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VwGH vom 05.05.1994, 91/06/0101

VwGH vom 05.05.1994, 91/06/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Stadtgemeinde X, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ. 03-12 La 61-91/1, betreffend Behebung einer Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Kongregation der S 2. B in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem Bescheid vom hat der Bürgermeister der Stadtgemeinde X gemäß den §§ 2 und 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 die von Josef L. beantragte Widmungsänderung (Teil einer Kleingarage zu Tischlerwerkstätte) bewilligt sowie die Teilfläche des Grundstückes Nr. 515, KG X, im Ausmaß von 68 m2 (zum Zwecke der Errichtung eines Zubaues zu einer bestehenden Tischlerwerkstätte) zu einem Bauplatz gewidmet. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß das Grundstück bereits mit einer Doppelgarage bebaut sei; zwischen dem Hauptgebäude und der Doppelgarage befinde sich ein unbebauter Streifen von 4,28 m, auf dem die Errichtung des Werkstättenzubaues geplant sei. Der (neue) Bauplatz liege nach dem Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde X im "Allgemeinen Wohngebiet". Der Zubau stelle eine Verbesserung der derzeitigen Situation dar. Von der zweitmitbeteiligten Partei sei bei der mündlichen Verhandlung die Einhaltung der Abstandsbestimmungen gefordert worden; sie und auch die erstmitbeteiligte Partei hätten weiters Bedenken wegen bereits gegebener und noch zu erwartender Geruchs- und Lärmbelästigungen geäußert. Im Zusammenhang mit den Abstandsbestimmungen sei darauf hinzuweisen, daß der Werkstättenzubau in geschlossener Bauweise ohne Abstand an das bestehende Lagerraumobjekt angebaut werde. Hinsichtlich der Lärm- und Geruchsbelästigungen werde auf das noch durchzuführende gewerbebehördliche Verfahren verwiesen. Durch den Einbau einer Entlüftungsanlage werde gegenüber dem Ist-Zustand ein vergrößerter Emissionsschutz erreicht.

2. Gegen diesen Bescheid erhoben die erstmitbeteiligte und die zweitmitbeteiligte Partei Berufung.

Die erstmitbeteiligte Partei begründete ihre Berufung im wesentlichen damit, daß das Grundstück Nr. 515 im Flächenwidmungsplan als "Allgemeines Wohngebiet" ausgewiesen sei. Im "Allgemeinen Wohngebiet" dürften Betriebe nur dann errichtet werden, wenn sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen der Bewohner verursachen. Eine Tischlerwerkstätte sei daher unzulässig. Es sei unrichtig, daß durch den Zubau eine Verbesserung der derzeitigen Situation herbeigeführt werde. Es handle sich nämlich um eine nicht unbeträchtliche Erweiterung der Tischlerwerkstätte, weil nicht nur die zwischen der Garage und der bestehenden Werkstätte befindliche Fläche des Grundstückes Nr. 515 verbaut werde, sondern auch geplant sei, den rückwärtigen Teil der Garage in eine Werkstätte umzuwandeln. Es liege demnach ein Neubau (wenn auch nur in Form eines Zubaues) und die Zweckänderung eines bereits bestehenden Gebäudes vor. Es könne daher nicht von baulichen Maßnahmen im Sinne des § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 gesprochen werden. Nach dem Text dieser Gesetzesstelle könnten dabei nur Umbauten im weitesten Sinn, aber nicht Neubauten und auch nicht die Zweckänderung eines bestehenden Gebäudes gemeint sein. Eine Widmungsbewilligung dürfe schon dann nicht erteilt werden, wenn sie dem Flächenwidmungsplan widerspreche. Der Bescheid vom stünde zweifellos im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde X und sei daher im Sinne des § 32 Abs. 1 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 rechtswidrig.

Die zweitmitbeteiligte Partei erhob mit der Begründung Berufung, daß sie seit über 30 Jahren einen Hotelbetrieb mit Komfortzimmern führe, die auf das nunmehr zu bebauende Grundstück ausgerichtet seien. Josef L. benütze die bereits bestehende Garage, die nun zu einer Tischlerwerkstätte umgewidmet werde, immer wieder für Tischlerarbeiten. Auf Grund der starken akustischen Geräusche und Geruchsentwicklungen komme es ständig zu Beschwerden von Hotelgästen. Bereits bei der mündlichen Verhandlung sei auf diese Mißstände und ständigen Belästigungen hingewiesen worden. Nach § 4 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sei jedenfalls darauf Bedacht zu nehmen, daß dann, wenn der Verwendungzweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarschaft erwarten ließe, ein genügend großer Abstand zu den gefährdeten Liegenschaften festzusetzen sei. Bisher sei für den im Widmungsbewilligungsbescheid nunmehr vorgesehene Verwendungszweck ("alle einschlägigen Tischlerarbeiten") eine Bewilligung nicht vorgelegen; es sei daher durch eine derartige Neuwidmung eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung sowie eine essentielle Gefährdung der Nachbarschaft zu erwarten. Die Widmungsbewilligung hätte daher schon deshalb nicht erteilt werden dürfen, da kein genügend großer Abstand zur Nachbarschaft gegeben sei. Es sei unrichtig, daß lediglich im gewerberechtlichen Verfahren auf die Geruchs- und Lärmbelästigung einzugehen sei; darauf sei bereits anläßlich der Widmung und der Änderung des Verwendungszweckes Bedacht zu nehmen.

3. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde X wies diese Berufungen mit dem Bescheid vom als unbegründet ab. Der Berufungsbescheid wurde - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Belang ist - im wesentlichen damit begründet, daß von der erst- und zweitmitbeteiligten Partei bereits im erstinstanzlichen Verfahren Einwendungen hinsichtlich der Geruchs- und Lärmbelästigungen erhoben worden seien; deshalb habe die Berufungsbehörde eine Verfahrensergänzung durch Einholung eines Lärmgutachtens und einer amtsärztlichen Stellungnahme vorgenommen. Als Ergebnis sei festzuhalten, daß durch die nunmehr vorgesehenen baulichen Maßnahmen eine Verringerung der derzeit bestehenden Lärmimmissionen eintreten würde, sodaß die baulichen Maßnahmen beim bestehenden Tischlereibetrieb gemäß § 23 Abs. 15 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 zulässig seien. Entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Parteien handle es sich im verfahrensgegenständlichen Fall nicht um einen Neubau eines Gewerbebetriebes im "Allgemeinen Wohngebiet", sondern um einen Werkstättenumbau eines seit langem bestehenden Tischlereibetriebes. Nach den Feststellungen des Amtsarztes sei eine unzumutbare Belastung für die Umgebung nicht zu erwarten.

4.1. Gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde X erhob die erstmitbeteiligte Partei Vorstellung und begründete sie im wesentlichen damit, daß das Grundstück Nr. 515 auf Grund des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde X als "Allgemeines Wohngebiet" ausgewiesen sei. Gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 seien jene Flächen als "Allgemeines Wohngebiet" festzulegen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt seien, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen, errichtet werden dürften, soweit es sich nicht um Betriebe handle, die dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen. Daß eine Tischlerwerkstätte Belästigungen verursachen könne und auch verursache und außerdem nicht für die Erfüllung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner eines bestimmten Gebietes erforderlich sei, brauche nicht besonders betont zu werden. Auch die Ausnahmeregelung nach § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 komme nicht zum Tragen, weil es zu einer wesentlichen Erweiterung der bestehenden Tischlerwerkstätte komme. Der vorgesehene beträchtliche Um- und Zubau könne nicht als bauliche Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 angesehen werden; darunter könne man schon nach dem Sprachgebrauch nur Maßnahmen am bestehenden Gebäude verstehen. Im vorliegenden Fall werde außerdem ein bestehendes Gebäude für einen anderen Zweck umgewidmet. Die durch das vorgesehene Bauprojekt eintretenden Verbesserungen könnten auch bereits im bestehenden Werkstättengebäude erreicht werden. Es sei zu befürchten, daß die Tischlerwerkstätte durch den geplanten Ausbau und die damit verbundene Vergrößerung in Hinkunft für das Haus der erstmitbeteiligten Partei, das für Exerzitien und Erholungsaktionen benützt werde, noch größere Belästigungen verursachen werde als bisher. Auch der Abstand der Werkstätte zu ihrem Haus werde wesentlich verringert. Es stünde außer Zweifel, daß ihre aus § 23 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 ableitbaren subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt würden. Im Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde X werde nicht einmal der Versuch gemacht, die bereits vorgebrachten Argumente zu entkräften. Die erteilte Bewilligung widerspreche demnach dem Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde X und sei daher mit Nichtigkeit bedroht.

4.2. Die zweitmitbeteiligte Partei erhob ebenfalls Vorstellung und begründete sie - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Belang ist - im wesentlichen damit, daß das Gutachten des Lärmsachverständigen unschlüssig, nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich sei; es gebe darüber hinaus auch nicht Auskunft über die angewendeten Normen und Richtlinien. Es sei auch nicht erkennbar, mit welchen Meßgeräten die Lärmpegelmessungen durchgeführt worden seien. Das Gutachten treffe keinerlei Feststellungen darüber, welcher Grundgeräuschpegel tatsächlich im gegenständlichen Fall gegeben sei und wieweit er überschritten werde. Auch über den zulässigen Spitzenpegel seien darin keine Angaben enthalten. Es sei auf die ÖAL-Richtlinie Nr. 3 sowie auf die Ö-Norm B 8115, Teile 1 bis 3 (Schallschutz- und Raumakustik im Hochbau) sowie auf die Ö-Norm S 5004 (Messung von Schallimmissionen) zu verweisen. Die amtsärztliche Stellungnahme sei ebenfalls untauglich und ungeeignet, eine Grundlage für den Widmungsbewilligungsbescheid zu bilden. Es sei nicht eine eventuell zu erwartende Gesundheitsgefährdung durch den Sachverständigen zu beurteilen gewesen, sondern die Frage, ob die Erweiterung des Tischlereibetriebes geeignet sei, Emissionen hervorzurufen, welche geeignet seien, Belästigungen der Gäste der umliegenden Beherbergungsbetriebe hervorzurufen. Es wäre jedenfalls erforderlich gewesen, ein weiteres Sachverständigengutachten hinsichtlich der Lärmbelästigungen einzuholen und hinsichtlich der zu erwartenden Geruchsbelästigungen ebenfalls einen Ortsaugenschein unter Beiziehung eines Sachverständigen durchzuführen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom behob die belangte Behörde den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde X vom wegen Verletzung von Rechten der erst- und zweitmitbeteiligten Partei und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde X. Ihren Bescheid begründete die belangte Behörde im wesentlichen damit, daß die Ansicht des Gemeinderates, § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 komme im Beschwerdefall zur Anwendung, rechtswidrig sei. Die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 15 leg.cit. hänge u.a. davon ab, ob sich ein bestehender Betrieb in einem Wohngebiet befinde. Festzuhalten sei zunächst, daß sich nach der Aktenlage auf dem Grundstück Nr. 515 der KG X kein "bestehender Betrieb" befinde, sondern nur ein Objekt mit dem Verwendungszweck "Garage". Der bestehende Betrieb befinde sich vielmehr auf dem Grundstück Nr. 272 der KG X. Im Flächenwidmungsplan sei dieses Grundstück als Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet ausgewiesen und schließe an das verfahrensgegenständliche Widmungsgrundstück an. Die Gebäudefront des bestehenden Betriebes befinde sich genau an der Grundgrenze zum verfahrensgegenständlichen Grundstück. Zwischen dem bestehenden Betrieb und dem geplanten Bauvorhaben verlaufe die Widmungsgrenze nach dem Flächenwidmungsplan. Der Begriff "Wohngebiet" im Sinne des § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 finde sich in den Bestimmungen des § 23 Abs. 5 lit. a und b leg.cit. Danach seien unter "Wohngebiete" Flächen zu verstehen, die ausschließlich oder vornehmlich für Wohnbauten bestimmt seien. Dem Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet komme hingegen der Charakter eines Wohngebietes im Sinne des § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 nicht zu, obgleich in dieser Baugebietskategorie auch eine Wohnfunktion möglich sei; dies komme dadurch zum Ausdruck, daß in dieser Widmungskategorie auch die "erforderlichen Wohngebäude" errichtet werden könnten. Würde allein daraus jedoch auf das Vorliegen eines Wohngebietes geschlossen werden, müßte absurderweise Gleiches beispielsweise auch für das Industrie- und Gewerbegebiet I gelten, da auch in dieser Widmungskategorie gemäß § 23 Abs. 5 lit. d Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 die "erforderlichen Wohnungen" errichtet werden könnten. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einer Gebietskategorie um ein Wohngebiet handle oder nicht, sei daher der gesetzgeberische Wille, wofür die Fläche "bestimmt" sei. Demnach könnten Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete wie auch beispielsweise Industriegebiete nicht als Wohngebiete qualifiziert werden; daraus folge - im Gegensatz zur Auffassung des Gemeinderates -, daß sich der bestehende Betrieb nicht in einem Wohngebiet im Sinne des § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 befinde; bereits aus diesem Grund sei die Anwendbarkeit dieser Gesetzesstelle nicht gegeben. Wenn aber § 23 Abs. 15 leg.cit. nicht anwendbar sei, habe sich die Beurteilung hinsichtlich der zu erwartenden Lärm- und Geruchsbelästigungen nach den Bestimmungen des § 61 Abs. 2 lit. k in Verbindung mit § 4 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 zu richten. Nach § 61 Abs. 2 lit. k leg.cit. besitze der Nachbar einen subjektiv-öffentlichen Rechtsanspruch auf Nichtüberschreiten der ortsüblichen Belastungen durch Immission. Gemäß § 4 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung 1968 habe die Baubehörde größere Abstände als die im Abs. 1 leg.cit. festgelegten dann festzusetzen, wenn der Verwendungszweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung erwarten lasse. Diese Festsetzung habe in der Widmungsbewilligung zu erfolgen, weil der Nachbar bereits im Widmungsverfahren einen Anspruch auf die Einhaltung der Bestimmungen über die gesetzlichen Abstände besitze; es dürfe keine Widmung bewilligt werden, die die Einhaltung dieser Bestimmungen im Baubewilligungsverfahren unmöglich machen würde bzw. werde auch in der für die Erteilung der Widmungsbewilligung maßgebenden Bestimmung des § 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sinngemäß auf § 61 leg.cit. verwiesen. Das ortsübliche Ausmaß einer Belästigung sei naturgemäß je nach der Umgebung der Örtlichkeit verschieden. In dieser Hinsicht sei von der festgesetzten Widmung des Flächenwidmungsplanes auszugehen. Bei Beantwortung der Frage, welche Belästigungen ein bestimmter Verwendungszweck mit sich bringe, habe die Behörde einen technischen und einen medizinischen Sachverständigen beizuziehen. Sache des technischen Sachverständigen sei es, über das Ausmaß der zu erwartenden Emissionen und ihrer Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliege, seine Meinung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen, aber insbesondere zu prüfen, ob eine das örtliche zumutbare Maß übersteigende Gefährdung oder Belästigung zu erwarten sei; die Beurteilung von Lärmimmissionen - aber auch von Geruchseinwirkungen - sei auf das gesamte Nachbargrundstück, also auch auf den Bereich an der Grundgrenze zu beziehen. Zuvor aber habe die Baubehörde generell zu prüfen, ob die Zulässigkeit des Verwendungszweckes an sich mit der gegebenen Flächenwidmung ("Allgemeines Wohngebiet") vereinbar sei; erst dann, wenn diese Vereinbarkeit gegeben sei (Betriebstypenprüfung), habe die Behörde zu prüfen, ob dieses bauliche Vorhaben eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung erwarten lasse und bejahendenfalls größere Abstände festzulegen; bestünde keine Möglichkeit, größere Abstände festzulegen, wäre die Abweisung des Widmungsansuchens unvermeidlich. Der Gemeinderat habe abweichend von diesen dargestellten Grundsätzen lediglich Gutachten eingeholt, um die Emissionswirkungen im Sinne des in diesem Verfahren nicht anzuwendenden § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 abzuklären. Dabei sei der bestehende Betrieb sowie die geplante Umstellung von einzelnen Maschinen, die vorgesehene Isolierung der Decke und der erwähnte Zubau berücksichtigt worden. Es handle sich hiebei jedoch um Details der angestrebten Bauführung, auf die es im Widmungsverfahren nicht ankomme; es sei die Zulässigkeitsprüfung im Sinne der Vereinbarkeit des angestrebten Verwendungszweckes mit der gegebenen Flächenwidmung sowie die gutachtliche Prüfung im Sinne des § 61 Abs. 2 lit. k in Verbindung mit § 4 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 - nach vorheriger Feststellung der Vereinbarkeit mit der Flächenwidmung - unterlassen worden. Durch diese Unterlassung der Einholung von für das Widmungsbewilligungsverfahren erforderlichen Gutachten werde der angefochtene Bescheid mit einem - durch die unrichtige rechtliche Beurteilung in bezug auf den § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 bedingten - wesentlichen Verfahrensmangel belastet, weil nicht festgestellt werden könne, ob das subjektiv-öffentliche Nachbarrecht im Sinne des § 61 Abs. 2 lit. k der Steiermärkischen Bauordnung 1968 nun tatsächlich verletzt worden sei oder nicht bzw. weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Behörde bei ordnungsgemäßer Gutachtenserstellung zu einem 6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde sieht sich in dem ihr im Rahmen des eigenen Wirkungsbereich eingeräumten Recht verletzt, die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, insbesondere der örtlichen Baupolizei, in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, wonach im Beschwerdefall § 23 Abs. 15 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 nicht anwendbar sei, weil sich auf dem Grundstück Nr. 515 kein "bestehender Betrieb" befinde. § 23 Abs. 15 leg.cit. enthalte - so die Beschwerdeführerin - keine Definition des Begriffes "Betrieb". Unter dem Begriff "Betrieb" sei eine organisatorische Einheit zu verstehen, die nicht nur ein Hauptgebäude als Betriebsanlage umfasse, sondern auch sonstige zum Betrieb gehörige Flächen und Nebengebäude. Das Grundstück Nr. 515 stelle eine Manipulationsfläche für den Gesamtbetrieb dar; auch die auf diesem Grundstück errichtete Garage diene betrieblichen Zwecken. Es sei daher davon auszugehen, daß sich der Gesamtbetrieb teils im "Allgemeinen Wohngebiet", teils im "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" befinde, sodaß im Rahmen der rechtlichen Beurteilung § 23 Abs. 15 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 anzuwenden sei. Die die Anwendung des § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 ablehnende Rechtsauffassung der belangten Behörde sei äußerst restriktiv und stünde im Widerspruch zum Sinn dieser Gesetzesstelle. Nach den Erläuternden Bemerkungen sollte durch § 23 Abs. 15 leg.cit. die Möglichkeit geschaffen werden, daß sich Betriebe den wirtschaftlichen Bedürfnissen insofern anpassen könnten, als mit der Anpassung eine Verbesserung des Emissionsschutzes im Sinne der ausgewiesenen Nutzung eintrete. Da eine Verringerung der Emissionen in erster Linie dem Schutz der Nachbarn diene, liege es letztlich auch in deren Interesse, wenn durch bauliche Maßnahmen eine Verbesserung der Umweltsituation eintrete. Nach der Lehre sei zu beachten, daß ein innerer Aufbau zwischen § 23 Abs. 5 lit. a, b und c des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 bestünde. Folge man dieser Interpretation, sei § 23 Abs. 15 leg.cit. auch für bestehende Betriebe in Kern-, Büro- und Geschäftsgebieten anwendbar. Da nach Auffassung der Beschwerdeführerin die belangte Behörde zu Unrecht von der Nichtanwendbarkeit des § 23 Abs. 15 leg.cit. ausgegangen sei, habe sie auch zu Unrecht weitere gutachtliche Prüfungen als notwendig angesehen und deren Unterlassung gerügt.

1.1. Gemäß § 23 Abs. 5 lit. b des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, in der (im Beschwerdefall maßgeblichen) Fassung der Novelle

LGBl. Nr. 15/1989, sind "allgemeine Wohngebiete" Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen

(z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können. "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete" sind gemäß § 23 Abs. 5 lit. c leg.cit. Flächen, die vornehmlich für Verwaltungsgebäude, Büro- und Kaufhäuser, Hotels, Theater, Kirchen, Versammlungsräume, Gast- und Vergnügungsstätten u.dgl. bestimmt sind, wobei auch die erforderlichen Wohngebäude und Garagen in entsprechender Verkehrslage sowie Betriebe, die sich der Eigenart des Büro- und Geschäftsgebietes entsprechend einordnen lassen und keine diesem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen verursachen, errichtet werden können. Nach § 23 Abs. 15 leg.cit. sind bei bestehenden Betrieben in Wohngebieten bauliche Maßnahmen zulässig, wenn dadurch eine Verringerung der Emissionen erreicht wird.

1.2. Der belangten Behörde ist Recht zu geben, wenn sie im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertritt, daß mit dem Wort "Wohngebieten" im § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 die Widmungskategorien "Wohngebiete" nach § 23 Abs. 5 lit. a leg.cit. ("reine Wohngebiete") und § 23 Abs. 5 lit. b leg.cit. ("allgemeine Wohngebiete") gemeint sind. Dies ergibt sich auch aus den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle 1985 zu § 23 Abs. 15 leg.cit., wonach sich in der Praxis immer wieder zeige, daß sich in Wohngebieten Betriebe befinden, die nach der zwischenzeitlich festgelegten Nutzung eigentlich in das Industrie- und Gewerbegebiet gehören (vgl. dazu Hauer, Das Steiermärkische Baurecht, 2. Auflage, S. 363, und die dort wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zur Novelle 1985, LGBl. Nr. 39/1986, "Zu Abs. 15"). Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde angesprochene Kommentierung von Oswald, Das Steiermärkische Raumordnungsrecht, Anm. 27 zu § 23 leg.cit., steht dem nicht entgegen, weil dieser Kommentar keinen derartigen Inhalt hat und sich überdies nicht auf § 23 Abs. 15 leg. cit. bezieht.

§ 23 Abs. 15 leg.cit. kann daher nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht (auch) auf die Widmungskategorie "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete" (§ 23 Abs. 5 lit. c leg.cit.) bezogen werden.

Der Beschwerdeführerin ist freilich darin Recht zu geben, daß die Wortfolge "bestehender Betrieb" im § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 nicht definiert ist. Dem Wortlaut ist nicht zu entnehmen, daß § 23 Abs. 15 leg.cit. nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn sich ein Betrieb insgesamt und nicht nur teilweise in einem Wohngebiet befindet. Dies stünde auch im Widerspruch zum Ziel, das der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 23 Abs. 15 leg.cit. erreichen wollte, nämlich in einem Wohngebiet an sich unzulässige bauliche Maßnahmen dann zu ermöglichen, wenn dadurch eine Verbesserung des Immissionsschutzes im Sinne der ausgewiesenen Nutzung eintritt (vgl. dazu neuerlich die Erläuternden Bemerkungen zur Novelle 1985, abgedruckt bei Hauer, Steiermärkisches Baurecht,

2. Auflage, S. 363). Bereits dann, wenn sich ein Betrieb (zulässigerweise) nur zum Teil in einem Wohngebiet befindet, kann § 23 Abs. 15 leg. cit. demnach insoweit Anwendung finden. Sofern die Annahme der Beschwerdeführerin zutrifft, daß die bestehende Tischlerwerkstätte zum Teil auch auf dem Grundstück Nr. 515, also im allgemeinen Wohngebiet situiert ist, wäre § 23 Abs. 15 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 anzuwenden.

Nach Auffassung der belangten Behörde verläuft die Widmungsgrenze freilich so, daß sich die bestehende Tischlerwerkstätte nicht auch auf dem Grundstück Nr. 515, also im "allgemeinen Wohngebiet", befindet.

Die sohin strittige Frage, ob sich der bestehende Betrieb wenigstens zum Teil auch im allgemeinen Wohngebiet befindet, läßt sich allerdings nicht damit beantworten, ob das Grundstück Nr. 515 bzw. die darauf errichtete Garage schon bisher FAKTISCH für Zwecke der Tischlereiwerkstätte benützt worden ist. Maßgeblich dafür sind vielmehr jene baurechtlichen Vorschriften und Bewilligungen, die den bestehenden Betrieb der Tischlerwerkstätte RECHTLICH abdecken. Sofern sich mit anderen Worten z.B. hier maßgebliche Widmungs- bzw. Baubewilligungen, die Basis für die bestehende Tischlerwerkstätte sind, auch auf das Grundstück Nr. 515 in dem vom angefochtenen Bescheid erfaßten Ausmaß erstrecken, könnte davon ausgegangen werden, daß im Beschwerdefall ein "bestehender Betrieb" im Sinne des § 23 Abs. 15 leg.cit angenommen werden muß. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt dazu die belangte Behörde - wie erwähnt (siehe oben I. 5.) - lediglich aus, es sei zunächst festzuhalten, daß sich nach der Aktenlage auf dem Grundstück Nr. 515 der KG X kein "bestehender Betrieb" befinde, sondern nur ein Objekt mit dem Verwendungszweck "Garage". Aus dem von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Akt ergeben sich jedoch zu diesem Problembereich keinerlei Hinweise. Vor dem Hintergrund, daß die Gemeindebehörden sichtlich von einem anderen Sachverhalt ausgegangen sind, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, allenfalls durch eigene Ermittlungen festzustellen, ob im rechtlichen Sinn von einem "bestehenden Betrieb" gemäß § 23 Abs. 15 leg.cit. auszugehen ist. Der von der Berufungsbehörde angenommene Sachverhalt erweist sich demnach in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig; er ist deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Aus diesem Grund braucht auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.