VwGH vom 07.09.2005, 2003/08/0229
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Dr. Helmut Paul, Rechtsanwalt in 3500 Krems an der Donau, Wiener Straße 74, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom , Zl. 220.200/1-7/02, betreffend Versicherungspflicht in der Pensions- und Unfallversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Gehgastraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Datum erließ das Finanzamt K. einen Feststellungsbescheid zum , in dem der Wert des Weinbaubetriebes der Beschwerdeführerin gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 BewG mit gerundet S 74.000,-- fortgeschrieben wurde. Das Finanzamt K. ging dabei von einer weinbaumäßig genutzten Fläche von 1,4011 ha und einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von 0,5673 ha aus.
Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt K. das dem eben genannten Bescheid zu Grunde liegende Feststellungsverfahren gemäß § 303 BAO wieder auf und hob den Bescheid vom auf. Nach der Begründung seien Tatsachen bzw. Beweismittel neu hervor gekommen, die im abgeschlossenen Verfahren noch nicht bekannt gewesen seien. Gleichzeitig erließ das Finanzamt K. einen neuen Bescheid zum , in dem der Einheitswert des Weinbaubetriebes der Beschwerdeführerin mit S 64.000,-- gemäß § 21 Abs. 1 Z 1 BewG fortgeschrieben wurde. Dem hat das Finanzamt K. eine weinbaumäßig genutzte Fläche von 1,4011 ha zu Grunde gelegt und festgehalten, dass die Feststellung antragsgemäß erfolgt sei.
Mit Bescheid vom hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin vom bis zum in der Pensions- und in der Unfallversicherung der Bauern pflichtversichert sei. Ihrer Entscheidung hat sie folgenden Sachverhalt zu Grunde gelegt:
"a) Sie sind laut Einheitswertbescheid des Finanzamtes K. ... gemeinsam mit Ihrem Gatten Eigentümer von 1,6375 ha mit einem Einheitswert von S 9.000,--.
b) Weiters sind Sie gemeinsam mit Ihrem Gatten je zu ¼ Anteil und mit Herrn J. ½ Anteil Eigentümer des Grundstückes ... Weingarten im Ausmaß von 0,1171 ha. Bezüglich dieser Fläche wurde vom Finanzamt K. am ein Feststellungsbescheid zum ... über S 4.000,-- erlassen.
Bis zur sozialrechtlichen Wirksamkeit des angeführten
Einheitswertbescheides erfolgte eine hilfsweise Berechnung des
Einheitswertes. Als Vergleichswert wurden die Werte des
Einheitswertbescheides ... (siehe einschlägigen Bestimmungen des
§ 23 BSVG) herangezogen. Die angeführte Fläche wird laut
vorliegenden Unterlagen auf gemeinsame Rechnung und Gefahr der
Miteigentümer bewirtschaftet.
c) Außerdem sind Sie laut Einheitswertbescheid ... des
Finanzamtes K. ausgestellt am für
sozialversicherungsrechtliche Zwecke wirksam ab zum
Eigentümer von 1,9684 ha mit einem Einheitswert von
S 74.000,--. Von der Finanzbehörde erfolge zum eine
Wiederaufnahme des Verfahrens über eine Fläche von 1,4011 ha mit
einem Einheitswert von S 64.000,--. Dieser Bescheid wurde am
erstellt und ist sozialversicherungsrechtlich ab
wirksam."
Nach der weiteren Begründung dieses Bescheides sei die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt an einen rechtskräftigen Bescheid des Finanzamtes gebunden, auch wenn dieser nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimme. Nachdem die Beschwerdeführerin gegen den unrichtigen Bescheid des Finanzamtes K. vom keine Berufung erhoben habe, sei dieser in Rechtskraft erwachsen und daher von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bei der Berechnung des Einheitswertes heranzuziehen gewesen. Vom angeführten Grundbesitz seien weinbaumäßig genutzte Flächen im Ausmaß von 1,3951 ha verpachtet, sodass in der Zeit vom bis zum Flächen mit einem Einheitswert von S 10.147 zur Bewirtschaftung verblieben seien. Der Wert der bewirtschafteten Flächen zur Feststellung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung betrage während des genannten Zeitraumes insgesamt S 21.147,--. Die unter c) angeführte Fläche sei auf alleinige Rechnung und Gefahr der Beschwerdeführerin bewirtschaftet worden. Der Einheitswert dieser Fläche habe im angeführten Zeitraum S 10.147,-- betragen und sei zur Feststellung der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung als Berechnungsgrundlage herangezogen worden.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der im Bescheid genannte Bescheid des Finanzamtes K. (gemeint offenbar die Feststellung eines Einheitswertes von S 74.000,-- betreffend) mit Bescheid desselben Finanzamtes vom (richtig: vom ) rückwirkend zur Gänze korrigiert und damit als nichtig aufgehoben worden sei. Mit diesem Bescheid sei der ursprünglich fälschlicher Weise mit S 74.000,-- ausgewiesene Einheitswert auf S 64.000,-- korrigiert worden. Der Bescheid vom sei im Nachhinein von Amts wegen außer Kraft gesetzt worden, weshalb er den "Berechnungen" nicht zu Grunde gelegt werden könne.
Mit Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Niederösterreich diesem Einspruch keine Folge gegeben. Begründend verwies er auf den im Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt festgestellten Sachverhalt und führte in rechtlicher Hinsicht aus, es liege eine sonstige Änderung des Einheitswertes im Sinne des § 23 Abs. 5 zweiter Satz BSVG vor, die mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folge, wirksam werde.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei zu keiner Änderung des Einheitswertes "im herkömmlichen Sinne" gekommen, sondern es sei der Bescheid, der dem Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt zu Grunde gelegen sei, rückwirkend beseitigt und ein neuer Bescheid erlassen worden. Es könne nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen, wenn der "erste" Bescheid der Finanzbehörde unrichtig gewesen sei, weil diese von falschen Tatsachen ausgegangen sei, weshalb die Wiederaufnahme des Verfahrens und die neuerliche Erlassung eines Bescheides notwendig geworden seien. Die Bestimmung des § 23 Abs. 5 zweiter Satz BSVG sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass davon der Fall der gänzlich rückwirkenden Aufhebung eines Bescheides nicht erfasst sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis zum in der Pensions- und in der Unfallversicherung nach dem BSVG pflichtversichert sei.
In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahren wieder, verwies auf die Darstellung des Sachverhaltes im Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt und erachtete "ausschließlich die Rechtsfrage strittig, wie die Regelung des § 23 Abs. 5 BSVG - in Beziehung auf den vorliegenden Fall - auszulegen bzw. anzuwenden ist."
In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde unter Heranziehung einschlägiger Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zu dem Ergebnis, dass es sich im Zusammenhang mit dem Bescheid des Finanzamtes K. vom um eine sonstige Änderung des Einheitswertes im Sinne des § 23 Abs. 5 zweiter Satz BSVG handle, der all jene Fälle abschließend einschließe, die nicht auf eine Flächenänderung zurückzuführen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 2 BSVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1997 besteht die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung unter anderem für Personen, die auf ihre Rechnung einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb führen, nur, wenn der nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, in der jeweils geltenden Fassung festgestellte Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes den Betrag von S 20.000,-- übersteigt.
Nach § 3 Abs. 2 BSVG besteht die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nur, wenn es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen zuletzt im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- erreicht oder übersteigt.
Gemäß § 23 Abs. 1 BSVG ist Grundlage für die Bemessung der Beiträge in der Kranken- und Pensionsversicherung bei einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, für den ein Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Vermögens gemäß
den §§ 29 bis 50 BewG 1955 festgestellt wird, der Versicherungswert nach Abs. 2.
Nach Abs. 2 BSVG ist der Versicherungswert ein Hundertsatz des Einheitswertes des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes. Hiebei ist von dem zuletzt im Sinne des § 25 des BewG festgestellten Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auszugehen.
Gemäß § 23 Abs. 5 BSVG werden Änderungen des Einheitswertes gemäß Abs. 3 lit. b, c, d und f sowie durch sonstige Flächenänderungen mit dem ersten Tag des Kalendermonates wirksam, der der Änderung folgt. Sonstige Änderungen des Einheitswertes werden mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres wirksam, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgt.
Die Beschwerdeführerin verkennt nicht, dass mit dem Wertfortschreibungsbescheid des Finanzamtes K. vom der Einheitswert geändert worden ist, meint jedoch - anders als noch im Verwaltungsverfahren - , dass es sich dabei nicht um eine Änderung gemäß § 23 Abs. 5 zweiter Satz BSVG, sondern um eine solche nach dem ersten Satz der genannten Bestimmung gehandelt habe.
Zwischen den Parteien des Verwaltungsverfahrens und - soweit es sich aus der Aktenlage ergibt - im Verfahren über die Wertfortschreibung war nicht strittig, dass der Bescheid des Finanzamts K. vom eine landwirtschaftlich genutzte Fläche im Ausmaß von 0,5673 ha irrtümlich dem Betrieb der Beschwerdeführerin zugeschrieben hat. Dieser Irrtum wurde mit Bescheid vom richtig gestellt, was zu einer Herabsetzung des Einheitswertes geführt hat. Auch die Beschwerdeführerin geht in ihrer Beschwerde davon aus, dass mit dem zuletzt genannten Bescheid nicht auf eine Änderung der von ihr bewirtschafteten Fläche reagiert, sondern ein dem Finanzamt K. unterlaufener Irrtum behoben wurde. Mangels Änderung der von der Beschwerdeführerin bewirtschafteten Fläche lag kein Fall des § 23 Abs. 5 erster Satz BSVG vor, weshalb die belangte Behörde zu Recht von der Anwendung des zweiten Satzes der genannten Bestimmung ausging, nämlich einer sonstigen Änderung des Einheitswertes.
Nach dem (sowohl von der belangten Behörde als auch der Beschwerdeführerin zitierten) hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/08/0069, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, regelt § 23 Abs. 5 BSVG alle denkbaren Fälle der Änderung eines Einheitswertes abschließend. Der erste Satz des § 23 Abs. 5 BSVG benennt jene Fälle, in denen die Änderung des Einheitswertes auch beitragsrechtlich mit dem ersten Tag des Kalendermonats, der der Änderung folgt, wirksam wird, in Form einer auf bestimmte Fallkonstellationen des § 23 Abs. 3 BSVG Bezug nehmenden taxativen Aufzählung, und er enthält eine Generalklausel zu Gunsten der von den genannten Fällen nicht umfassten sonstigen Änderungen des Einheitswertes, soweit sie durch Flächenänderungen bedingt sind. Der zweite Satz der genannten Gesetzesstelle enthält hingegen eine alle übrigen Fälle der Änderung des Einheitswertes abdeckende weitere Generalklausel und ordnet deren beitragsrechtliche Wirksamkeit mit dem auf die Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgenden ersten Tag eines Kalendervierteljahres an.
Diese Regelung findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass die rückwirkende Anwendung der in beide Richtungen denkbaren Änderungen des Einheitswertes zum Verlust oder zum Entstehen von Versicherungsansprüchen und damit unter Umständen auch zu rückwirkenden Belastungen der Versicherten, sei es durch die Nachzahlung von Beiträgen, sei es durch die Rückforderung erbrachter Leistungen führen könnten. Der Zweck der genannten Bestimmung liegt darin, den Gleichklang von Beitrags- und Leistungsrecht zu wahren und eine beitragsrechtliche Rückwirkung grundsätzlich zu vermeiden, es sei denn, die Änderung des Einheitswertes hätte in einer Flächenänderung ihre Ursache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0031, mwN).
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, der vorliegende Fall unterscheide sich von dem Fall, der dem Erkenntnis vom zu Grunde gelegen ist, weil dort der Einheitswert auf Grund einer Berichtigung gemäß § 293 BAO rückwirkend geändert wurde, während im vorliegenden Fall das der Wertfortschreibung zu Grunde liegende Feststellungsverfahren gemäß § 303 BAO wiederaufgenommen und der ursprüngliche Feststellungsbescheid aufgehoben wurde. Die im Bescheid vom getroffene Feststellung des Einheitswertes müsse daher auf den gesamten in Rede stehenden Zeitraum zurückwirken.
Von der in Frage stehenden Regelung werden auch Fälle umfasst, in denen die rückwirkende Änderung des Einheitswertes einen früheren Einheitswertbescheid ganz aus dem Rechtsbestand beseitigt, weil die Vermeidung der beitragsrechtlichen Rückwirkung an sich das gesetzgeberische Anliegen ist, es sei denn, die Änderung des Einheitswertes hätte in einer Flächenänderung ihrer Ursache.
Auch bei der Aufhebung eines Bescheides im Wege der Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO wird der frühere Einheitswertbescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt. Die belangte Behörde hat daher den mit Bescheid des Finanzamtes K. vom festgestellten Einheitswert als Beitragsgrundlage zutreffend erst ab dem Beginn des nächsten Kalendervierteljahres am herangezogen.
Andere Argumente, die die zitierte Rechtsprechung in Frage stellen könnten, zeigt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht auf. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-58033