VwGH vom 04.07.1995, 94/08/0219
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV (SanR)-347/2-1994-Ruck/Ha, betreffend Beitragserstattung gemäß § 118 b Abs. 2 BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Wien III, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Jahre 1993 sowohl in der Pensionsversicherung nach dem BSVG als auch in jener nach dem GSVG pflichtversichert. Mit Bescheid vom wies die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erstattung von Überschreitungsbeiträgen aus der Mehrfachversicherung in der Pensionsversicherung für das Jahr 1993 gemäß § 118 b Abs. 2 BSVG mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer den Erstattungsantrag erst nach der in dieser Bestimmung festgesetzten Ausschlußfrist (im Beschwerdefall: ) gestellt habe.
Dem dagegen erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid mit der Begründung, daß - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers - ein Verlängerungstatbestand nach dem zweiten Satz des § 118 b Abs. 2 BSVG nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt (diese allerdings ohne Kostenerstattungsantrag) eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Absätze 1 und 2 des § 118 b BSVG in der im Beschwerdefall bereits anwendbaren Fassung der 19. Novelle zum BSVG, BGBl. Nr. 22/1994 (§ 248 Abs. 1 Z. 2 BSVG) lauten:
"(1) Überschreitet in einem Kalenderjahr bei versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten nach diesem Bundesgesetz oder nach diesem Bundesgesetz und nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz oder bei gleichzeitig ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und selbständigen Erwerbstätigkeiten in einem Kalenderjahr die Summe aller Beitragsgrundlagen der Pflichtversicherung einschließlich der Sonderzahlungen die Summe der monatlichen Höchstbeitragsgrundlagen gemäß § 48 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes für die im Kalenderjahr liegenden Beitragsmonate der Pflichtversicherung, wobei sich deckende Beitragsmonate nur einmal zu zählen sind, so gilt der Beitrag zur Pensionsversicherung, der auf den Überschreitungsbetrag entfällt, wenn nicht nach Abs. 2 Beiträge erstattet wurden, im Rahmen der Bestimmungen des § 29 als Beitrag zur Höherversicherung; hiebei ist als Beitragssatz jeweils der aus der Summe der Beitragssätze gemäß § 51 Abs. 1 Z. 3 lit. a und § 51 a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes sich ergebende Beitragssatz zur Zeit der Entrichtung heranzuziehen. Beitragsteile, die im Rahmen der Bestimmungen des § 29 nicht als Beitrag zur Höherversicherung gelten, sind bei Anfall einer Leistung aus den Versicherungsfällen des Alters oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit aufgewertet mit dem der zeitlichen Lagerung entsprechenden Aufwertungsfaktor (§ 45) in halber Höhe zu erstatten.
(2) Der (die) Versicherte kann bei sonstigem Ausschluß bis 31. Jänner eines jeden Kalenderjahres bei einem der beteiligten Versicherungsträger für im Vorjahr fällig gewordene Beiträge den Antrag stellen, ihm (ihr) den auf den Überschreitungsbetrag (Abs. 1) entfallenden Beitrag oder den gemäß § 29 zur Höherversicherung nicht anrechenbaren Beitrag zu erstatten, wobei der halbe Beitragssatz nach Abs. 1 anzuwenden ist. Wird eine Pflichtversicherung, die in dem betreffenden Kalenderjahr eine Mehrfachversicherung bewirkt, erst nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres festgestellt, dann verlängert sich die Antragsfrist bis zum Ende des auf die Feststellung der Mehrfachversicherung folgenden Kalendermonates."
Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, im Jahre 1993 sowohl in der Pensionsversicherung nach dem BSVG als auch in jener nach dem GSVG pflichtversichert und daher mehrfach versichert gewesen zu sein, den Erstattungsantrag aber erst am gestellt zu haben. Seiner Auffassung nach liege aber aus folgenden Gründen der Verlängerungstatbestand des zweiten Satzes des § 118 b Abs. 2 BSVG vor: Einerseits sei bisher weder ein Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem BSVG und nach dem GSVG noch ein solcher über die Feststellung der Mehrfachversicherung erlassen worden. Andererseits sei bis jetzt einzig und allein die endgültige Beitragsgrundlage nach dem BSVG, nicht jedoch jene nach dem GSVG feststellbar. Da der Beschwerdeführer den Gewerbebetrieb erst mit übernommen habe, sei zunächst nach § 25 a GSVG eine vorläufige Beitragsgrundlage wegen "Neuzuganges" mit S 14.770,-- festgestellt worden. Da bisher ein Einkommensteuerbescheid für 1993 noch nicht erlassen worden sei, könne die endgültige Beitragsgrundlage und damit auch der exakte Überschreitungsbetrag nach § 118 b Abs. 2 BSVG noch nicht festgestellt werden; er stehe bislang nicht einmal fest, ob endgültig überhaupt eine Überschreitung der Höchstbeitragsgrundlage eingetreten sei, könne doch die endgültige Beitragsgrundlage auch wesentlich geringer als die vorläufige sein. Es könnte daher zwar unter Einhaltung der Frist des § 118 b Abs. 2 erster Satz BSVG ein Erstattungsantrag gestellt, über ihn aber noch nicht entschieden werden. Auch aus diesem Grund müsse im Sinne des zweiten Satzes des § 118 b Abs. 2 BSVG die endgültige Höhe der Überschreitung aus der Mehrfachversicherung nach dem BSVG und dem GSVG abgewartet werden, weshalb im Beschwerdefall der Verlängerungstatbestand dieses Satzes gegeben sei.
Diese Argumente sind aus folgenden Gründen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Zunächst findet die Auffassung des Beschwerdeführers, es verlängere sich die Antragsfrist des ersten Satzes des § 118 b Abs. 2 BSVG auch dann, wenn trotz unstrittiger Mehrfachversicherung keine rechtskräftigen Bescheide über die die Mehrfachversicherung auslösenden Pflichtversicherungen erlassen worden seien, weder im Wortlaut noch in dem darin erkennbaren Sinn dieser Bestimmung (vgl. die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 19. BSVG-Novelle, 1377 BlgNR XVIII. GP, S. 20) eine Deckung. Nach dem Wortlaut setzt eine solche "Verlängerung" vielmehr die positive "Feststellung der Mehrfachversicherung" voraus. Ihrer bedarf es aber nur dann, wenn sie zwischen dem (der) Versicherten und dem (den) Versicherungsträger (Versicherungsträgern) dem Grunde nach strittig ist. In einem solchen Fall besteht aber die Gefahr, daß die (an das objektive Bestehen einer Mehrfachversicherung anknüpfende) Antragsfrist des ersten Satzes des § 118 b Abs. 2 BSVG im Zeitpunkt der genannten positiven "Feststellung der Mehrfachversicherung" schon abgelaufen ist. Das scheidet aus, wenn zwischen den Beteiligten die Mehrfachversicherung ohnedies unstrittig ist.
Umsomehr steht der Auffassung des Beschwerdeführers, es verlängere sich die Antragsfrist des ersten Satzes des § 118 b Abs. 2 BSVG im Sinne des zweiten Satzes auch dann, wenn im Falle einer Mehrfachversicherung nach dem BSVG und dem GSVG zunächst nur eine vorläufige Beitragsgrundlage nach § 25 a Abs. 1 oder 2 BSVG gilt, der insofern völlig eindeutige Wortlaut des § 118 b Abs. 2 zweiter Satz BSVG entgegen, in dem nur von der Feststellung der eine Mehrfachversicherung bewirkenden "Pflichtversicherung" bzw. der "Feststellung der Mehrfachversicherung", nicht aber von der Feststellung von Beitragsgrundlagen in den zugrundeliegenden Pflichtversicherungsverhältnissen die Rede ist.
Der Beschwerdeführer hält ungeachtet dessen im genannten Fall eine Heranziehung des zweiten Satzes des § 118 b Abs. 2 BSVG für erforderlich, weil seiner (oben wiedergegebenen Auffassung nach) § 118 b BSVG für die Dauer der bloßen Geltung der vorläufigen Beitragsgrundlage nach § 25 a Abs. 1 oder 2 GSVG entweder überhaupt oder doch nur mit der Folge einer nicht "exakten" Ermittlung des Überschreitungsbetrages anwendbar wäre.
Auch dem kann nicht beigepflichtet werden. Es besteht zunächst mangels einer diesbezüglichen Differenzierung kein Anhaltspunkt dafür, unter "Beitragsgrundlagen" der Pflichtversicherung nach dem GSVG im Sinne des § 118 b Abs. 1 BSVG nicht auch die vorläufigen Beitragsgrundlagen nach § 25 a Abs. 1 oder 2 BSVG zu verstehen. Ein solches Verständnis verhindert auch nicht die "exakte" Ermittlung des Überschreitungsbetrages. Es ist in einem solchen Fall vielmehr, ausgehend von der Beitragsgrundlage nach dem BSVG und der vorläufigen Beitragsgrundlage nach dem GSVG, der allfällige Überschreitungsbetrag zu ermitteln und der Behandlung nach § 118 b Abs. 1 bzw. Abs. 2 BSVG zugrundezulegen, das heißt:
Entweder gilt in einem solchen Fall der auf diesen Betrag entfallende Beitrag zur Pensionsversicherung nach Maßgabe des § 118 b Abs. 1 BSVG (vorläufig) als Höherversicherung oder er ist über Antrag des (der) Versicherten nach § 118 b Abs. 2 BSVG zu erstatten. Das schließt freilich eine Korrektur für den Fall, daß die endgültige Beitragsgrundlage nach § 25 a Abs. 3 GSVG von der vorläufigen abweicht, nicht aus: Ist sie niedriger, so hat dies entweder eine allfällige Änderung der Höherversicherung nach § 118 b Abs. 1 BSVG zur Folge oder löst - bei bereits seinerzeit erfolgter Erstattung nach § 118 b Abs. 2 BSVG - eine Nachzahlungspflicht des (der) Versicherten nach der analog anzuwendenden Bestimmung des § 33a Abs. 2 BSVG aus. Ist die endgültige Beitragsgrundlage nach dem GSVG aber höher als die vorläufige, so hat dies entweder auch eine entsprechende Korrektur der Höherversicherung nach § 118 b Abs. 1 BSVG zur Folge oder berechtigt den (die) Versicherten (Versicherte) dazu, innerhalb der (neu eröffneten) Frist des § 118 b Abs. 2 erster Satz BSVG für die im Vorjahr (zufolge der endgültigen Feststellung der Beitragsgrundlage nach § 35 Abs. 3 GSVG) fällig gewordenen Beiträge eine (neuerliche) Erstattung zu beantragen.
Da die belangte Behörde aus den angeführten Gründen den nach Ablauf der Ausschlußfrist des § 118 b Abs. 2 erster Satz BSVG gestellten Antrag wegen Erlöschens des Erstattungsanspruches bezüglich der im Jahre 1993 fällig gewordenen Beiträge zu Recht abgewiesen hat, war die Beschwerde 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, begrenzt durch das den Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand nach dieser Verordnung unterschreitende Kostenersatzbegehren der belangten Behörde.