VwGH 17.11.2004, 2003/08/0226
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | ASVG §35 Abs1; |
RS 1 | Das Eigentum bzw Miteigentum am Betrieb ist die für die Beurteilung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, in erster Linie maßgebende rechtliche Gegebenheit. Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten aus der Betriebsführung setzt voraus, dass durch rechtswirksame dingliche (zB durch Einräumung eines Fruchtgenussrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (zB durch Abschluss eines Pachtvertrages oder einer besonderen, einem Pachtvertrag nahe kommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern, Hinweis E , 89/08/0168; E , 97/08/0652, 0653) statt des Eigentümers (der Miteigentümer) ein Nichteigentümer bzw bei Vereinbarungen zwischen Miteigentümern einer der Miteigentümer allein aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird. Ein Betrieb wird ganz allgemein auf Rechnung eines redlichen Besitzers geführt. Die bloße tatsächliche Betriebsführung durch einen Miteigentümer reicht dazu nicht aus (Hinweis E , 88/08/0248; E , 93/63; E , 1516/68, 1529/68; E , 08/0558/79; E , 87/08/0119). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 98/08/0017 E RS 5
(Hier nur der erste Satz!) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des T in S, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Föger Pall & Schallhart in 6300 Wörgl, Josef-Speckbacher Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zlen. uvs- 2002/K8/013-5 und uvs-2002/16/078-5, betreffend Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 111 ASVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 2, soweit dieser die Unterlassung der Anmeldung des ungarischen Staatsangehörigen B bei der zuständigen Sozialversicherungsanstalt betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer zweier Verwaltungsübertretungen nach dem AuslBG für schuldig erkannt wurde, mit Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0146, als unbegründet abgewiesen.
Mit Spruchpunkt 2 des - nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen - im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer zweier Verwaltungsübertretungen gemäß § 111 i.V.m. § 33 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für schuldig befunden. Er habe es unterlassen, den in der Zeit vom bis in seinem Hotel "H." beschäftigten ungarischen Staatsangehörigen B. und die in der Zeit vom bis im selben Hotel beschäftigte kroatische Staatsangehörige F. binnen sieben Tagen ab Arbeitsaufnahme bei der zuständigen Sozialversicherungsanstalt anzumelden. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.180,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils sechs Tage) verhängt.
Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung folgenden Sachverhalt zu Grunde gelegt:
"Der (Beschwerdeführer) hat in der Zeit vor dem über eine kroatische Zeitung Arbeitskräfte für den Hotelbetrieb '(H)' ... gesucht. Frau (F.), die am in diesem Betrieb die Beschäftigung als Zimmermädchen aufgenommen hat, hat den (Beschwerdeführer) auf Grund des angeführten Zeitungsinserates angerufen und hat mit ihm telefonisch einen Monatslohn von ca. ATS 12.000,-- zuzüglich freier Kost und Logis vereinbart. Im Zuge dieses Telefongespräches hat der (Beschwerdeführer) auch mitgeteilt, dass er für Frau (F.) keine arbeitsrechtlichen Papiere bekommen könne. Frau (F.) reiste mit dem Zug an, der (Beschwerdeführer) hat sie ... persönlich abgeholt (Frau (F.) anlässlich ihrer Einvernahme im fremdenpolizeilichen Verfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Imst am ). Frau (F.) hat vom bis zum im Hotel '(H.)' gearbeitet (Frau (F.), Verhängung des Aufenthaltsverbotes am durch die Erstbehörde). Frau (F.) wurde als Zimmermädchen für Euro 870,-- monatlich, Kost und Logis frei, beschäftigt ((Beschwerdeführer) aus Anlass der Kontrolle des Hauptzollamtes am ). Eine Beschäftigungsbewilligung lag nicht vor (Anzeige des Arbeitsinspektorates Innsbruck vom ). Ebenso wurde der ungarische Staatsangehörige (B.) ... im Hotel '(H.)' in der Zeit vom bis als Küchenhilfe, Entlohnung Euro 950,-- monatlich, zuzüglich freie Kost und Logis, beschäftigt (Anzeige des Arbeitsinspektorates Innsbruck vom , Angaben des (Beschwerdeführers) im Zuge der Kontrolle am sowie Angaben des Beschäftigten (B.) im Zuge des fremdenpolizeilichen Verfahrens bei der Bezirkshauptmannschaft Imst am ). Der (Beschwerdeführer) hat die angeführten ausländischen Staatsangehörigen bei der Sozialversicherung nicht angemeldet; ihm war bekannt, dass er für ausländische Arbeitskräfte eine entsprechende Bewilligung benötigt und dass diese bei der Sozialversicherung zu melden gewesen wären (Rechtfertigung des (Beschwerdeführers) ... vom ".
Über die gegen Spruchpunkt 2 dieses Bescheides erhobene Beschwerde - also soweit sich diese gegen die Bestrafung nach dem ASVG richtet und daher in die Zuständigkeit des Senates 08 fällt - hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:
§ 33 Abs. 1 ASVG lautet:
"Die Dienstgeber haben jeden von ihnen beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten (Vollversicherte und Teilversicherte) bei Beginn der Pflichtversicherung (§ 10) unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie die Abmeldung des Dienstgebers wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit der Beschäftigte in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Durch die Satzung des Trägers der Krankenversicherung kann die Meldefrist im Allgemeinen bis zu sieben Tagen oder für einzelne Gruppen von Pflichtversicherten bis zu einem Monat erstreckt werden."
Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.
Im Beschwerdefall wurden die beiden im angefochtenen Bescheid genannten Dienstnehmer unstrittig nicht gemäß § 33 Abs. 1 ASVG beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch, dass er Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG und damit zur Meldung verpflichtet gewesen wäre. Die belangte Behörde lasse außer Acht, dass gegenüber der Tiroler Gebietskrankenkasse der Betrieb "H." bis zumindest ausschließlich unter einem auf die Namen der Eltern des Beschwerdeführers lautenden Sozialversicherungskonto geführt worden sei. Ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeführer, welcher bei der Tiroler Gebietskrankenkasse eigenständig als Dienstgeber mit einem anderen Standort geführt werde, und der Melde-, Anzeige- und Auskunftspflicht nach dem ASVG hinsichtlich der beschäftigten Dienstnehmer im Hotel "H." habe zum damaligen Zeitpunkt nicht bestanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme es für die Dienstgebereigenschaft einer Person nicht nur darauf an, wer letztlich aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, sondern überdies darauf, dass der in Betracht kommenden Person, wenn schon nicht das Recht zur Geschäftsführung, so doch eine so weit reichende Einflussmöglichkeit auf die Betriebsführung zukommen muss, dass sie die Erfüllung der dem Dienstgeber nach dem ASVG auferlegten Verpflichtungen in Bezug auf das an das Beschäftigungsverhältnis anknüpfende Versicherungsverhältnis und Leistungsverhältnis entweder selbst oder durch dritte Personen möglich ist. Dies liege beim Beschwerdeführer hinsichtlich des Hotels "H." nicht vor. An der Dienstgebereigenschaft einer Person, die das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar treffe, ändere sich nichts dadurch, dass ein (mit ihrem Wissen und Willen den Betrieb führender) Dritter bei einzelnen betrieblichen Geschäften nach außen hin in eigenem Namen auftrete. Sämtliche Kriterien der Rechtsprechung würden für den inkriminierten Zeitraum allein und ausschließlich auf Frau Paula A. (die Mutter des Beschwerdeführers) zutreffen, welche "bücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft und damit des Betriebes Hotel (H.), kontoführende Person hinsichtlich dieses Betriebs bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, zeichnungsbefugte Geschäftsführerin und persönliche Steuerschuldnerin hinsichtlich des Betriebs Hotel (H.)" gewesen sei. Paula A. sei daher als alleinige Dienstgeberin im inkriminierten Zeitraum zu betrachten.
Diesem Vorbringen kommt im Hinblick auf die vom bis zum beschäftigte Arbeitnehmerin F. keine Berechtigung zu. Die belangte Behörde hat in vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandender Beweiswürdigung (vgl dazu auch das Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0146, bezüglich Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides) festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Hotelbetrieb tatsächlich geleitet und die Ausländer als Arbeitgeber beschäftigt hat. Im Hinblick auf die für den Dienstgeberbegriff des § 35 ASVG maßgebliche Frage, auf wessen Rechnung der Betrieb geführt wurde, hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung unter anderem den Schenkungsvertrag vom , abgeschlossen zwischen Paula A. als Geschenkgeberin und dem Beschwerdeführer als Geschenknehmer zu Grunde gelegt, in dessen Punkt III. heißt es wörtlich:
"Die tatsächliche Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstandes (einschließlich des Betriebes (H.)) ist durch gemeinsames Abgehen und Feststellen der Grenzen, sowie durch gemeinsame Einsichtnahme und Überlassung aller den Vertragsgegenstand betreffenden Urkunden an die Übernehmerin bereits am erfolgt, und sind mit diesem Zeitpunkt auch Besitz und Genuss, Wag und Gefahr am Vertragsgegenstand auf den Übernehmer übergegangen, welcher ab diesem Zeitpunkt auch alle damit verbundenen Steuern und öffentlichen Abgaben allein zu tragen hat."
Gegenstand des Schenkungsvertrages ist nach dessen Punkt II. (unter anderem) die mit der Einlagezahl bezeichnete Liegenschaft mitsamt dem auf dieser Liegenschaft errichteten Betrieb H. samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör.
Nach diesem Schenkungsvertrag kam demnach dem Beschwerdeführer seit dem das volle Verfügungsrecht über den Betrieb H. zu und dieser Betrieb wurde (jedenfalls) seit diesem Zeitpunkt auf seine Rechnung und Gefahr geführt. Das zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme der Arbeitnehmerin F. noch bestehende bücherliche Eigentum der Mutter des Beschwerdeführers vermag daran nichts zu ändern. Zwar ist das Eigentum bzw. Miteigentum am Betrieb die für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, in erster Linie maßgebliche rechtliche Gegebenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0017); im vorliegenden Fall ist jedoch durch die (spätestens) zum erfolgte, im nachfolgend errichteten Schenkungsvertrag dokumentierte Übernahme des Betriebes durch den Beschwerdeführer eine vom bücherlichen Eigentum an der Liegenschaft abweichende Zurechnung von Rechten und Pflichten aus der Betriebsführung belegt. Dass die im Schenkungsvertrag dokumentierte, mit dem Gefahrübergang auf den Beschwerdeführer verbundene Übernahme bzw. Übergabe zum nicht erfolgt wäre, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.
Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, soweit sie für den Zeitraum ab dem davon ausgeht, dass der Betrieb H. auf Rechnung des Beschwerdeführers geführt wurde und dieser sohin als Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG anzusehen war, dem auch die Meldepflicht hinsichtlich der vom bis zum beschäftigten Dienstnehmerin F. oblag.
Weshalb dieses Ergebnis, wie der Beschwerdeführer vermeint, "insbesondere mit Punkt V des Schenkungsvertrages" unvereinbar sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen. In Punkt V des angeführten Schenkungsvertrages ist vorgesehen, dass der Übernehmer die Darlehen und Kreditverbindlichkeiten, welche den Pfandrechtseintragungen auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft zu Grunde lagen, in seine alleinige Haftung und Rückzahlungsverpflichtung übernahm, so wie diese am unberichtigt aushafteten. Auch aus dieser Regelung lässt sich sohin ableiten, dass der Betrieb (jedenfalls) ab auf Rechnung des Beschwerdeführers geführt wurde.
Die Beschwerde ist jedoch im Recht, soweit sie sich gegen die für die Unterlassung der Anmeldung des vom bis zum beschäftigten ungarischen Staatsangehörigen B. erfolgte Bestrafung wendet. Eine ausdrückliche Begründung für die Annahme, der Betrieb "H." sei auch vor dem bereits auf Rechnung des Beschwerdeführers geführt worden, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Der bereits zitierte Schenkungsvertrag vermag die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung, der Beschwerdeführer sei auch vor dem nicht nur Arbeitgeber im Sinne des AuslBG, sondern auch Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG gewesen, nicht zu decken, und die weiteren Beweismittel beziehen sich lediglich auf die Arbeitgebereigenschaft im Sinne des AuslBG, nicht jedoch auf die entscheidungswesentliche Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr der Betrieb im Zeitpunkt der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretung - Nichtanmeldung des ab beschäftigten Arbeitnehmers B. - geführt worden war.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als in diesem Punkt nicht ausreichend begründet, sodass er in diesem Umfang - Bestrafung wegen Verletzung der Meldepflicht betreffend den Arbeitnehmer B. - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Im Übrigen jedoch war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Stempelgebührenersatz war nicht zuzusprechen, weil die Beschwerde - soweit sie erfolgreich war - nicht gebührenpflichtig war (§ 110 ASVG).
Wien, am
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Norm | ASVG §35 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2004:2003080226.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAE-58022