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VwGH vom 20.03.2002, 99/09/0104

VwGH vom 20.03.2002, 99/09/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. Werner Zaufal, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstern 1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 10/13115/947 735, betreffend Nichtausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von 332,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, stellte beim Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien am mit dem amtlich aufgelegten Formular den Antrag auf "Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes".

Mit Bescheid vom lehnte das Arbeitsmarkservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien "den von Ihnen als Ausländer eingebrachten Antrag vom auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBL. Nr. 776/1996, in der geltenden Fassung" ab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4c Abs. 2 AuslBG und Art. 6 Abs. 1 dritter Untersatz des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid des Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien vom bestätigt.

Diese Entscheidung wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, die Beschwerdeführerin erfülle die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Untersatz des ARB Nr. 1/80 deshalb nicht, weil die Unterbrechungen ihrer Beschäftigung vom bis sowie vom bis - während dieser Zeiten habe die Beschwerdeführerin weder Arbeitslosengeld bezogen noch sei sie beim Arbeitsmarktservice gemeldet gewesen - nicht als unverschuldete Arbeitslosigkeit zu werten seien und die Beschwerdeführerin daher schon aufgrund dieser Unterbrechungen ihrer Arbeitszeiten keine vierjährige ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Assoziationsabkommen aufweise. Für die Beurteilung sei der unter Berücksichtigung des Arbeitslosengeldbezuges von bis und von bis (insgesamt 172 Tage) der Zeitraum vom bis zur Antragstellung () bzw. von bis zur Entscheidung der Behörde erster Instanz () heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin erfülle demnach die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG nicht, weil sie nur insgesamt 3 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht auf Ausstellung des beantragten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid "gemäß § 42 Abs. 1 lit. a und c VwGG" kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Art. 6 ARB Nr. 1/80 hat folgenden Wortlaut:

"Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat


Tabelle in neuem Fenster öffnen
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nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
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nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
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nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."

Diese Bestimmung ist unmittelbar anwendbar und räumt subjektive Rechte ein. Betroffenen, die diese Voraussetzungen nach dem Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz ARB Nr. 1/80 erfüllen, ist gemäß § 4c Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) von Amts wegen ein Befreiungsschein durch das Arbeitsmarktservice auszustellen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid festgestellten Unterbrechungen ihrer Beschäftigungszeiten bzw. die von der belangten Behörde (während der letzten vier Jahre) insgesamt festgestellten Beschäftigungszeiten. Sie hält den angefochtenen Bescheid ausschließlich deshalb für rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht berücksichtigt habe, dass ihr für den Zeitraum bis ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Es hätten auch "die vor dem Beobachtungszeitraum von vier Jahren liegenden Beschäftigungszeiten" einbezogen werden müssen, insbesondere der Wochengeldbezug vom 28. Juni bis und der Karenzurlaubsgeldbezug bis .

Damit zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Selbst wenn man ihrer Behauptung folgt und die in der Beschwerde ins Treffen geführten Zeiten berücksichtigen würde - wofür freilich keine Rechtsgrundlage nach Art. 6 ARB Nr. 1/80 besteht (vgl. zu den vor dem gelegenen Unterbrechungen der Beschäftigung etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom , Zl. 98/09/0158 und Zl. 98/09/0301) - könnte auch die Berücksichtigung dieser Zeiten ihre Beschwerde nicht zum Erfolg führen, weil die Beschwerdeführerin auch dann das Erfordernis einer vierjährigen Beschäftigung nicht zu erfüllen vermag, erreichen die seit der letzten Unterbrechung ihrer Beschäftigung (das war unbestrittenermaßen der Zeitraum bis ) ab dem zurückgelegten Beschäftigungszeiten doch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () jedenfalls noch nicht die zeitlichen Voraussetzungen (von vier Jahren) des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80. Die Beschwerdeführerin lässt bei ihrem Vorbringen unberücksichtigt, dass die von ihr nicht in Zweifel gezogenen Unterbrechungen ihrer Beschäftigung im Jahr 1995 und zuletzt von November 1997 bis Februar 1998 zum Untergang der bis dahin (1995 bzw. November 1997) erworbenen Anwartschaft auf die mit dem dritten Gedankenstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 verbundenen Rechtsposition geführt haben.

Die Beschwerdeführerin konnte schon aus den dargelegten Erwägungen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 6 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 und damit die Anspruchsvoraussetzungen für die Ausstellung des begehrten Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG nicht erfüllen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am