VwGH vom 05.11.2003, 2003/08/0103
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Grazbachgasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 5-s26p8/44- 2003, betreffend Formalversicherung gemäß § 21 ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Isabella M in K, 2. Hubert B in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides der beschwerdeführenden Anstalt vom (der einen Abspruch über das Nichtbestehen einer Pflichtversicherung und eine Feststellung über den Nichteintritt der Formalversicherung des Zweitmitbeteiligten gemäß § 21 ASVG aus seinem Beschäftigungsverhältnis zur Erstmitbeteiligten in der Zeit vom bis enthielt), dahin abgeändert, dass die Formalversicherung für den angegebenen Zeitraum festgestellt wurde. Einen weiteren Abspruch hat die belangte Behörde nicht getroffen.
Diese Entscheidung begründet die belangte Behörde wörtlich wie folgt:
"Im gegenständlichen Fall betrieb die Gattin (des Zweitmitbeteiligten) in den Jahren 1960 bis 1962 und danach von 1980 bis 1985 den Gasthof K ... In diesen Zeiträumen war (der Zweitbeschwerdeführer) als Dienstnehmer seiner Gattin zur Sozialversicherung gemeldet. Von 1985 bis 1990 hat er als selbständiger Gastwirt den K geführt. Ende 1990 hat (die Ehegattin des Zweitmitbeteiligten) den Gasthof an (die Erstmitbeteiligte) verkauft. Da diese (im Ort) völlig unbekannt und andererseits wegen ihrer anderweitigen gastgewerblichen Tätigkeiten auch nicht in der Lage war, den gegenständlichen Betrieb zu führen, ging von ihr der Vorschlag aus, dass (der Zweitmitbeteiligte) bis zur Erreichung seiner Pensionsvoraussetzungen den Betrieb ... soweit zu führen habe, als (die Erstmitbeteiligte) hiezu nicht in der Lage war. Diese Tätigkeit sollte selbstverständlich nicht kostenlos ausgeübt werden. (Die Erstmitbeteiligte) hat ihrer Buchhalterin sohin den Auftrag erteilt, (den Zweitmitbeteiligten) bei der GKK als Mitarbeiter anzumelden. Der Umfang seiner Tätigkeiten hat sich von selbst ergeben und bedurfte es daher keiner konkreten Weisungen durch (die Erstmitbeteiligte). So war es von vornherein klar und von (der Erstmitbeteiligten) auch gewollt, dass er lange bevor sie bzw. später eine Kellnerin im Betrieb ... erschien, spätestens um 9.00 den Betrieb aufsperrte, um die Morgenkundschaft zu bedienen und so auch für (die Erstmitbeteiligte) in Hinkunft zu erhalten. Er musste während der kalten Jahreszeit, als auch im Frühjahr und Sommer 1991 die Zentralheizung bedienen, zumal von dieser nicht nur die Gastlokale und die Wohnung im ersten Stockwerk beheizt sondern auch das Warmwasser im Betrieb und in der Wohnung über die Zentralheizung beheizt bzw. erwärmt wurden. Er hatte auch das Heizmaterial zu besorgen, zu verwahren und zu verheizen. Während dieser Zeit fielen auch zahlreiche Reparaturen im Hause an. Auch waren die Flächen vor und rund um den Betrieb im Winter von Schnee zu räumen bzw. zu bestreuen und im Sommer auch zu reinigen. Er war daher genau so wie die Buchhalterin und Steuerberaterin (der Erstmitbeteiligten) der Meinung, dass seine Tätigkeit in ihrem Betrieb eine Versicherungspflicht nach dem ASVG nach sich ziehen müsse. Im weiteren Verfahren ist die Einspruchsbehörde zur Kenntnis gelangt, dass der Erstaussage (des Zweitmitbeteiligten) vom wohl aufgrund der Authentizität höhere Bedeutung zugemessen werden muss als den erst später im ergänzenden Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen, die zum Teil mehr als zwei Jahre später erfolgt sind. Aufgrund der (vom Zweitmitbeteiligten) in seiner Vernehmung vom gemachten Aussagen scheint es für die Einspruchsbehörde lebensnah, dass von vornherein zwischen den Vertragspartnern (Erstmitbeteiligte und Zweitmitbeteiligter) Unentgeltlichkeit vereinbart gewesen ist und die Anmeldung zur Sozialversicherung nur aus dem Grund erfolgt ist, um (dem Zweitmitbeteiligten) zusätzliche Versicherungsmonate zu verschaffen. Es erscheint der Einspruchsbehörde ebenso glaubhaft, wenn (der Zweitmitbeteiligte) in derselben Vernehmung zu Protokoll gibt, nicht gewusst zu haben, dass bei Unentgeltlichkeit keine Sozialversicherungspflicht entstehen kann. Eine vorsätzliche unrichtige Anmeldung wird (dem Zweitmitbeteiligten) daher nur schwer unterstellt werden können, sodass wie im Spruch ersichtlich, der Bescheid der (beschwerdeführenden) Gebietskrankenkasse abzuändern war."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Einspruchsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Akt der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse wurde dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde ist zulässig: In Angelegenheiten der Formalversicherung steht die Berufung an den Bundesminister nicht zu, weil es sich dabei um keine Angelegenheit der Versicherungspflicht oder der Berechtigung zur Weiterversicherung oder Selbstversicherung handelt (vgl. zuletzt etwa das Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0036).
Hat ein Versicherungsträger bei einer nicht der Pflichtversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz unterliegenden Person auf Grund bei ihm vorbehaltlos erstatteten, nicht vorsätzlich unrichtigen Anmeldung den Bestand der Pflichtversicherung als gegeben angesehen und für den vermeintlich Pflichtversicherten drei Monate ununterbrochen die Beiträge unbeanstandet angenommen, so besteht ab dem Zeitpunkt, für den erstmals die Beiträge entrichtet worden sind, eine Formalversicherung (§ 21 Abs. 1 ASVG).
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten bei Beginn der Pflichtversicherung unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An- sowie die Abmeldung des Dienstgebers wirkt für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit der Beschäftigte in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Die Beantwortung der Frage, ob vorsätzlich eine unrichtige Anmeldung iSd § 21 Abs 1 ASVG erstattet wurde, erfordert insbesondere Feststellungen über den Inhalt der Anmeldung, über die tatsächlichen, mit dem Inhalt der Anmeldung in Widerspruch stehenden Gegebenheiten und - sofern nicht schon der Widerspruch zwischen dem Meldungsinhalt und den tatsächlichen Gegebenheiten den Vorsatz in Bezug auf die Erstattung einer unrichtigen Meldung klar erkennen lässt - über allfällige weitere Umstände, aus denen die vorsätzliche Erstattung einer unrichtigen Versicherungsanmeldung abgeleitet werden könnte, zumal ein allfälliger Rechtsirrtum den Vorsatz ausschließt und selbst die Unterlassung von Erkundigungen nicht zwingend auf Vorsatz schließen lässt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0150 mwH).
Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach für den Zweitmitbeteiligten in seinem Beschäftigungsverhältnis zur Erstmitbeteiligten in der Zeit vom 3. Jänner bis Formalversicherung eingetreten sei, ist von den Feststellungen der belangten Behörde nicht gedeckt: Die belangte Behörde geht davon aus, dass zwischen der Erstmitbeteiligten und dem Zweitmitbeteiligten (zulässigerweise) "Unentgeltlichkeit vereinbart gewesen ist", ein Umstand, der für sich allein die Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG ausschlösse. Von einer "nicht vorsätzlich unrichtigen Anmeldung" (als Tatbestandsvoraussetzung für das Bestehen einer Formalversicherung) könnte daher nur dann gesprochen werden, wenn die Erstbeschwerdeführerin den Zweitbeschwerdeführer als in einem unentgeltlichen Beschäftigungsverhältnis stehend gemeldet und - ungeachtet dieser Meldung - die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die Pflichtversicherung dennoch als bestehend angesehen und dafür Beiträge vorgeschrieben bzw. entgegen genommen hätte.
Dazu hat die belangte Behörde aber keine Feststellungen getroffen, sondern den angefochtenen Bescheid ausschließlich darauf gestützt, dass der Zweitmitbeteiligte (also der Dienstnehmer) nicht gewusst habe, dass bei Unentgeltlichkeit keine Sozialversicherungspflicht entstehen könne und ihm daher eine vorsätzliche unrichtige Anmeldung "nur schwer unterstellt werden" könne. Auf den Wissensstand des Dienstnehmers kommt es aber in diesem Zusammenhang nicht an, da die Meldung, die den Kriterien des § 21 ASVG entsprechen muss, vom Dienstgeber zu erstatten ist und daher der Vorsatz des Dienstgebers maßgeblich ist.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren nicht nur die näheren Umstände der Anmeldung des Zweitmitbeteiligten durch die Erstmitbeteiligte festzustellen, sondern auch den Einspruch zur Gänze (dh auch hinsichtlich des Ausspruches über die Versicherungspflicht) zu erledigen haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am