil es sich beim Beschwerderecht des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales um ein objektives Beschwerderecht handelt. Dies bedeutet, daß der Bundesminister die Beschwerde sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil der beschuldigten Partei erheben kann. Die Beschwerdelegitimation ist daher ein von den Parteien des Verfahrens und den beteiligten Behörden losgelöstes Kontrollinstrument, ob der angefochtene Bescheid in objektiver Weise rechtmäßig ist. Dieses Kontrollinstrument kann von jeder Verfahrenspartei durch Übersendung des Bescheides eines unabhängigen Verwaltungssenates angeregt werden, wobei jedoch keiner der Verfahrensparteien ein Rechtsanspruch darauf zusteht, daß der zuständige Bundesminister auch tatsächlich Beschwerde erhebt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/09/0352, und vom , Zl. 97/09/0322). Damit haben es die Verfahrensparteien auch in der Hand darauf Einfluß zu nehmen, ab welchem Zeitpunkt der Bundesminister die die Beschwerdefrist für ihn auslösende Kenntnis von einer solchen Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates erlangt. Dem Begehren der mitbeteiligten Partei, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, wird daher nicht näher getreten.

Da sohin die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und die Verfügung der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde beruhten, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am