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VwGH vom 30.06.1994, 94/09/0035

VwGH vom 30.06.1994, 94/09/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/21/00400/93, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei:

EF in W; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Spruchpunkt B. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses behoben und das Verfahren insoweit gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk vom , wurde der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Arbeitgeberin F-GmbH mit Sitz in W, zu verantworten, daß diese Gesellschaft

A) am und am auf der Baustelle in W, Z-Gasse 21 die beiden ausländischen Staatsbürger

1.) OC, Staatsbürgerschaft

Polen, wohnhaft W, K-Str. 6/4/29 und

2.) SJ, Staatsbürgerschaft

Polen, wohnhaft W, L-Gasse 4/5 mit Montagearbeiten etc.,

B) am auf der Baustelle in W, M-Gasse/O-Gasse/Eingang P-Gasse die drei ausländischen Staatsbürger

1.) GP, Staatsbürgerschaft Polen,

wohnhaft W, G-Gasse 13/24,


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2.)
KM, Staatsbürgerschaft Polen,
3.)
XM, Staatsbürgerschaft
Polen, auf Stiege 3 in der Wohnung Nr. 14 mit dem Auskratzen von Fugen zwischen Wand und Decke und
C) am von 10.45 Uhr bis 13.00 Uhr auf der Baustelle in W, A-Gasse 2 die beiden ausländischen Staatsbürger
1.) WM, Staatsbürgerschaft
Polen, wohnhaft in W, B-Gasse 60/78, und
2.) HT, Staatsbürgerschaft
Polen, wohnhaft Polen, mit dem Aufstellen von Ständern für Ständerwände im 1. Obergeschoß des Gebäudes beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch sieben Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) idF gemäß
BGBl. Nr. 450/1990 begangen. Über den Mitbeteiligte wurden deshalb gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 erster Strafsatz leg. cit ad A) zwei Geldstrafen zu je S 18.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 3 Tage), ad B) drei Geldstrafen zu je S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 3 Tage), und ad C) zwei Geldstrafen zu je S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 2 Tage und 12 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Mitbeteiligten zu ersetzenden Verfahrenskosten mit S 11.100,-- bestimmt.
Über die vom Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung entschied der Unabhängige Verwaltungssenat Wien als Strafbehörde zweiter Instanz mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - wie folgt:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung zu Punkt A) in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

In der Straffrage wird der Berufung aber insoweit Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen von je S 18.000,--, d. s. insg. S 36.000,-- auf je S 10.000,---, d.s. insg. S 20.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall jeweils 1 Tag, d.s. insg. 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt werden.

Dementsprechend verringert sich der erstinstanzliche Strafkostenbeitrag von S 3.600,-- auf S 2.000,--.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung in den Punkten B) und C) des Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Ziffer 2 VStG eingestellt.

Demgemäß hat der Berufungswerber gemäß § 65 VStG zu allen Punkten keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten."

In der Begründung führte die belangte Behörde

- hinsichtlich der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof allein strittigen Aufhebung des Punktes B) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - im wesentlichen aus, aus dem Ermittlungsverfahren, insbesondere aus der Aussage des Zeugen Eichinger und den im Anschluß an die mündliche Verhandlung vom Mitbeteiligten vorgelegten Urkunden (Anbot-Leistungsverzeichnis vom und Auftragsvergabe der Baugesellschaft Menzel Gesellschaft m.b.H. vom ) und dem Auszug aus der Versicherungsdatei des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (aus diesem gehe hervor, daß Herr Y mit Datum vom Dienstgeber EF auf die F-GmbH als Dienstgeber umgemeldet worden sei) ergebe sich eindeutig, daß mit den Arbeiten auf der Baustelle M-Gasse/O-Gasse/Eingang P-Gasse nicht die F-GmbH, sondern die Einzelfirma EF beauftragt gewesen sei. Da aber das gesamte Verwaltungsstrafverfahren nicht gegen die Einzelfirma EF als Arbeitgeberin, sondern gegen die Arbeitgeberin F-GmbH geführt worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid - und zwar allein gegen die Behebung des Punktes B) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde (§ 28a AuslBG), in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Nach Auffassung des Landesarbeitsamtes Wien steht die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens (zu Punkt B) mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Der Mitbeteiligte hat trotz gebotener Gelegenheit keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG - diese Vorschrift findet zufolge des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung - hat die Berufungsbehörde außer dem im Absatz 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid (unter Bedachtnahme auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius) nach jeder Richtung abzuändern.

"Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/04/0073 u. a.). Das bedeutet für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens, daß die Berufungsbehörde trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, doch auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt, sodaß sie ihn nicht für eine Tat schuldig sprechen darf, die ihm im Verfahren vor der ersten Instanz gar nicht zur Last gelegt worden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/01/0019, und die dort zitierte Vorjudikatur). § 66 Abs. 4 AVG ermächtigt die Berufungsbehörde auch nicht, die Person des Bestraften auszuwechseln (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 86/08/0020).

Die belangte Behörde begründet ihre Behebung des Punktes B) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausschließlich damit, daß - wie das Ermittlungsverfahren ergeben hat - mit den Arbeiten auf der Baustelle M-Gasse/O-Gasse/Eingang P-Gasse nicht die F-GmbH, sondern die Einzelfirma EF beauftragt gewesen ist, das gesamte Verwaltungsstrafverfahren jedoch nicht gegen die Einzelfirma EF, sondern gegen die F-GmbH als Arbeitgeberin der drei auf dieser Baustelle beschäftigten ausländischen Staatsbürger geführt worden ist. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil das Verwaltungsstrafverfahren nicht gegen eine "Firma" oder gegen eine juristische Person, sondern immer nur gegen physische Personen - im Beschwerdefall eben GEGEN DEN MITBETEILIGTEN - geführt wird.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich nicht rechtswidrig, wenn die Berufungsbehörde das Verhalten des Beschuldigten einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstellt als die erster Instanz, sofern es sich um EIN UND DASSELBE VERHALTEN des Täters handelt, also Identität der Tat vorliegt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 81/11/0097 = VwSlg. 10893/A, und die dort zitierte Vorjudikatur). Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 87/04/0022), findet allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, daß dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der "Sache" nicht statt. Dasselbe gilt für den Fall, daß dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen (hier: des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH, sondern als Inhaber einer Einzelfirma zugerechnet werden können. Der § 9 VStG legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantworlicher anzusehen ist, er normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe (vgl. wiederum das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , VwSlg. 10893/A).

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß die belangte Behörde, ohne daß es zu einer unzulässigen Auswechslung der Tat gekommen wäre, berechtigt gewesen ist, in Abänderung des erstinstanzlichen Spruches den Mitbeteiligten hinsichtlich der - unter Punkt B zur Last gelegten - Übertretungen nicht als handelsrechtlichen Geschäftsführer der F-GmbH, sondern als Inhaber der Einzelfirma E. Fritz schuldig zu erkennen und zu bestrafen.

Zutreffend weist die beschwerdeführende Partei in ihrer Beschwerde auch darauf hin, daß im Beschwerdefall Verjährung nicht eingetreten ist. Wurde nämlich innerhalb der (vorliegendenfalls gemäß § 28 Abs. 2 AuslBG einjährigen) Verjährungsfrist wegen der "Tat" - d.h. wegen ein und desselben Verhaltens des Täters - eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG gesetzt, so steht der weiteren Verfolgung des Beschuldigten Verjährung nicht entgegen, auch wenn die rechtliche Beurteilung dieser Tat in der Berufungsinstanz eine andere ist als in erster Instanz. Dies gilt, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 82/11/0008, ausgesprochen hat, auch dann, wenn sich bei sonstiger Identität der Tat lediglich die Beurteilung der rechtlichen Eigenschaft ändert, in der den Beschuldigten die strafrechtliche Verantwortung trifft. Eine solche taugliche und rechtzeitige Verfolgungshandlung ist jedoch schon in der Einvernahme des Mitbeteiligten als Beschuldigten (samt Vorhalt der Anzeige) zum Vorwurf der unerlaubten Beschäftigung der drei (im Punkt B des erstinstanzlichen Straferkenntnisses namentlich genannten) polnischen Staatsbürger zu erblicken (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/09/0186).

Da die Aufhebung des Punktes B) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die belangte Behörde somit der Rechtslage nicht entsprach, war der angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.