VwGH vom 27.03.1998, 97/02/0426

VwGH vom 27.03.1998, 97/02/0426

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des O in Wien, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien VI, Mariahilfer Straße 75, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-03/P/26/01350/96, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom , dem Beschwerdeführer zugestellt am durch Ersatzzustellung, innerhalb der Frist von zwei Wochen darüber Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher umschriebenen Ort abgestellt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG begangen. Es wurde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 90 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Wie eine Zulassungsanfrage der belangten Behörde bei der Bundespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt ergab, ist der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges in der Zulassungskartei wie folgt vermerkt:

Personendaten

"Firma: Name des Beschwerdeführers

Lottokollektur

Adresse: Bahnhof

Postleitzahl/Ort: W"

Gemäß dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein wurde die Lenkeranfrage vom dem Beschwerdeführer am im Wege der Ersatzzustellung (an einen Arbeitnehmer des Beschwerdeführers) unter folgender Anschrift zugestellt:

"Name des Beschwerdeführers

Bahnhof

W"

Der Beschwerdeführer bringt nun im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe in ihrer Zustellverfügung die Anschriftsdaten nur teilweise (unter Auslassung der wesentlichen Angabe "Lottokollektur") angeführt. Aufgrund dieser rechtswidrigen Zustellverfügung sei nun im Hinblick auf die erfolgte Ersatzzustellung an einen angeblichen Arbeitnehmer des Beschwerdeführers nicht mehr feststellbar, welcher von mehreren Hundert am am Bahnhof tätigen bzw. aufhältigen Personen die für den Beschwerdeführer bestimmte Lenkererhebung ausgefolgt, bzw. von wem auch immer auf dem Rückschein das Feld "Arbeitnehmer des Empfängers" angekreuzt wurde. Dem Beschwerdeführer jedenfalls sei die gegenständliche Lenkererhebung nicht zugekommen. Aus diesen Gründen habe er jedenfalls der Aufforderung der Behörde, Name und Anschrift der Person, welche den Rückschein "in Vertretung" unterschrieben habe, bekanntzugeben, nicht nachkommen können. Die belangte Behörde sei verpflichtet gewesen, diese Person von Amts wegen ausfindig zu machen.

Weiters sei die angeblich am erfolgte Ersatzzustellung rechtswidrig gewesen, da sich der Beschwerdeführer vom auf in einem Hotel in Kärnten aufgehalten habe, am nach Italien gefahren und in weiterer Folge - nach einem kurzen Aufenthalt in seinem Haus in Salzburg - am in die USA gereist sei, von wo er am nach Wien zurückgekehrt sei. Es sei daher im fraglichen Zeitraum unter der angeführten Anschrift keine taugliche Abgabestelle gegeben gewesen. Überhaupt sei er generell nicht regelmäßig an der genannten Anschrift aufhältig, sondern lediglich an manchen Sonntagen abends.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst entgegenzuhalten, daß in Anbetracht des in der Zustellverfügung genannten Namens des Beschwerdeführers und der richtigen Anschrift eine ausreichende Bezeichnung des Beschwerdeführers gegeben ist, auch wenn, wie der Beschwerdeführer vorbringt, die Zahl der an der genannten Adresse tätigen Personen mehrere Hundert betragen sollte. Der Auslassung der Bezeichnung "Lottokollektur" kommt daher im gegenständlichen Fall keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Daß sich etwa eine andere Person mit dem Namen des Beschwerdeführers an der angeführten Anschrift aufgehalten hat, wurde vom Beschwerdeführer weder behauptet noch gibt es Anhaltspunkte für diese Annahme. Wie der Verwaltungsgerichtshof im übrigen in seinem Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0022 ausgesprochen hat, schadet die Fehlbezeichnung des Adressaten (oder seine nicht eindeutige Bezeichnung) nur dann, wenn ein Empfänger, auf den die tatsächliche Bezeichnung paßt, auch wirklicht existiert und daher eine Verwechslungsfähigkeit gegeben ist. Fehlt eine solche Verwechslungsfähigkeit, ist also völlig klar, daß die Zustellverfügung jene Person bezeichnet, an die sich der Bescheid (hier die Lenkeranfrage) richtet, dann liegt ein Zustellmangel nicht vor. Anderes kann auch bei einer Fehlbezeichnung der Anschrift wie im Beschwerdefall nicht gelten.

Was nun die vom Beschwerdeführer behauptete Unzulässigkeit der Ersatzzustellung betrifft, so ist ihm entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom , dem Beschwerdeführer zugestellt am , aufgefordert wurde, Beweise für den behaupteten Auslandsaufenthalt vorzulegen. Eine Antwort des Beschwerdeführers erfolgte jedoch nicht.

Gemäß § 16 Abs. 5 Zustellgesetz gilt eine Ersatzzustellung als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 89/02/0201), daß mit der bloßen Behauptung der Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung durch Hinterlegung (§ 17 Abs. 3 Zustellgesetz) nicht dargetan werden kann. Gleiches hat für die Frage der Unwirksamkeit der Zustellung im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 Abs. 5 Zustellgesetz zu gelten. Ein durch entsprechende Beweisanbote untermauertes konkretes Vorbringen hat der Beschwerdeführer aber nicht erstattet. Es ist nicht Aufgabe der Behörde, beispielsweise Auskünfte über allfällige behauptete Übernachtungen des Beschwerdeführers in diversen Hotels von den Inhabern einzuholen.

Wenn der Beschwerdeführer in der Folge vorbringt, er bezweifle, daß die Lenkererhebung von einem seiner Arbeitnehmer übernommen worden sei, da die Unterschrift auf dem Rückschein, welche "in Vertretung" geleistet worden sei, unleserlich sei und daher auch von einer fremden, an der genannten Adresse aufhältigen Person geleistet worden sein könnte, so ist er darauf hinzuweisen, daß dieser Rückschein eine öffentliche Urkunde ist, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist zwar wiederlegbar, doch wäre die Bestreitung der Richtigkeit der öffentlichen Urkunde durch gegenteilige Behauptungen entsprechend zu begründen, und es wären Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu wiederlegen geeignet erscheinen. Die bloße Vermutung, ein behördliches Schreiben sei möglicherweise einer fremden Person und nicht dem Arbeitnehmer des Empfängers aufgefolgt worden, reicht nicht aus, die Angaben des Zustellers im Rückschein zu entkräften (vgl. hierzu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/09/0462). Es ist daher von einer rechtswirksamen Zustellung der Lenkererhebung an den Beschwerdeführer auszugehen.

Dennoch ist der Beschwerde im Ergebnis Erfolg beschieden.

§ 44a Z. 1 VStG bestimmt, daß der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. In der Tatumschreibung muß zum Ausdruck kommen, ob ein bestimmter Beschuldigter die Tat in eigener Verantwortung oder als der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit strafrechtlich Verantwortliche begangen hat. § 44a Z. 1 VStG verlangt eine Bezeichnung jener Merkmale, aufgrund derer eine Person die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG trifft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 88/08/0054, 0055).

Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid zwar hinsichtlich seines Spruches gerecht (in Bestätigung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer die Unterlassung der Auskunfterteilung als Zulassungsbesitzer erkennbar in eigener Verantwortung vorgeworfen), jedoch ergibt sich davon abweichend aus der Begründung, daß der Beschwerdeführer - dies aufgrund einer Anfrage der belangten Behörde an die Österreichische Lotterien GesmbH., "ob der damalige Berufungswerber der nach außen zur Vertretung Berufene (§ 9 Abs. 1 VStG)" der betreffenden Lottokollektur sei - als der zur Vertretung nach außen Berufene der in Rede stehenden Lottokollektur verantwortlich gemacht wurde.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ziehen jedoch Widersprüche zwischen dem Spruch einer in einer Verwaltungsstrafsache ergangenen Berufungsentscheidung und ihrer Begründung die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides nach sich (vgl. hierzu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 90/04/0157). Es wäre daher an der belangten Behörde gelegen, ausreichend zu ermitteln, welche Rechtsnatur die Lottokollektur tatsächlich aufweist, um dies ihrer Entscheidung eindeutig zugrunde zu legen. Die belangte Behörde ist - zwar nicht im Spruch, aber doch in der diesen tragenden Begründung - offenbar davon ausgegangen, daß die "Lottokollektur" über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt oder eine Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist (vgl. § 9 Abs. 1 VStG). Entsprechende Feststellungen wurden aber nicht getroffen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin als rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, weshalb es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht bedarf.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.