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VwGH 23.02.1995, 91/06/0189

VwGH 23.02.1995, 91/06/0189

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Tir 1989 §7 Abs2;
BauRallg;
ROG Tir 1972 §24 Abs3;
VwRallg;
RS 1
§ 7 Abs 2 Tir BauO 1989 legt ausdrücklich nicht fest, daß bei Überschreitung der Höhendifferenz von drei Metern eine Mittelung ausgeschlossen und dann die volle (größere) Höhe der Wand bzw Gebäudefront für die (einheitliche) Abstandsberechnung heranzuziehen ist. Demgegenüber ergibt sich aber aus § 7 Abs 2 vierter und letzter Satz Tir BauO 1989 ausdrücklich, daß nur dann unterschiedliche Abstände (einer Gebäudefront) zu berechnen sind, wenn es sich dabei um verschieden hohe Gebäudeteile handelt, ist doch (nur) in diesem Fall nach § 7 Abs 2 vierter Satz Tir BauO 1989 die Wandhöhe für jeden Gebäudeteil GESONDERT zu berechnen. Dies bedeutet, daß für eine einheitliche (verschieden hohe) Wand jedenfalls ein einheiticher Mindestabstand zur Grundgrenze zu errechnen ist. Dies entspricht offensichtlich auch der Systematik des § 7 Abs 2 Tir BauO 1989, der bei einer Wand den gleichen Seitenabstand vorsieht, sofern es sich nicht um Gebäudeteile handelt. Das Erfordernis eines einheitlichen Seitenabstandes pro Wand kann aber ebenso und ohne Widerspruch zum System des § 7 Abs 2 Tir BauO 1989 gesichert werden, wenn man in § 7 Abs 2 letzter Satz Tir BauO 1989 die grundsätzliche Festlegung sieht, daß bei einer Wand eines Gebäudeteiles mit unterschiedlicher Wandhöhe zu mitteln ist. Auch die ursprüngliche Fassung des § 7 Abs 2 Tir BauO 1989 (im § 24 Abs 3 Tir ROG 1972), wonach "die...WANDHÖHEN ... bis zu Höhenunterschieden von höchstens drei Metern GEMITTELT werden (DÜRFEN)", sowie die Bezeichnung "mittlere Wandhöhe" sprechen für diese Rechtsauffassung.
Normen
BauO Tir 1989 §7 Abs5 litb;
BauRallg;
RS 2
Bei den im § 7 Abs 5 lit b Tir BauO 1989 angeführten baulichen Anlagen handelt es sich durchwegs um VORSPRINGENDE - horizontale oder vertikale - Gliederungen des Gebäudes, denen der Charakter eines Raumes fehlt (Hinweis E , 86/06/0005; hier trifft dies nicht zu, weil statt eines Balkons eine auf das zweite Obergeschoß aufgesetzte Terrasse vorliegt).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des August und der Maria H in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-550-714/5, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mP: 1. E in S, vertreten durch Dr. W, RA in M;

2. Gd S, vertreten durch den Bgm), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem Bescheid vom hat der Bürgermeister der Gemeinde S der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung erteilt, das bestehende Hotel "A" auf der Bp. 424, KG S, um- und aufzubauen. Der ursprüngliche Antrag um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für einen Um- und Aufbau am bestehenden Hotel wurde am gestellt und in der Folge abgeändert. Anlaß dafür war das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/06/0005. Zur Vorgeschichte wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Seinen Bescheid begründete der Bürgermeister im wesentlichen damit, daß - nach der wegen des zitierten Erkenntnisses vorgenommenen Modifikation des Antrages - nunmehr die Baubewilligung erteilt werden könne. Die Bp. 424 sei als Kerngebiet gewidmet, bei einer Wandhöhe und Geländeausmittelung von 8,10 m an der Nordseite ergebe sich ein notwendiger Grenzabstand laut Tiroler Bauordnung (TBO) von 4,05 m, vorhanden seien laut den vorgelegten Plänen 4,10 m . Das Bauvorhaben sei deshalb nach der TBO zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Sie begründeten ihre Berufung im wesentlichen - soweit es für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - damit, daß im bekämpften Bescheid ihr schon früher erhobener Einwand unberücksichtigt geblieben sei, wonach die Mittelung (mittlere Wandhöhe), die durch das abfallende Gelände entlang der Wand bedingt sei, nur bei einer Höhendifferenz bis jeweils höchstens 3 m erfolgen dürfe. Im gegenständlichen Falle betrage die Höhendifferenz jedoch mindestens 3,10 m, sodaß eine solche Mittelung nicht in Betracht komme und daher von der höheren Wandhöhe (talseitig) im Ausmaß von 9,71 m ausgegangen werden müsse. Selbst wenn man hiefür nun den Faktor 0,5 für den notwendigen Abstand annehme, so ergebe sich ein solcher notwendiger Abstand von 4,85 m, wogegen sowohl in der Natur als auch laut Plan nur ein solcher Abstand von 4,10 m gegeben sei. Wenn nun in früheren Bescheiden die Baubehörde "es für wahrscheinlich hält, daß die Höhendifferenz lediglich 3 m ausgemacht habe", so sei diese Feststellung aktenwidrig und müsse schärfstens zurückgewiesen und bekämpft werden. Auszugehen sei von der vom Sachverständigen ermittelten Differenz von mindestens 3,10 m, wobei darauf verwiesen werde, daß aufgrund unterschiedlicher Bezugspunkte auch ein Gutachten im Akt erliege, welches zu einer Höhendifferenz von ca. 3,30 m komme. Bei dieser Sachlage entspreche weder der Plan - und schon gar nicht die Bauausführung - den gesetzlichen Abstandsbestimmungen; das Gebäude sei einerseits zu hoch, andererseits zu nahe an die Grenze herangebaut.

3. Mit dem Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der Gemeinde S die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Der Gemeindevorstand begründete seinen Bescheid im wesentlichen - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - damit, daß nach dem "seinerzeitigen" schlüssigen Gutachten des Sachverständigen vom und der ergänzenden Stellungnahme vom die mittlere Wandhöhe der dem Grundstück der Beschwerdeführer zugekehrten, zurückversetzten Wand mit 11 m und die mittlere Höhe des niedrigen Teils der Gebäudewand mit 7,50 m anzusetzen sei. Bei der Mittelung der Wandhöhe sei von einer Höhendifferenz von 3,20 m ausgegangen worden, wobei im Sinne des § 24 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG) (nunmehr § 7 Abs. 2 TBO) lediglich der Differenzanteil von 3 m zur Mittelung herangezogen und die weiteren 20 cm in der Gesamtheit auf die Wandhöhe angerechnet worden seien. Unter Zugrundelegung des für die Abstandsbestimmungen im Kerngebiet maßgeblichen Faktors von 0,5 ergebe sich, bezogen auf den höheren zurückversetzten Wandteil, ein Grenzabstand von mindestens 5,50 m bei einem tatsächlichen Grenzabstand von 5,60 m. Für den niedrigeren Gebäudeteil ergebe sich ein Mindestgrenzabstand von 3,75 m bei einem tatsächlichen Grenzabstand von 4,10 m. Selbst bei der vom Bausachverständigen in der Verhandlung am zugrundegelegten mittleren Wandhöhe von 8,10 m ergebe sich ein Mindestabstand von 4,05 m, der sohin immer noch unter dem höchstzulässigen Abstandsmaß von 4,10 m liege. Ebenso wie seinerzeit die Aufsichtsbehörde keinen Anlaß gesehen habe, diese Ausführungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, sei auch für die Berufungsbehörde nunmehr eine Verletzung von Abstandsvorschriften nicht erkennbar. Die Rechtsansicht der Beschwerdeführer, wonach bei einer Höhendifferenz über 3 m eine Mittelung gänzlich unzulässig sei, sei nach Auffassung der Berufungsbehörde nach wie vor verfehlt. Dies sei auch durch die Aufsichtsbehörde in der schon vorher angeführten Entscheidung bestätigt worden, wonach sich aus der Formulierung der Gesetzesbestimmungen des (nunmehrigen) § 7 Abs. 2 TBO "bis jeweils höchstens 3 m" ergebe, daß eine Mittelung der Wandhöhe auch bei einem 3 m übersteigenden Betrag voll auf die Höhe anzurechnen sei. Es müsse dazu noch vermerkt werden, daß durch die Veränderung des Geländes durch Zubauten sowohl der erstmitbeteiligten Partei als auch der Beschwerdeführer die Gebäudehöhe gar nicht mehr einwandfrei festgestellt werden könne.

4. Gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung. Ihre Vorstellung begründeten sie - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - damit, daß für sie nicht nachvollziehbar sei, von welchen Höhenmaßen der bekämpfte Bescheid nun tatsächlich ausginge. Auf Seite 3 des bekämpften Bescheides werde lediglich auf eine Mittelung der Wandhöhen mit einer Höhendifferenz von 3,20 m Bezug genommen. Es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Maße die Berufungsbehörde zu der genannten Höhendifferenz von 3,20 m komme. Nachdem im gegenständlichen Verfahren bereits mehrere verschiedene Maße vorlägen (Stellungnahme - Landesbaudirektion, Sachverständiger bei der Verhandlung, Gutachten vom , Sachverständiger bei der letzten Bauverhandlung), wäre es unbedingte Voraussetzung für die Überprüfbarkeit des bekämpften Bescheides, daß die Maße, die von der Behörde zur Grundlage der Entscheidung gemacht worden seien, im Bescheid auch aufschienen. Das gleiche gelte für die Maße betreffend den niedrigeren Gebäudeteil, der in die Abstandsfläche hineinrage. Auch hier sei nicht nachvollziehbar, wie die mittlere Wandhöhe von 8,10 m ermittelt worden sei. Ganz offensichtlich seien die mittleren Wandhöhen aber in der Weise ermittelt worden, daß die Differenz bis zu 3 m geteilt worden sei. Mit dieser Berechnungsweise seien die Beschwerdeführer aber nach wie vor nicht einverstanden. Diese Berechnungsweise ergebe sich aus dem Gesetz nicht. Aus dem Gesetz ergebe sich vielmehr, daß eine Mittelung nur dann möglich sei, wenn die Höhendifferenz nicht mehr als 3 m ausmache. Wenn die Höhendifferenz (z.B. wegen Hanglage) mehr als 3 m betrage, so sei eine Mittelung nicht mehr möglich, sondern die höchste Wandhöhe heranzuziehen. Bei dieser Berechnungsart ergebe sich aber eindeutig, daß weder für den höheren noch für den niedrigeren Gebäudeteil die Abstandsbestimmungen auf der Grundlage des Faktors von nur 0,5 eingehalten worden seien.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - im wesentlichen damit, daß sie das Ermittlungsverfahren durch die Einholung eines Gutachtens betreffend die Einhaltung der Mindestabstände zur Grundparzelle der Beschwerdeführer ergänzt habe. Dieses Gutachten vom sei den Parteien gemäß § 45 AVG zur Akteneinsicht mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt worden. In ihrer Stellungnahme vom sei von den Beschwerdeführern dazu ausgeführt worden, daß die gemessenen Höhen wohl richtig sein würden, der Gutachter jedoch rechtliche Überlegungen anstelle, die ihm nicht zustünden; die Frage der Mittelung sei nach wie vor nicht geklärt und es werde beantragt, die Maße in der Natur nehmen zu lassen und sich nicht auf das Gutachten allein zu stützen. Die erstmitbeteiligte Partei habe in ihrer Stellungnahme (vom ) zum Gutachten die Meinung vertreten, daß der im Punkt 2 (des Gutachtens) genannte erforderliche Mindestabstand 4,05 m betrage, was aber unerheblich sei, da der vorhandene Grenzabstand 4,10 m betrage. Diese Stellungnahme sei aber nach Ansicht der belangten Behörde nicht zu berücksichtigen, weil sie dem Gutachten nicht widerspreche. Zusammenfassend sei dem eingeholten Gutachten zu entnehmen, daß sowohl der erforderliche Mindestgrenzabstand bezogen auf die Wandhöhe des obersten Geschoßes im verfahrensgegenständlichen Bereich als auch der erforderliche Mindestabstand bezogen auf die Wandhöhe bis zur Deckenoberkante des 2. Obergeschoßes (Balkonbereich) eingehalten worden sei. Das eingeholte Gutachten sei schlüssig, nachvollziehbar und nicht auf gleicher fachlicher Ebene bekämpft worden; die Einwände der Beschwerdeführer gingen daher ins Leere. Durch das Gutachten sei eindeutig nachgewiesen worden, daß die erforderlichen Mindestabstände zur Grundparzelle der Beschwerdeführer eingehalten worden seien. Zum Antrag, man möge Naturmaße und nicht Pläne zur Beurteilung der Frage, ob die Abstände eingehalten worden seien, heranziehen, sei zu bemerken, daß durch die Vorstellung eine rechnerische Überprüfung der Berechnung der Wandhöhen und Mindestabstände des Gemeindevorstandes gefordert worden sei. Dies sei durch das eingeholte Gutachten geschehen, sodaß dem Antrag nicht weiter gefolgt habe werden müssen. Es sei Angelegenheit der Baubehörde I. Instanz zu überprüfen, ob das Bauvorhaben bescheid- und plangemäß ausgeführt worden sei. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte sie entsprechende Maßnahmen zu treffen. Eine solche Überprüfung liege jedenfalls nicht in der Kompetenz der belangten Behörde. Die Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes der Gemeinde S sei daher zu Recht erfolgt.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Verfahrensmängel und/oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführer sehen sich in Ihrem Recht auf gesetzlichen Abstand gemäß § 7 TBO in Verbindung mit § 24 Tiroler Raumordnungsgesetz verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß durch die unter

I. 1. erwähnte Modifikation des Antrages die mitbeteiligte Partei statt der Bewilligung einer auf das zweite Obergeschoß aufgesetzten Terrasse nunmehr die Bewilligung eines auf das zweite Obergeschoß aufgesetzten Aufbaues beantragt hat; es liegt daher insgesamt ein neuer Antrag vor, sodaß auch der Vorstellungsbescheid vom , der sich (noch) auf die Terrasse bezieht, für den Beschwerdefall keine bindende Wirkung (mehr) entfaltet.

2. Die Beschwerdeführer begründen ihre Beschwerde zunächst damit, daß sich der angefochtene Bescheid in erster Linie auf das Gutachten der Landesbaudirektion vom stütze. Obwohl im Verfahren von den Beschwerdeführern mehrfach beantragt worden sei, die Maße in der Natur zu nehmen, woraus sich die Unrichtigkeit der Planmaße ergeben hätte, sei auch das gegenständliche, entscheidungswesentliche Gutachten lediglich aufgrund der Tekturpläne erstellt worden. Das Verfahren sei daher jedenfalls mangelhaft geblieben.

Damit sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. In ständiger Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich zum Ausdruck gebracht, daß nicht der tatsächliche Baubestand, sondern der in den Einreichplänen und in der Baubeschreibung zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist (vgl. dazu Hauer, Tiroler Baurecht, 2. Aufl., S. 198, und die dort unter Pkt. 29 zitierte hg. Judikatur). Entgegen den Überlegungen der Beschwerdeführer, wie sie sich aus dem Beschwerdevorbringen in Verbindung mit der Stellungnahme vom , wonach es im konkreten Fall paradox sei, daß stets nur von den Plänen und nicht vom längst bestehenden Gebäude ausgegangen und gemessen werde, ergeben, handelte demnach die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie der Entscheidung lediglich das Bauprojekt, wie es aus den der Baubewilligung zugrundeliegenden Plänen hervorgeht, zugrunde legte.

3.1. Die Beschwerdeführer behaupten weiters, ein Rechtsirrtum im angefochtenen Bescheid bestünde darin, daß die belangte Behörde offenbar vermeine, die Mittelung sei bei jeder Höhendifferenz vorzunehmen. Tatsächlich sei diese aber nur dann zulässig, wenn die Differenz die 3-m-Grenze nicht übersteige. Übersteige der Höhenunterschied 3 m, so sei eine Mittelung nicht mehr zulässig. Die Möglichkeit von einer mittleren Höhe auszugehen, stelle zweifelsohne eine Begünstigung des Bauherrn gegenüber seinen Nachbarn dar. Es sei daher diese Begünstigung jedenfalls einschränkend auszulegen. Wenn die Höhendifferenz daher die 3 m überschreite, so sei die volle (größere) Höhe für die Abstandsberechnung heranzuziehen.

3.2. Im § 7 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, sind jene generellen Anordnungen darüber enthalten, wie Wandhöhen zu ermitteln sind. Die im Beschwerdefall strittigen Regelungen sind im § 7 Abs. 2 vierter und letzter Satz leg.cit. enthalten; sie lauten:

"Bei Gebäuden mit verschieden hohen Gebäudeteilen ist

die Wandhöhe für jeden Gebäudeteil gesondert zu berechnen.

...

Ist eine Wand infolge der Neigung einer Dachfläche

bzw. der anschließenden Verkehrsfläche oder des anschließenden Geländes verschieden hoch, so dürfen der Höhenunterschied, der sich aus der Neigung einer Dachfläche ergibt, und der Höhenunterschied, der sich aus der Neigung der anschließenden Verkehrsfläche oder des anschließenden Geländes ergibt, bis insgesamt höchstens drei Meter gemittelt werden (mittlere Wandhöhe)."

§ 7 Abs. 2 letzter Satz leg.cit. hatte in seiner ursprünglichen Fassung (damals im § 24 Abs. 3 letzter Satz Tiroler Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 10/1972) folgenden Wortlaut:

"Die so ermittelten Wandhöhen dürfen oben und unten

bis zu Höhenunterschieden von höchstens drei Metern gemittelt werden (mittlere Wandhöhe)".

Im Beschwerdefall geht es vor allem um den normativen Inhalt der Wortfolge im § 7 Abs. 2 letzter Satz leg. cit., wonach der Höhenunterschied "bis ingesamt höchstens 3 m gemittelt werden" darf "(mittlere Wandhöhe)". Nach Auffassung der Beschwerdeführer läßt sich die Ermächtigung zur Mittelung der Wandhöhen im § 7 Abs. 2 letzter Satz leg.cit. von vornherein nicht mehr anwenden, wenn die Höhendifferenz 3 m überschreitet; es sei dann die volle (größere) Höhe heranzuziehen. Demgegenüber hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, daß bei unterschiedlichen Wandhöhen auch dann die Ermächtigung zur Mittelung nach § 7 Abs. 2 letzter Satz leg.cit. in Anspruch genommen werden kann, wenn die Höhendifferenz 3 m überschreitet; in diesem Fall sei diese Überschreitung der höchstzulässigen Höhendifferenz von 3 m jenen Wandhöhen zuzuschlagen, die Basis für die Mittelung seien.

Zunächst ist festzuhalten, daß § 7 Abs. 2 leg.cit. ausdrücklich nicht festlegt, daß bei Überschreitung der Höhendifferenz von drei Metern eine Mittelung ausgeschlossen und dann die volle (größere) Höhe der Wand bzw. Gebäudefront für die (einheitliche) Abstandsberechnung heranzuziehen ist. Demgegenüber ergibt sich aber aus § 7 Abs. 2 vierter und letzter Satz leg.cit. ausdrücklich, daß nur dann unterschiedliche Abstände (einer Gebäudefront) zu berechnen sind, wenn es sich dabei um verschieden hohe Gebäudeteile handelt, ist doch (nur) in diesem Fall nach § 7 Abs. 2 vierter Satz leg.cit. die Wandhöhe für jeden Gebäudeteil GESONDERT zu berechnen. Dies bedeutet, daß für eine einheitliche (verschieden hohe) Wand jedenfalls ein einheitlicher Mindestabstand zur Grundgrenze zu errechnen ist. Dies entspricht offensichtlich auch der Systematik des § 7 Abs. 2 leg.cit., der bei einer Wand den gleichen Seitenabstand vorsieht, sofern es sich nicht - wie schon erwähnt wurde - um Gebäudeteile handelt. Dies anerkennen offenbar auch die Beschwerdeführer, wenn sie den einheitlichen Seitenabstand zur Grundgrenze dadurch sicherstellen wollen, daß sie dann die größere Höhe der Wand auch für den Bereich des niedrigeren Teiles der Wand als Berechnungsfaktor heranziehen. Das Erfordernis eines einheitlichen Seitenabstandes pro Wand kann aber ebenso und ohne Widerspruch zum System des § 7 Abs. 2 leg.cit. gesichert werden, wenn man in § 7 Abs. 2 letzter Satz leg.cit. die grundsätzliche Festlegung sieht, daß bei einer Wand eines Gebäudeteiles mit unterschiedlicher Wandhöhe zu mitteln ist. Der - freilich nicht ganz eindeutige - Wortlaut läßt das ohne weiteres zu. Die Auffassung der belangten Behörde begegnet demnach keinen Bedenken und hat den Vorteil, daß sie vom Wortlaut des § 7 Abs. 2 leg.cit. gedeckt ist, während die Annahme der Beschwerdeführer (Heranziehen der vollen (größeren) Höhe) im Wortlaut des § 7 Abs. 2 leg.cit. gerade keinen Niederschlag gefunden hat. Auch die ursprüngliche Fassung des § 7 Abs. 2 leg.cit. (im § 24 Abs. 3 TROG), wonach "die ... WANDHÖHEN ... bis zu Höhenunterschieden von höchstens drei Metern GEMITTELT werden (DÜRFEN)", sowie die Bezeichnung "mittlere Wandhöhe" sprechen für die Rechtsauffassung der belangten Behörde. Der Sachverständige hat daher zu Recht bei Berechnung des Mindestabstandes von der höchsten Wand das Mittel von 3 m im Ausmaß von 1,5 m abgezogen. Er hat im übrigen auch zu Recht am äußersten Ende der östlichen Wandflucht der Nordseite die Messung durchgeführt (§ 7 Abs. 2 dritter Satz TBO).

Aus dieser Sicht ist demnach dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit nicht anzulasten.

4. Die Beschwerdeführer bringen schließlich vor, daß der angefochtene Bescheid auch deshalb rechtswidrig sei, weil entgegen dem Gutachten (auf das sich der Bescheid stütze) die "Balkonbrüstung" sehr wohl bei der Höhenmessung miteinzubeziehen sei. Wie bereits im Vorverfahren festgestellt, handle es sich nicht um einen Balkon im gesetzestechnischen Sinn, sondern in Wirklichkeit um eine auf das zweite Obergeschoß aufgesetzte Terrasse. Diesem Bauteil könne daher die "Balkonbegünstigung" nicht zuerkannt werden; die Gesamthöhe (inklusive Brüstung) sei daher zugrundezulegen. Dabei ergebe sich aber eine mittlere Wandhöhe, nach der der erforderliche Grenzabstand nicht mehr gegeben sei.

Damit sind die Beschwerdeführer im Recht. Der Sachverständige ist nämlich in seinem Gutachten vom im Zusammenhang mit dem Balkonbereich im zweiten Obergeschoß davon ausgegangen, daß die "Einbeziehung der Balkonbrüstungshöhe zur Bestimmung der Wandhöhe nach Meinung des Gefertigten im vorliegenden Fall nicht erfolgen (darf), weil der Balkon (er gilt als offener Balkon als privilegierter Bauteil gemäß § 7 Abs. 5 lit. b TBO) anzusehen ist, der in die Abstandsfläche hineinragen darf". Diese Auffassung steht einerseits im Widerspruch zum hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/06/0005, worin der Verwaltungsgerichtshof dazu folgendes ausgeführt hat:

"Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegt im

gegenständlichen Fall keine bauliche Anlage im Sinne des § 7 Abs. 4 lit. b TBO vor, die nicht in die Mindestabstandsfläche einzurechnen ist. Aus den Planunterlagen und der Baubeschreibung ergibt sich eindeutig, daß sich der "Balkon" auf der Decke des zweiten Obergeschoßes des bestehenden Gebäudes befindet, also eine zurückspringende, begehbare Fläche auf einem Gebäudeteil darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich aber bei den im § 7 Abs. 4 lit. b TBO angeführten baulichen Anlagen durchwegs um VORSPRINGENDE - horizontale oder vertikale - Gliederungen des Gebäudes, denen der Charakter eines Raumes fehlt."

Die Auffassung des Sachverständigen steht demnach im klaren Widerspruch zu diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinaus - und das ist für den Beschwerdefall unmittelbar von Bedeutung - wurde vom Sachverständigen die in diesem Bereich durch die oben unter I. 1. erwähnte Modifikation des Antrages durch die erstmitbeteiligte Partei herbeigeführte Änderung nicht berücksichtigt. Wie nämlich der Baubeschreibung des Bescheides vom zu entnehmen ist, wurde von der erstmitbeteiligten Partei nunmehr "angesucht ..., im

3. Obergeschoß den Balkon an der Nordseite auf Geländerhöhe abzudecken, an der Ost- und Westseite zu den bestehenden Balkonen auf Geländerhöhe geschlossen abzugrenzen sowie die beiden Balkontüren im 3. Obergeschoß an der Nordseite durch Fenster zu ersetzen. In der Fassade der Nordseite wird außer der Abdeckung des bestehenden Balkones keine Änderung vorgenommen." Entgegen den insoweit unzutreffenden Annahmen des Sachverständigengutachtens war daher die "Balkonbrüstungshöhe" zur Bestimmung der Wandhöhe miteinzubeziehen. Bereits die erstmitbeteiligte Partei hat in ihrer Stellungnahme vom zum Gutachten vom auf diese vom Gutachten abweichende Maße ihres Bauansuchens hingewiesen; sie brachte dabei überdies zum Ausdruck, daß sich die Abweichung zum Gutachten ihres Erachtens aus folgendem Grund ergäbe: "Bei der Messung des Geländeverlaufes wurde die westliche Höhe nicht an der eigentlichen Nordwest-Hauskante gemessen, sondern an der Kante des um 2,30 m nach Osten vorspringenden Teils des 1. OG."

Die belangte Behörde hätte sich vor diesem Hintergrund nicht mit der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Feststellung begnügen dürfen, daß "diese Stellungnahme von der Vorstellungsbehörde nicht berücksichtigt zu werden (brauchte), da sie dem vorliegenden Gutachten nicht widerspricht", weil der vorhandene Grenzabstand ohnedies 4,10 m betrage und der von der erstmitbeteiligten Partei angegebene vom Gutachten abweichende Mindestabstand 4,05 m betrage. Sie hätte vielmehr den offenkundigen Widerspruch zwischen dem Gutachten und der Stellungnahme der erstmitbeteiligten Partei zum Anlaß weiterer amtswegiger Feststellungen machen müssen, weil die jeweiligen Ausgangspunkte der Berechnung (Einrechnung/Nichteinrechnung der - ehemaligen - Balkonbrüstung/Messung der westlichen Höhe nicht an der eigentlichen Nordwest-Hauskante, sondern an der Kante des um 2,30 m nach Osten vorspringenden Teils des 1. OG.) nicht deckungsgleich sind.

Der Sachverhalt erweist sich demnach in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG als rechtswidrig aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalkostenersatzbetrag bereits enthalten ist.

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BauO Tir 1989 §7 Abs2;
BauO Tir 1989 §7 Abs5 litb;
BauRallg;
ROG Tir 1972 §24 Abs3;
VwRallg;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1995:1991060189.X00
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Fundstelle(n):
XAAAE-57893