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VwGH vom 25.02.2005, 2003/09/0051

VwGH vom 25.02.2005, 2003/09/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich des Arbeitsmarktservice vom , Zl. LGSOÖ/Abt.1/13117/202/2002, betreffend Bestätigung nach § 1 Abs. 2 lit. l des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte der - 1959 geborene - Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsbürger, bei der regionalen Geschäftsstelle W des Arbeitsmarktsservice "als begünstigter Drittstaatsangehöriger" im Sinne des § 47 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) bzw. § 1 Abs. 2 lit. l des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) die Feststellung, dass er vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen sei.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle W des Arbeitsmarktservice vom abgewiesen.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die Bundespolizeidirektion W habe ihm eine Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreichern" erteilt. Daraus ergebe sich, dass er begünstigter Drittstaatsangehöriger sowohl im Sinne des § 47 FrG 1997 als auch des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG sei. Europarechtskonform sei der Personenkreis gemäß § 47 FrG sehr weitgehend auszulegen, und es seien jedenfalls auch die Verwandten eines Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers erfasst.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, die begehrte Bestätigung könne mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG nicht ausgestellt werden. Die Beziehung des Beschwerdeführers zu einem österreichischen Staatsbürger bestehe beim Beschwerdeführer darin, dass er der Ehegatte der Tochter eines österreichischen Staatsbürgers, also der Schwiegersohn eines österreichischen Staatsbürgers sei. Gemäß § 40 ABGB sei die Verwandtschaft das Verhältnis zwischen den Stammeltern und allen ihren Nachkommen, sowie das Verhältnis der Nachkommen untereinander. Das Verhältnis zwischen dem einen Ehegatten und den Verwandten des anderen heiße jedoch Schwägerschaft, diese sei keine Verwandtschaft.

Wenn die Bundespolizeidirektion W dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Schwägerschaft zu einem österreichischen Staatsbürger eine "Niederlassungsbewilligung Familiengemeinschaft mit Österreicher" erteilt habe, so bedeute dies keinesfalls, dass der Beschwerdeführer schon zum Personenkreis des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG gehöre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, i.d.F. BGBl. I Nr. 115/2001 (AuslBG), lauten:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Beschäftigung von Ausländern (§ 2) im Bundesgebiet.

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

...

l) Ausländer, die Ehegatten österreichischer

Staatsbürger sind, sowie Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) österreichischer Staatsbürger, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger Unterhalt gewährt;

...

§ 3. ...

...

(8) Familienangehörigen gemäß § 1 Abs. 2 lit. l ist auf deren Antrag von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung auszustellen, dass sie vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen sind.

..."

Das Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG 1997), in seiner im Beschwerdefall maßgeblichen Stammfassung, lautet:

"Aufenthaltsberechtigung begünstigter Drittstaatsangehöriger

§ 47. ...

...

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

1. Ehegatten;

2. Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung

des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt

gewährt wird;

3. Verwandte und Verwandte des Ehegatten in

aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird.

...

Angehörige von Österreichern

§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. ..."

§ 1 Abs. 2 lit. l AuslBG wurde mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 475/1992 erlassen, um angesichts des (unmittelbar anwendbaren) Art. 11 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 eine "Gleichstellung der Ehegatten und Kinder österreichischer Staatsbürger mit jenen von EWR-Staatsangehörigen" zu erzielen (vgl. Vorblatt und Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum genannten Bundesgesetz 489 BlgNR 18. GP). Mit der in § 1 Abs. 2 lit. l enthaltenen Formulierung "Kinder ..., die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger Unterhalt gewährt", entspricht die Bestimmung nahezu wörtlich Art. 11 der genannten Verordnung. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG insoferne auch dieselbe Bedeutung beizumessen ist, wie der genannten Vorschrift des Gemeinschaftsrechts (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/09/0048, VwSlg. 14938 A/1998). Eine solche Auslegung ist auch zur Vermeidung einer Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger und deren Familienangehöriger gegenüber nicht österreichischen EWR-Bürgern und deren Familienangehörigen geboten (vgl. auch etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/21/0012, und vom , Zl. 99/19/0125, VwSlg. 15343 A/2000, m.w.N.).

Art. 10 und 11 der Verordnung (EWG) 1612/68 lauten:

1. In deutscher Fassung:

"Artikel 10 (1) Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:

a) sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender

Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt

gewährt wird;

b) seine Verwandten und die Verwandten seines

Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt.

(2) Die Mitgliedstaaten begünstigen den Zugang aller nicht in Absatz 1 genannten Familienangehörigen, denen der betreffende Arbeitnehmer Unterhalt gewährt oder mit denen er im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft lebt.

(3) Voraussetzung für die Anwendung der Absätze 1 und 2 ist, dass der Arbeitnehmer für seine Familie über eine Wohnung verfügt, die in dem Gebiet, in dem er beschäftigt ist, den für die inländischen Arbeitnehmer geltenden normalen Anforderungen entspricht ; diese Bestimmung darf nicht zu Diskriminierungen zwischen den inländischen Arbeitnehmern und den Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten führen.

Artikel 11

Der Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder eine selbstständige Tätigkeit ausübt, sowie die Kinder dieses Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen er Unterhalt gewährt, haben, selbst wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, das Recht, im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats irgendeine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben."

2. In französischer Fassung:

"Article 10

1. Ont le droit de s'installer avec le travailleur

ressortissant d'un Etat membre employe sur le territoire d'un

autre Etat membre, quelle que soit leur nationalite:

a) son conjoint et leurs descendants de moins de vingt

et un ans ou a charge;

b) les ascendants de ce travailleur et de son conjoint

qui sont a sa charge.

2. Les Etats membres favorisent l'admission de tout

membre de la famille qui ne beneficie pas des dispositions du paragraphe 1 s'il se trouve a la charge ou vit, dans le pays de provenance, sous le toit du travailleur vise ci-dessus.

3. Pour l'application des paragraphes 1 et 2, le travailleur doit disposer d'un logement pour sa famille, considere comme normal pour les travailleurs nationaux dans la region ou il est employe, sans que cette disposition puisse entrainer de discriminations entre les travailleurs nationaux et les travailleurs en provenance d'autres Etats membres.

Article 11

Le conjoint et les enfants de moins de vingt et un ans ou a charge d'un ressortissant d'un Etat membre exerCant sur le territoire d'un Etat membre une activite salariee ou non salariee, ont le droit d'acceder a toute activite salariee sur l'ensemble du territoire de ce meme Etat, meme s'ils n'ont pas la nationalite d'un Etat membre."

3. In italienischer Fassung:

"Articolo 10

1. Hanno diritto di stabilirsi con il lavoratore

cittadino di uno Stato membro occupato sul territorio di un altro

Stato membro, qualunque sia la loro cittadinanza:

a) il coniuge ed i loro discendenti minori di anni 21

o a carico;

b) gli ascendenti di tale lavoratore e del suo coniuge

che siano a suo carico.

2. Gli Stati membri favoriscono l'ammissione di ogni

membro della famiglia che non goda delle disposizioni del paragrafo 1 se e a carico o vive, nel paese di provenienza, sotto il tetto del lavoratore di cui al paragrafo 1.

3. Ai fini dell'applicazione dei paragrafi 1 e 2 il lavoratore deve disporre per la propria famiglia di un alloggio che sia considerato normale per i lavoratori nazionali nella regione in cui e occupato, senza che tale disposizione possa provocare discriminazioni tra i lavoratori nazionali ed i lavoratori provenienti da altri Stati membri.

Articolo 11

Il coniuge ed i figli minori di anni 21 o a carico di un cittadino di uno Stato membro che eserciti sul territorio di uno Stato membro un'attivita subordinata o non subordinata, hanno il diritto di accedere a qualsiasi attivita subordinata su tutto il territorio di tale Stato, anche se non possiedono la cittadinanza di uno Stato membro."

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, er sei als Schwiegersohn eines österreichischen Staatsbürgers im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 lit. a der Verordnung EWG) 1612/68, vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen und beruft sich insoferne auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/19/0125, VwSlg. 15.343 A/2000.

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung das Recht von bestimmten Familienangehörigen von Gemeinschaftsbürgern zum Zusammenwohnen mit diesen und damit das Recht auf Aufenthalt regelt und auch das angeführte Erkenntnis dieses Recht betrifft. Für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch auf Bestätigung, vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen zu sein, kommt hingegen das in Art. 11 der angeführten Verordnung normierte Recht bestimmter Familienangehöriger, eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben, in Betracht.

Auf ein Recht auf analoge Anwendung dieses in Art. 11 der Verordnung (EWG) 1612/68 normierten Rechts könnte sich der im Jahr 1959 geborene Beschwerdeführer nur dann berufen, wenn er von seinem Schwiegervater tatsächlich Unterhalt erhält, das Bestehen eines Unterhaltsanspruches wäre nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/09/0048, m.w.N.). Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt. Dies würde einen Verfahrensmangel darstellten, wenn man zum Ergebnis gelangte, dass der Beschwerdeführer als Schwiegersohn eines österreichischen Staatsbürgers gemäß § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen wäre. Daher ist die Frage zu beantworten, ob dies der Fall ist.

Die belangte Behörde hat diese Frage nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts im Ergebnis zu Recht verneint. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich keinen Zweifel daran, dass Ehegatten eines Kindes (Schwiegersohn) nicht als "Kinder" ("enfants", "figli", "children") im Sinne des Art. 11 der Verordnung EWG) 1612/68 angesehen werden können, weil mit diesen Worten Verwandte in absteigender Linie bezeichnet werden und verschwägerte Personen nicht zu diesem Personenkreis gehören (vgl. die §§ 1598 ff des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches, die Art. 312 ff des französischen Code Civil und die Art. 231 ff des italienischen Codice Civile; und vgl. auch die §§ 40 und 42 ABGB).

Ein Vergleich des Art. 10 mit dem Art. 11 der Verordnung EWG) 1612/68 zeigt, dass der Kreis der berechtigten Familienangehörigen in Art. 11 enger umschrieben ist als in Art. 10. Nur Art. 10 berechtigt Verwandte in aufsteigender Linie, wohingegen diese in Art. 11 nicht angeführt sind. Die Einbeziehung der Ehegatten von Kindern (Schwiegersöhne und Schwiegertöchter) in den Kreis der Berechtigten gemäß Art. 11 würde dieser Systematik zuwiderlaufen, weil Art. 10 der Verordnung nur Blutsverwandte (Verwandte in "absteigender" und "aufsteigender" Linie) und Ehegatten sowie deren Blutsverwandte erfasst (vgl. dazu etwa das Baumbast, C-413/99). Dass verschwägerte Personen nicht als Verwandte in aufsteigender oder absteigender Linie angesehen werden können, ist auch dem Mesbah, C-179/98, zu entnehmen, in welchem er ausführte, dass nur der - im Vergleich zum Begriff "Verwandte" - weitere Begriff "Familienangehörige" (im Kooperationsabkommen zwischen der EWG und Marokko) - im Unterschied dazu - die Mutter der Ehegattin (Schwiegermutter) miteinschließt (RandNrn. 43 ff).

Schließlich trifft auch die Beurteilung der belangten Behörde zu, dass die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung Familiengemeinschaft mit Österreicher" für die belangte Behörde keine Bindungswirkung dahingehend entfaltete, dass dem Beschwerdeführer auch die von ihm begehrte Bestätigung nach dem AuslBG auszustellen gewesen wäre. Dies deswegen, weil die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für die hier zu treffende Entscheidung keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellte, die belangte Behörde hatte vielmehr eigenständig zu beurteilen, ob im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG zutrafen.

Aus diesen Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am