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VwGH 05.09.1997, 97/02/0235

VwGH 05.09.1997, 97/02/0235

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
RS 1
Die Bekanntgabe der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten hat durch den zur Vertretung nach außen berufenen Organwalter zu erfolgen, der sich von seiner Verantwortlichkeit zu befreien trachtet. Die Verantwortlichkeit eines von mehreren der zur Vertretung nach außen berufenen Organ erlischt nur dann, wenn es SELBST eine (den gesetzlichen Erfordernissen auch im übrigen entsprechende) Bekanntgabe über die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten erstattet. Das Vertrauen des Besch darauf, das nach der internen Aufgabenaufteilung und Verantwortungsaufteilung zuständige Vorstandsmitglied würde die erforderlichen Schritte unternehmen, um den Besch aus der Verantwortlichkeit zu entlassen, beseitigt nicht sein Verschulden an der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, weil eine bloß interne Aufgabenaufteilung und Verantwortungsaufteilung in Ansehung der kumulativ zu tragenden verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit einer Mehrzahl von zur Vertretung nach außen berufener Organe irrelevant ist (Hinweis E , 944, 945, 946/77, VwSlg 9538 A/1978).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1996/10/29 96/11/0227 1
Normen
ArbIG 1993 §9 Abs1 idF 1995/871;
ArbIG 1993 §9 Abs3 idF 1995/871;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
RS 2
Es kann dahingestellt bleiben, ob § 9 Abs 3 ArbIG idF der Nov BGBl 1995/871 dem Arbeitsinspektorat bei Vorliegen lediglich einer "nicht schwerwiegenden" Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift die Erstattung einer Strafanzeige ohne vorausgehende Aufforderung nach § 9 Abs 1 ArbIG 1993 verbietet, da sich der Besch bei allfälliger Mißachtung dieses Verbotes durch das Arbeitsinspektorat - mangels entsprechender Vorschrift - jedenfalls auf kein subjektives Recht auf Nichtbestrafung berufen kann.
Normen
ASchG 1994 §130 Abs1;
BArbSchV 1994 §87 Abs2;
VStG §22 Abs1;
RS 3
Richten sich die rechtswidrigen Angriffe gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer, liegen mehrere Straftaten vor (Hinweis E , 81/11/0087; hier: Übertretung der Verordnung über die gesundheitliche Eignung von Arbeitnehmern für bestimmte Tätigkeiten, BGBl 1974/39).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1997/05/30 97/02/0096 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Ing. E in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/S/04/00093/96, betreffend Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Ausspruch über die verhängte Strafe sowie die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Ersatz von Kosten des (erstinstanzlichen) Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen - sohin in Ansehung des Schuldspruches - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der P. GesmbH mit dem Sitz in Wien zu verantworten, daß diese Gesellschaft am an einer örtlich umschriebenen Baustelle (in Kärnten) in Ansehung von acht (namentlich angeführten) Arbeitnehmern (unter näher angeführten Umständen) gegen § 87 Abs. 2 der Bauarbeiterschutzverordnung verstoßen habe. "Wegen dieser Verwaltungsübertretung" wurden über den Beschwerdeführer acht Geldstrafen zu je S 5.000,-- und acht Ersatzfreiheitsstrafen von je drei Tagen verhängt.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit der Maßgabe keine Folge, daß anstelle der acht Geldstrafen "eine Gesamtstrafe in der Höhe von S 20.000,--" verhängt und die acht Ersatzfreiheitsstrafen "auf eine Gesamt-Ersatzfreiheitsstrafe" von insgesamt 12 Tagen herabgesetzt wurden. Gleichzeitig wurde festgestellt, daß der erstinstanzliche Kostenbeitrag demnach S 2.000,-- betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu Recht ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestellung des Ing. Karl L. zum verantwortlichen Beauftragten die Verantwortung des Beschwerdeführers im Beschwerdefall nicht zu beseitigen vermochte. Die Z. 4 der diesbezüglichen Bestellungsurkunde lautet: "Räumlicher Zuständigkeitsbereich:

Alle Baustellen im Arbeitsbereich der "Filiale Wien" in Wien, N.Ö., nördl. Burgenland." Da sich die gegenständliche Baustelle in Kärnten befunden hat, scheidet ein Verantwortungsbereich des Ing. Karl L. schon aus örtlichen Gründen aus. Im Hinblick auf diesen eindeutigen Inhalt der Bestellungsurkunde vom gehen die diesbezüglichen weitwendigen Ausführungen des Beschwerdeführers ins Leere; auch ist auf die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers, welche insoweit von einer verfehlten Prämisse ausgehen, nicht weiter einzugehen.

Weiters entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 96/11/0227), daß bei einer Mehrzahl von zur Vertretung nach außen berufenen Organen einer juristischen Person diese die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit kumulativ zu tragen haben und eine bloß interne Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung irrelevant ist (sie haben lediglich die Möglichkeit, verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG zu bestellen). Mit dem Vorbringen, er sei auf Grund einer "internen Vereinbarung" für die Filiale in Graz zuständig, verkennt der Beschwerdeführer daher die Rechtslage.

Aber auch mit dem Hinweis auf § 9 Abs. 3 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen:

Die insoweit interessierenden Bestimmungen des § 9 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 871/1995 lauten:

§ 9 Abs. 1 erster Satz:

"Stellt die Arbeitsinspektion die Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift fest, so ist der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin oder die gemäß § 4 Abs. 7 beauftragte Person nach Möglichkeit im erforderlichen Umfang mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu beraten und hat das Arbeitsinspektorat den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin formlos schriftlich aufzufordern, innerhalb einer angemessenen Frist den den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen."

§ 9 Abs. 2:

"Wird der Aufforderung nach Abs. 1 innerhalb der festgelegten Frist nicht entsprochen, so hat das Arbeitsinspektorat Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten."

§ 9 Abs. 3:

"Das Arbeitsinspektorat hat auch ohne vorausgehende Aufforderung nach Abs. 1 Strafanzeige wegen Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift zu erstatten, wenn es sich um eine schwerwiegende Übertretung handelt."

Es kann dahingestellt bleiben, ob § 9 Abs. 3 leg. cit. dem Arbeitsinspektorat bei Vorliegen lediglich einer "nicht schwerwiegenden" Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift die Erstattung einer Strafanzeige ohne vorausgehende Aufforderung nach Abs. 1 verbietet. Denn selbst wenn dies zu bejahen wäre, könnte sich der Beschwerdeführer bei allfälliger Mißachtung dieses Verbotes durch das Arbeitsinspektorat - mangels entsprechender Vorschrift - auf kein subjekives Recht auf Nichtbestrafung berufen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers brauchte sich die belangte Behörde daher nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine "schwerwiegende" Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift vorliegt oder nicht. Auf das sohin von einer verfehlten Prämisse abgeleitete diesbezügliche Beschwerdevorbringen war nicht näher einzugehen.

Der Beschwerde ist dennoch - teilweise - ein Erfolg beschieden:

Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 97/02/0096), daß mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe - wie im Beschwerdefall - gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten.

Bei verständiger Gesamtbetrachtung des Spruchinhaltes (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0042) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist davon auszugehen, daß die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer ungeachtet der Worte "Wegen dieser Verwaltungsübertretung" - wie sich aus der Verhängung von acht Geldstrafen und acht Ersatzfreiheitsstrafen ergibt - nicht wegen "einer", sondern wegen "acht" Verwaltungsübertretungen für schuldig gesprochen hat.

Da die belangte Behörde das erwähnte Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigt, jedoch "eine Gesamtstrafe" sowie "eine Gesamt-Ersatzfreiheitsstrafe" verhängt hat, hat sie die Rechtslage verkannt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., S. 1014, zitierte hg. Vorjudikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher im Ausspruch über die verhängte Strafe sowie die damit im Zusammenhang stehende Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Ersatz der Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Hingegen war die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung abzuweisen.

Zusatzinformationen


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Normen
ArbIG 1993 idF 1995/871 §9 Abs1;
ArbIG 1993 idF 1995/871 §9 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs1;
BArbSchV 1994 §87 Abs2;
VStG §22 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht
Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1997:1997020235.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAE-58194