VwGH vom 16.05.1995, 94/08/0295
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des Sebastian R in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Vd-4152/3, betreffend Feststellung von Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung der Bauern (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Wien III, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war ab Pächter eines im Eigentum seines Vaters stehenden landwirtschaftlichen Betriebes. Nach dem Tod seines Vaters am wurde er - seiner Behauptung nach am - Eigentümer dieses Betriebes, entrichtete aber weiterhin bis zum Inkrafttreten der 11. BSVG-Novelle, BGBl. Nr. 611/1987, am die nach § 12 Abs. 3 lit. e B-PVG und § 23 Abs. 3 lit. e BSVG für einen Pächterbetrieb verminderten Beiträge. In einem zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt anhängigen sozialversicherungsrechtlichen Leistungsstreit über die Höhe der ihm ab gewährten Erwerbsunfähigkeitspension ist (nach Bezahlung der für die Zeit vom bis auf der Basis des vollen Einheitswertes von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt im Jahre 1991 vorgeschriebenen Beiträge noch) strittig, ob auch die Beitragsgrundlagen für die nicht entrichteten Beiträge für die Zeit vom behaupteten Eigentumserwerb am bis , an die die Bemessungsgrundlage der Erwerbsunfähigkeitspension nach § 118 BSVG anknüpft, auf Basis des um ein Drittel verminderten oder des vollen Einheitswertes zu errechnen sind. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom , 5 Rs 16/94, wurde das Verfahren wegen Präjudizialität dieser strittigen Frage gemäß § 74 Abs. 1 ASGG "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die maßgebende Beitragsgrundlage im Verfahren in Verwaltungssachen einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens unterbrochen und die Einleitung des Verfahrens über diese Frage beim zuständigen Versicherungsträger angeregt".
Aufgrund dieser Anregung stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt mit Bescheid vom fest, daß der Beschwerdeführer in der Pensionsversicherung der Bauern für die Zeit vom bis gemäß § 12 B-PVG in "folgende Versicherungsklassen" (für die allerdings bereits die nach Anlage 1 zum BSVG genannten Beitragsgrundlagen angeführt sind) einzureihen sei und für ihn in der Pensionsversicherung der Bauern in der Zeit vom bis gemäß § 23 BSVG näher angeführte monatliche Beitragsgrundlagen der Beitragsbemessung zugrundezulegen seien. Dabei ging die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt im Hinblick darauf, daß ihr der Beschwerdeführer den Eigentumserwerb erst am bekanntgegeben habe und daher die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen für die im Spruch genannten Zeiträume verjährt sei, von dem in den genannten Bestimmungen für Pachtbetriebe vorgesehenen um ein Drittel verkürzten Einheitswert aus.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer insoweit Einspruch, als der Einreihung in Versicherungsklassen bzw. der Feststellung der Beitragsgrundlagen im Zeitraum vom bis nicht der unverminderte Einheitswert zugrunde gelegt wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch als unbegründet ab. Nach der Bescheidbegründung sei die Feststellung der Beitragsgrundlagen, welche die Basis der Berechnung einer Versicherungsleistung sei, zwar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verwaltungssache und die belangte Behörde daher zur Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig, der Einspruch aber aus folgenden Überlegungen unbegründet: Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers sei der Eigentumserwerb des gegenständlichen Betriebes der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt nicht vor dem von einer meldepflichtigen Person im Sinne des § 16 BSVG gemeldet worden. Die bloße Weiterleitung des Abhandlungsprotokolles vom durch seine (nicht im Sinne des § 16 Abs. 3 BSVG bevollmächtigte) Schwester an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt habe keine dem § 16 BSVG entsprechende Meldung dargestellt. Eine nicht rechtzeitige Meldung von Änderungen in den Bewirtschaftungsverhältnissen könne einerseits Nachteile bei der Festsetzung des Pensionsanspruches bewirken und andererseits zur Verhängung von Beitragszuschlägen führen. Solche Nachteile bei der Festsetzung des Pensionsanspruches ergäben sich im gegenständlichen Fall daraus, daß die nicht rechtzeitig gemeldete Änderung der Bewirtschaftungsverhältnisse eine Einreihung in eine niedrigere Versicherungsklasse bzw. in einen niedrigeren Einheitswert bewirkt habe und in der Folge Versicherungsbeiträge zu niedrig bemessen worden seien. Nicht oder nur teilweise geleisteten Beiträgen könne - dem Versicherungsprinzip des BSVG folgend (§ 103 ff BSVG) - keine oder nur eine der Beitragsleistung entsprechende Versicherungsleistung gegenüberstehen. Die Leistungen der Pensionsversicherung nach dem BSVG seien aus der Summe der valorisierten Beitragsgrundlagen zu errechnen. Von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt seien daher zu Recht die um ein Drittel gekürzten Beitragsgrundlagen festgestellt worden, weil nur für diese Beiträge entrichtet worden seien. Zwar könnten Beiträge nach dem BSVG, bei denen eine Feststellungs- bzw. Einforderungsverjährung nach § 39 BSVG eingetreten sei, als Naturalobligation vom Versicherten trotzdem entrichtet werden, jedoch seien diese ohne Anerkennung durch den Bundesminister für "soziale Verwaltung" (richtig: für Arbeit und Soziales) nicht wirksam (§ 106 Abs. 3 BSVG). Eine wirksame Nachentrichtung von solchen Beiträgen, die wegen einer Verletzung der Meldepflicht ursprünglich nicht rechtzeitig und vollständig geleistet worden seien, sei nur insoweit möglich, als die Meldepflicht anderen Personen als dem Versicherten selbst obliege (§ 109 Abs. 2 lit. f BSVG). Dies sei aber, wie bereits festgestellt worden sei, nicht der Fall gewesen. Da demgemäß eine Nachentrichtung von Beiträgen nicht möglich sei, seien von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt für den gegenständlichen Zeitraum (zufolge Unanwendbarkeit des § 23 Abs. 3 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 611/1987 zu Recht) die jeweils um ein Drittel gekürzten Beitragsgrundlagen festgestellt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 74 Abs. 1 ASGG ist dann, wenn unter anderem in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs. 1 Z. 1 ASGG (das ist unter anderem eine Rechtsstreitigkeit über den Umfang eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung) die maßgebende Beitragsgrundlage als Vorfrage strittig ist, das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Unter der "maßgebenden Beitragsgrundlage" als "Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen" und damit als "Vorfrage" im Leistungsstreitverfahren kann - vor dem Hintergrund der Abgrenzung von Leistungs- und Verwaltungssachen nach den gemäß § 182 BSVG auch für dieses Gesetz anwendbaren Bestimmungen der §§ 354 und 355 ASVG - nur die Grundlage für die Bemessung der Beiträge und nicht die leistungsrechtliche Bedeutsamkeit dieser Grundlage verstanden werden; letztere stellt vielmehr schon ein Teilmoment der Hauptfrage des Leistungsstreitverfahrens dar (vgl. in diesem Sinne OGH, SSV-NF 3/143). Das ist entsprechend auf das Verhältnis zwischen Verwaltungs- und Leistungsverfahren vor dem Sozialversicherungsträger anzuwenden.
Unter Bedachtnahme darauf ging es in dem dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren ausschließlich um die "für die Beitragsbemessung" relevante Einreihung des Beschwerdeführers in Versicherungsklassen nach § 12 B-PVG und die Feststellung der Beitragsgrundlagen nach § 23 BSVG im relevanten Zeitraum und nicht um die leistungsrechtliche Bedeutsamkeit dieser Feststellungen. Dies hat auch in dem von der belangten Behörde durch die Einspruchsabweisung übernommenen Spruch der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt seinen zutreffenden Ausdruck gefunden, und zwar auch in seinem ersten Teil durch die Zitierung des § 12 B-PVG.
Diesbezüglich ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig, ob bei diesen Feststellungen - ausgehend von einem Eigentumserwerb des Beschwerdeführers am - der volle Einheitswert des gegenständlichen Betriebes (so nach Auffassung des Beschwerdeführers) oder nur ein um ein Drittel gekürzter Einheitswert (so nach Auffassung der belangten Behörde und der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt) zugrundezulegen ist.
Bei der Entscheidung dieser strittigen Frage ist - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit derartiger Bescheide (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9315/A) - mangels einer diesbezüglichen Übergangsbestimmung in der 11. BSVG-Novelle, BGBl. Nr. 611/1987, von der jeweiligen Rechtslage in den Beitragszeiträumen, auf die sich die Feststellungen über die Einreihung in Versicherungsklassen bzw. Beitragsgrundlagen beziehen, auszugehen und demgemäß für den Zeitraum vom bis § 12 B-PVG in der Fassung vor der 5. Novelle, BGBl. Nr. 709/1976, für das Jahr 1978 - entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt und der belangten Behörde - ebenfalls § 12 B-PVG, jedoch bereits in der Fassung der
5. und 6. Novelle, BGBl. Nr. 658/1977, und für die Zeit ab § 23 BSVG anzuwenden.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt stellen nicht in Abrede, daß auch nach dieser Rechtslage den gegenständlichen, für die Beitragsbemessung relevanten Feststellungen - unabhängig von einer Verletzung der Meldepflichten - der volle Einheitswert zugrundezulegen wäre, wenn die betroffenen Beiträge nicht verjährt wären. Da sie jedoch - was unstrittig ist - verjährt seien und sie daher der Beschwerdeführer mangels einer aufrechten Beitragspflicht nicht mehr entrichten müsse (die belangte Behörde spricht überdies - zufolge des § 106 Abs. 3 BSVG zu Unrecht - von einer Unmöglichkeit der leistungsrechtlich wirksamen Entrichtung), sei vom verkürzten Einheitswert auszugehen.
Dieser Auffassung liegt erkennbar (wie die Ausführungen der belangten Behörde zur Meldepflicht erweisen, die allerdings wegen der Meldeunabhängigkeit der Versicherungs- und Beitragspflicht mit der gegenständlichen Frage nichts zu tun haben, weil auch bei erfolgter Meldung, aber Nichtentrichtung von Beiträgen Verjährung, und zwar noch in einem kürzeren Zeitraum eingetreten wäre) die Annahme zugrunde, daß Feststellungen in dem vom Beschwerdeführer intendierten Sinn ohne weiteres (also insbesondere ohne Nachentrichtung der Beiträge und Anerkennung als leistungswirksam durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales) leistungserhöhende Auswirkungen hätten. Diese Annahme (die im übrigen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge des letztlichen Abstellens auf "Beitragszeiten" auch im Bereich der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen unbegründet ist: vgl. in diesem Sinn SSV-NF 3/143) ist aber "für die Beitragsbemessung" als solche unmaßgeblich. In den für diese maßgebenden Normen findet aber die genannte Auffassung der belangten Behörde und der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt keine Deckung.
In der Gegenschrift bezweifelt letztere allerdings, ob überhaupt ein Feststellungsinteresse in bezug auf Beitragsgrundlagen für bereits verjährte Beiträge bestehe. Auch dies ist - vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren (vgl. dazu die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 10.800/A, und vom , Zl. 86/08/0239, mit einem Kommentar von Steiner in ZAS 1988, Seite 139, der von einer weitestgehenden Feststellungsbefugnis des Sozialversicherungsträgers spricht) - unter Bedachtnahme auf § 106 Abs. 3 BSVG, wonach auch bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen nur dem Gesetz entsprechend bemessene Beiträge als leistungswirksam anerkannt werden können, diese Bemessung aber von der jeweils richtigen Einreihung in Versicherungsklassen bzw. Feststellung von Beitragsgrundlagen abhängig ist, zu bejahen; und zwar unabhängig von der Frage, ob im Beschwerdefall die weiteren Voraussetzungen einer Anerkennung nach § 106 Abs. 3 BSVG (vgl. u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 90/08/0039, mit weiteren Judikaturhinweisen) gegeben sind.
Zum mehrfach angesprochenen gemeinsamen Ausgangspunkt der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, daß nämlich der Beschwerdeführer bereits am Eigentümer des gegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebes geworden sei, ist zu bemerken, daß hiefür nicht das Schlußprotokoll des Abhandlungsverfahrens vom genügte, sondern die Rechtskraft der Einantwortungsurkunde erforderlich war (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 90/08/0063).
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 44 Abs. 1 Z. 1 BSVG) abzuweisen.