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VwGH vom 05.05.1994, 91/06/0117

VwGH vom 05.05.1994, 91/06/0117

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des N in J, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ. 03-12 Ga 70-91/11, betreffend Kanalanschlußpflicht (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde J, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Mit dem Abgabenbescheid vom hat der Bürgermeister der Marktgemeinde J dem Beschwerdeführer gemäß § 4 des Kanalabgabengesetzes 1955 einen vorläufigen Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben; einleitend wurde in diesem Bescheid zum Ausdruck gebracht, daß für den Beschwerdeführer gemäß § 5 Kanalgesetz 1955 auf Grund des Ausbaues des Ortskanalgesetzes Kanalanschlußpflicht bestünde. Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der Marktgemeinde J die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den Abgabenbescheid vom . Die belangte Behörde behob mit Bescheid vom auf Grund der Vorstellung des Beschwerdeführers den Bescheid des Gemeinderates vom im wesentlichen mit der Begründung, daß vor der Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages ein Bescheid über die Kanalanschlußpflicht gemäß § 4 des Kanalgesetzes 1988 zu ergehen habe.

1.2. Mit Bescheid vom hat der Bürgermeister der Marktgemeinde J den Beschwerdeführer verpflichtet, gemäß § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2, § 4 und § 7 des Kanalgesetzes 1988, LGBl. Nr. 79, eine Hauskanalanlage für sämtliche Schmutzwässer (Hausabwässer) bis spätestens drei Monate nach Rechtskraft des Anschlußverpflichtungsbescheides zu errichten. Weiters wurde im Spruch dieses Bescheides festgelegt, daß diese Hauskanalanlage innerhalb der genannten Frist an den öffentlichen Kanal (Hausanschlußschacht) anzuschließen ist. Begründet wurde dieser Bescheid damit, daß gemäß § 4 des Kanalgesetzes 1988 die Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet seien, die Schmutzwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m betrage. Das Objekt des Beschwerdeführers sei von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m entfernt, sodaß die Anschlußpflicht gegeben sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte darin aus, § 5 Abs. 1 des Kanalgesetzes (gemeint war: 1955) ordne an, daß Bauwerke, die mehr als 50 m vom in Betracht kommenden Kanalstrang entfernt seien, von der Anschlußpflicht ausgenommen seien. Sein Bauwerk sei mehr als 50 m vom Kanal entfernt. § 5 Abs. 4 des Kanalgesetzes (1955) enthalte eine Ausnahme für Schmutzwässer, wenn diese nachweisbar zu Dungzwecken verwendet würden. Er benötige die in seiner mechanischen Kläranlage vorgeklärten Abwässer dringend zur Verdünnung und Beförderung der in seinem Betrieb anfallenden Rindergülle. Durch das Beimischen der Abwässer zur Gülle würden auf natürliche Art und Weise die Schmutzwässer abgebaut, und zwar nicht wie bei der öffentlichen Kläranlage, die ohnedies bereits überfordert sei und wo Chemikalien tonnenweise benötigt würden.

3. Mit Bescheid vom bestätigte der Gemeinderat der Marktgemeinde J den Bescheid des Bürgermeisters vom und wies die Berufung des Beschwerdeführers ab. In der Begründung wies der Gemeinderat darauf hin, er habe festgestellt, daß die Liegenschaft des Beschwerdeführers laut Lageplan im Verpflichtungsbereich gemäß § 4 Abs. 1 des Kanalgesetzes 1988 liege; die Schmutzwässer seien daher in den Ortskanal einzuleiten.

4. Gegen den Bescheid des Gemeindesrates der Marktgemeinde

J vom erhob der Beschwerdeführer Vorstellung; darin führte er im wesentlichen aus, ihm sei im Jahre 1988 zugesagt worden, daß zwar ein Kanal errichtet werde, aber kein Anschlußzwang bestünde. Der Beschwerdeführer könne weiterhin seine Hausabwässer und Fäkalwässer zur Gülleverdünnung verwenden. Er habe jedoch die Anschlußgebühr zu bezahlen. Bei Errichtung seines Hauses sei ihm versichert worden, daß in seinem Bereich kein Kanal gebaut werde. Aus diesem Grund habe er eine mechanische Kläranlage mit einem Dreikammersystem errichtet, um eine ordnungsgemäße Entsorgung und Verwendung der Fäkal- und Schmutzwässer zu erreichen. Im übrigen liege der für ihn in Betracht kommende Hauptkanalschacht mehr als 50 m von seinem Anwesen entfernt; Nach dem für ihn in Frage kommenden § 5 Kanalgesetz (1955) sei daher eine Anschlußpflicht nicht gegeben. Andere, von der Gemeinde in Betracht gezogene Anschlußschächte kämen aus technischen Gründen nicht in Betracht. Er weise im übrigen darauf hin, daß seine im Haus anfallenden Fäkal- und Schmutzwässer in seiner mechanischen Kläranlage vorgeklärt würden. Von dort fließe das vorgeklärte Wasser in eine Sammelgrube, wo auch das Mistwasser der Düngerstätte gesammelt werde. Von dieser Sammelgrube werde bei Bedarf das Düngematerial in die Schwemmkanäle des Entmistungssystems gepumpt, um den dort lagernden Festmist in die große Güllegrube zu transportieren. Dieses Schwemmsystem funktioniere nur bei entsprechend vorhandenen Wassermengen. Die erforderlichen Wassermengen seien die vorgeklärten Abwässer. Sein landwirtschaftlicher Betrieb umfasse 28 ha. Darauf könne Gülle ausgebracht werden. Laut § 5 Abs. 4 des Kanalgesetzes, das vor dem in Kraft gewesen sei, könnten Schmutzwässer für Düngezwecke verwendet werden.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers mangels Verletzung von Rechten als unbegründet abgewiesen. Sie begründete ihren Bescheid im wesentlichen damit, daß gemäß § 4 Abs. 1 des Kanalgesetzes 1988 in Gemeinden, in denen öffentliche Kanalanlagen betrieben oder errichtet werden, die Eigentümer von bebauten Grundstücken u.a. dann verpflichtet seien, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten für die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, wenn die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m betrage. Nach § 4 Abs. 5 leg.cit. seien Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 von der Baubehörde für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 leg.cit. gewährleistet sei und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entstünde. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliege dem Ausnahmewerber. Die Ausnahmen seien mit Beschränkung auf eine bstimmte Zeitdauer oder gegen Widerruf zu erteilen. Der Kreis der der Anschlußverpflichtung unterliegenden Liegenschaften sei durch das Kanalgesetz 1988 gegenüber jenem des Kanalgesetzes 1955 wesentlich erweitert worden, da die Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang von 50 m auf 100 m erhöht worden sei. Hinsichtlich der Anschlußverpflichtung sei keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Des weiteren sei die Bestimmung weggefallen, daß eine Ausnahme dann gewährt werden könne, wenn die Schmutzwässer zu Dungzwecken benötigt würden. Ein vom Beschwerdeführer vorgelegtes Gutachten beziehe sich auf das Kanalgesetz 1955, sodaß es dem gegenständlichen Verfahren nicht zugrunde gelegt bzw. nicht verwertet werden könne. Das Kanalgesetz 1988 sei am in Kraft getreten und lasse eine Ausnahme nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Daß ein derartiger Ausnahmetatbestand vorliege, sei vom Beschwerdeführer nicht nachgewiesen worden. Darüber hinaus sei anzumerken, daß die häuslichen Abwässer landwirtschaftlicher Anwesen qualitativ und quantitativ keinen grundsätzlichen Unterschied zu Siedlungsabwässern aufwiesen und daher hinsichtlich Reinigung und Beseitigung denselben Kriterien unterlägen. Die gemeinsame Entsorgung mit Stallabwässern (Jauche und Gülle) im Rahmen der üblichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung könne nach dem Stand der Technik grundsätzlich nicht mehr vertreten werden, weil die Inhaltsstoffe häuslicher Abwässer (Tenside, Haushaltschemikalien, Abfälle) infolge der zivilisatorischen Entwicklung deren Düngewert in Frage stellten und auch eine Gefährdung von Boden und Grundwasser bewirken würden.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Befreiung von der Kanalanschlußpflicht gemäß § 4 Abs. 5 Kanalgesetz 1988 verletzt. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Seine Beschwerde begründet der Beschwerdeführer im wesentlichen damit, daß der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde J vom ohne gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren ergangen sei. Wenn überhaupt, seien dem Bescheid vom Ermittlungsergebnisse aus dem Verfahren über die Festsetzung des Kanalisationsbeitrages aus dem Jahre 1988 zugrunde gelegt worden. Im Jahre 1988 habe sich aber die Rechtslage für die Kanalanschlußpflicht zum Nachteil des Beschwerdeführers geändert. Im Kanalgesetz 1988 seien zahlreiche Ausnahmebestimmungen, auf die sich der Beschwerdeführer bereits im Berufungsverfahren gegen den Abgabenbescheid vom berufen habe, gestrichen worden. Durch diese Verfahrensverletzung (Unterlassen des Ermittlungsverfahrens) sei dem Beschwerdeführer das Recht verwehrt worden, ein Vorbringen im Sinne der neuen Ausnahmebestimmungen des § 4 Abs. 5 Kanalgesetz 1988 zu erstatten und entsprechende Beweise anzubieten. Eine weitere Verfahrensverletzung bestünde darin, daß die Behörde erster Instanz entgegen der Vorschrift des § 13a AVG den unvertretenen Beschwerdeführer nicht über die Möglichkeit/Notwendigkeit eines Vorbringens bzw. Beweisanbotes im Sinne des § 4 Abs. 5 Kanalgesetz 1988 belehrt habe. Diese Verletzung der Manuduktionspflicht der Behörde erster Instanz wiege umso schwerer, weil es sich dabei um dieselbe Behörde handle, die im Verfahren nach dem Kanalabgabegesetz Kenntnis davon erhalten habe, daß sich der Beschwerdeführer dort auf Ausnahmebestimmungen nach dem damals geltenden Kanalgesetz 1955 berufen habe. Es sei dem unvertretenen Beschwerdeführer keineswegs zuzumuten gewesen, die ins Gewicht fallenden Änderungen der Ausnahmeregelungen zur Kanalanschlußpflicht im Kanalgesetz 1988 zu erkennen und die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen abzuschätzen. Das gesamte dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verfahren mache deutlich, daß die Unterinstanzen den Beschwerdeführer im falschen Glauben belassen hätten, die Ausnahmebestimmungen des Kanalgesetzes 1955 würden weiterhin gelten. Erst durch den angefochtenen Bescheid habe der Beschwerdeführer von der Notwendigkeit des bestimmten Vorbringens nach § 4 Abs. 5 Kanalgesetz 1988 als Voraussetzung für eine Befreiung von der Kanalanschlußpflicht erfahren. Aus dem Bescheid vom ginge überdies hervor, daß Grundlage für diesen Bescheid das Ergebnis einer mündlichen Verhandlung vom gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei aber das Kanalgesetz 1955 noch in Kraft gewesen; die neuen Ausnahmebestimmungen des Kanalgesetzes 1988 für Kanalanschlußbefreiungen seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft gewesen. Für den Fall, daß der Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom als ein Bescheid im Sinne des Kanalgesetzes 1955 gewertet werden sollte, mit dem bereits erstmalig die Kanalanschlußpflicht rechtswirksam ausgesprochen worden sei, werde auch die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bekämpft. In diesem Fall hätte der Beschwerdeführer nämlich mit seiner Berufung gegen den Abgabenbescheid vom eine Berufung im Sinne des § 9 Abs. 2 Kanalgesetz 1988 anhängig gemacht; damit fände aber das Kanalgesetz 1955 für die Frage der Kanalanschlußpflicht Anwendung und der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende erstinstanzliche Bescheid wäre wegen seiner auf § 4 Kanalgesetz 1988 aufbauenden Rechtsgrundlage auch dem Inhalt nach rechtswidrig.

1.1. Im Zusammenhang mit der Frage, ob nicht eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides deshalb gegeben ist, weil bereits durch den Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom über die Kanalanschlußpflicht rechtswirksam abgesprochen wurde, ist anzumerken, daß darauf deshalb nicht eingegangen zu werden braucht, weil mit der Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom mit einer auch für den Verwaltungsgerichtshof bindenden Wirkung entschieden worden ist, daß im Abgabenbescheid vom bzw. mit dem darauf aufbauenden Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde J vom eine Kanalanschlußpflicht nicht ausgesprochen wurde. Der Beschwerdeführer hat es - wie sich aus den von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - unterlassen, den Bescheid der belangten Behörde vom zu bekämpfen, sodaß diese Bindungswirkung als tragender Teil des Bescheides der belangten Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde eingetreten ist. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß schon die Bezeichnung als Abgabenbescheid bzw. die in diesem Bescheid angeführten Rechtsgrundlagen eindeutig zum Ausdruck bringen, daß der Abgabenbescheid vom lediglich über einen (vorläufigen) Kanalisationsbeitrag und nicht auch über die Kanalanschlußpflicht abgesprochen hat.

2. Das Kanalgesetz 1988, LGBl. Nr. 79, ist gemäß § 10 leg. cit. mit dem auf seine Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft getreten. Die Kundmachung im Landesgesetzblatt erfolgte am , das Kanalgesetz 1988 ist daher am wirksam geworden. Es ist demnach im Beschwerdefall, der ausschließlich die Kanalanschlußpflicht des Grundstückes des Beschwerdeführers betrifft, nicht mehr das Kanalgesetz 1955, sondern das Kanalgesetz 1988 anzuwenden.

Gemäß § 4 Abs. 1 Kanalgesetz 1988 sind Eigentümer von bebauten Grundstücken verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m beträgt. § 4 Abs. 5 leg.cit. ordnet an, daß Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 von der Baubehörde für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen sind, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 leg.cit. gewährleistet ist und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliegt dem Ausnahmewerber. Die Ausnahmen sind mit Beschränkung auf eine bestimmte Zeitdauer oder gegen Widerruf zu erteilen.

2.1. Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, daß die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Kanalgesetz 1988 über den grundsätzlichen Anschlußzwang hinsichtlich der Liegenschaft des Beschwerdeführers offenbar zutrifft. Dies hat umsomehr zu gelten, als der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde diesbezüglich nichts mehr vorbringt. Die Gemeindebehörden und damit die Vorstellungsbehörde hatten daher lediglich zu prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand gegeben ist. Während § 5 des Kanalgesetzes 1955, LGBl. Nr. 70, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 165/1968, nach seinem Absatz 4 noch Ausnahmen von der Anschlußverpflichtung bei Schmutzwässern vorsah, wenn diese nachweisbar zu Dungzwecken benötigt wurden, ist diese ausdrücklich Dungzwecke betreffende Ausnahmebestimmung im § 4 des Kanalgesetzes 1988 nicht mehr vorgesehen. Vielmehr ist im Absatz 5 - wie erwähnt - eine allgemeine Ausnahmebestimmung für den Fall der schadlosen Entsorgung der Abwässer normiert. Aus dem Fehlen einer Ausnahmebestimmung des Kanalgesetzes 1955 im nunmehr anzuwendenden Kanalgesetz 1988 ist die Absicht des Gesetzgebers erkennbar, nicht grundsätzlich deshalb eine Ausnahme von der Einleitungsverpflichtung zuzulassen, weil Schmutzwässer nachweisbar zu Düngezwecken benötigt werden. Andererseits geht aber aus der allgemeinen Formulierung des § 4 Abs. 5 des Kanalgesetzes 1988, wonach entscheidend ist, ob die anfallenden Schmutzwässer in einer den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Weise abgeleitet oder sonst entsorgt werden können, auch nicht hervor, daß im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände die Aufbringung häuslicher Abwässer nicht doch als schadlos angesehen werden kann (vgl. dazu allgemein das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 91/06/0230, AW 91/06/0069). Bedeutsam ist dabei aber auch, daß das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Kanalanschlußpflicht vom Ausnahmewerber nachzuweisen ist.

Im Beschwerdefall ist demnach zu prüfen, ob diesen normativen Anforderungen des Kanalgesetzes 1988 entsprochen worden ist.

2.2. Vom Beschwerdeführer wurden im Verwaltungsverfahren keine Nachweise für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Kanalanschlußpflicht gemäß § 4 Abs. 5 Kanalgesetz 1988 vorgelegt; vielmehr hat er sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen des (nicht mehr geltenden) § 5 Abs. 4 Kanalgesetz 1955 berufen. Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht; er behauptet aber, daß seiner Auffassung nach der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters vom ohne gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren erging bzw. daß diesem Bescheid Ermittlungsergebnisse aus dem Verfahren über die Festsetzung des Kanalisationsbeitrages aus dem Jahre 1988 zugrunde gelegt worden seien; im Zusammenhang damit sieht der Beschwerdeführer eine Verletzung der gemäß § 13a AVG anzunehmenden Belehrungspflicht durch die belangte Behörde als gegeben an. Wegen dieser Verfahrensverletzung sei es ihm nämlich verwehrt worden, ein Vorbringen im Sinne der neuen Ausnahmebestimmungen des § 4 Kanalgesetz 1988 zu erstatten und entsprechende Beweise anzubieten.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht. Gemäß § 13a AVG hat nämlich die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.

Zu prüfen ist zunächst, ob es sich bei § 4 Abs. 5 vorletzter Satz Kanalgesetz 1988, wonach der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 dem Ausnahmewerber obliegt, um Regelungen handelt, die von § 13a AVG erfaßt sind, d.h. ob es sich dabei um gesetzliche Bestimmungen handelt, die Grundlage für Verfahrenshandlungen des Beschwerdeführers sein hätten können. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß das AVG vom Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht ist. Dies bedeutet, daß die Behörde von Amts wegen den maßgeblichen Sachverhalt zu erarbeiten hat. § 4 Abs. 5 vorletzter Satz Kanalgesetz 1988 enthält nun eine davon abweichende Regelung, da sie die Beweispflicht - als Ausnahme vom Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens - dem Ausnahmewerber, also dem Beschwerdeführer, im Beschwerdefall überträgt (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer solchen Regelung vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom ); bei § 4 Abs. 5 vorletzter Satz Kanalgesetz 1988 handelt es sich demnach nicht um eine Angelegenheit in der Sache selbst, sondern um eine verfahrensrechtliche Angelegenheit, auf die sich die Belehrungspflicht nach § 13a AVG erstreckt (vgl. dazu allgemein Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 178 f., und die dort zitierte hg. Judikatur). Daß der Beschwerdeführer im Verfahren vor den Gemeindebehörden unvertreten war, ergibt sich aus der Aktenlage. Spätestens mit dem Einlangen der Berufung wäre es Pflicht des Gemeinderates der Marktgemeinde J gewesen, den Beschwerdeführer gemäß § 13a AVG darüber zu belehren, daß er gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz Kanalgesetz 1988 den Nachweis für das Vorliegen einer Ausnahmebewilligung zu erbringen hat. Dies gilt umsomehr, als der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen gegenüber den Gemeindebehörden durchwegs davon ausgegangen ist, daß in seinem Fall noch das Kanalgesetz 1955 gilt.

Da die belangte Behörde diesen Mangel des Berufungsverfahrens verkannt hat, ist der angefochtene Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodaß auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht eingegangen werden mußte. Er ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.