VwGH vom 05.06.2002, 99/08/0166
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Grazbachgasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 5-s26n52/18 - 99, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: M in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom verpflichtete die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die Mitbeteiligte wegen der im Zuge einer Beitragsprüfung festgestellten Meldedifferenzen für die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige angeführten Dienstnehmerinnen, die dort ausgewiesenen allgemeinen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen und für die jeweils näher bezeichneten Zeiten im Betrag von insgesamt S 28.992,01 nachzuentrichten. Nach der Begründung betreibe die Mitbeteiligte in Schladming eine Dirndlstube und habe von August 1995 bis September 1997 namentlich genannten Dienstnehmerinnen (drei Verkäuferinnen und drei Näherinnen) diverse Trachtenbekleidungsstücke und auch Stoffe als Sachbezug zur Verfügung gestellt. Die Kleidungsstücke hätten keinerlei Firmenaufdrucke enthalten und seien auch sonst nicht mit Firmenemblemen bestickt gewesen. In rechtlicher Hinsicht ordnete die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nach Darstellung der Rechtslage die den Dienstnehmerinnen der Mitbeteiligten zur Verfügung gestellten Trachtenkleider der Kategorie "bürgerliche Kleidung" zu. Die zur Verfügung gestellten Stoffe stellten überhaupt keine Arbeitskleidung dar. Da die Trachtenbekleidungsstücke und die Stoffe nicht nur an die im Betrieb beschäftigten Verkäuferinnen überlassen worden seien, liege keine typische Berufskleidung vor.
In dem dagegen erhobenen Einspruch führte die Mitbeteiligte aus, dass die in ihrem Trachtengeschäft tätigen Dienstnehmerinnen verpflichtet seien, Trachtenbekleidung zu tragen. Gut gekleidete Dienstnehmerinnen stellten einen sehr großen Werbeeffekt dar. Die den Dienstnehmerinnen überlassene Trachtenbekleidung sei eine für ihren Betrieb typische Berufskleidung, auf der "meine Werbeaufschrift ersichtlich ist und daher eine private Nutzung praktisch ausgeschlossen ist".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde nach Durchführung eines - mangels Relevanz für die vorliegende Entscheidung nicht näher darzustellenden - umfangreichen Beweisverfahrens dem Einspruch der Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge, hob den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf und stellte fest, "dass die in der Dirndlstube (Mitbeteiligte(, den dort Beschäftigten zur Verfügung gestellten Dirndlkleider im Zeitraum August 1993 bis September 1997 als Berufskleidung einzustufen sind". In der Begründung verwies die belangte Behörde nach einer kurzen Darstellung des Verwaltungsgeschehens auf ihr im Zuge des Einspruchsverfahrens an die Mitbeteiligte gerichtetes Ersuchen, Fotos vorzulegen, auf denen die Werbeaufschrift auf der Kleidung klar erkennbar sei oder "aus denen zumindest hervorgeht, dass in der Dirndlstube ausschließlich Trachtenbekleidung während der Arbeitszeit getragen wird, der Werbecharakter zukommt." Die dann vorgelegten Fotos - so die belangte Behörde weiter -, auf denen eine Werbeaufschrift auf der Vorder- und Rückseite der Bekleidungsstücke klar erkennbar sei, seien zeitlich nicht zuordenbar. Auf weiteren datierten Fotos seien Aufdrucke nicht erkennbar, "doch ist ein allgemein erkennbarer Werbecharakter wie er einer Dirndlstube zukommt, erkennbar. Zum Beispiel (z.B. 5/93 einheitliche Arbeitskleidung in Blaudruck) doch auch den übrigen Fotos ist der Werbecharakter der Bekleidungsstücke für das gegenständliche Unternehmen nicht abzusprechen." Den Aussagen von sechs Zeuginnen (Dienstnehmerinnen der Mitbeteiligten) hat die belangte Behörde wegen ihres unterschiedlichen Inhaltes und des lange zurückliegenden Zeitraumes "kaum Beweischarakter" beigemessen und aus all dem den Schluss gezogen, "soferne es im besagten Zeitraum Werbeaufdrucke oder Stickers noch nicht gegeben hat, doch der eindeutige Charakter einer Berufskleidung für ein Trachtenbekleidungsunternehmen dieser Art vorgelegen hat, zumal (die Mitbeteiligte( auch angegeben hat, dass die bei ihr Beschäftigten angewiesen seien, tagtäglich ihren Dienst in besagtem Dirndl-Look zu verrichten. Der Begriff 'allgemein erkennbarer Uniformcharakter' besagt auch nicht, dass sämtliche Angestellte unbedingt das gleiche Modell tragen müssen. Vielmehr geht dies schon aus der Tatsache hervor, daß wie man den Fotos entnehmen kann, alle Angestellten tagtäglich in Trachtenbekleidung ihren Dienst versehen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist die Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte grundsätzlich der Arbeitsverdienst, als der bei den pflichtversicherten Dienstnehmern das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 3 ASVG gilt.
Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält (§ 49 Abs. 1 ASVG). Nicht als Entgelt gelten der Wert der Reinigung der Arbeitskleidung sowie der Wert der unentgeltlich überlassenen Arbeitskleidung, wenn es sich um typische Berufskleidung handelt (Abs. 3 Z 5 leg. cit.).
Nach § 26 Z 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) gehört der Wert der unentgeltlich überlassenen Arbeitskleidung und der Reinigung der Arbeitskleidung, wenn es sich um typische Berufskleidung handelt (z.B. Uniformen), nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Nach der zu der genannten einkommensteuerrechtlichen Bestimmung, die inhaltlich mit § 49 Abs. 3 Z 5 ASVG übereinstimmt, ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die insoweit auf diese Normen übertragbar ist (vgl. Teschner/Widlar, Anmerkung 9 zu § 49 ASVG), ist unter einer typischen Berufskleidung eine Arbeitskleidung mit allgemein erkennbarem, eine private Nutzung praktisch ausschließendem Uniformcharakter bzw. eine für die Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung ungeeignete Uniform zu verstehen (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 99/14/0262, und vom , Zl. 93/15/0069).
Wird so genannte bürgerliche Kleidung (Zivilanzüge, Straßenkleidung) als Arbeitskleidung getragen, handelt es sich selbst dann nicht um typische Berufskleidung, wenn solche Kleidungsstücke ausschließlich bei der Berufsausübung getragen werden oder wenn bei der Berufsausübung eine bestimmte bürgerliche Kleidung zwingend getragen werden muss (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 96/13/0210, mit weiteren Judikaturnachweisen). So handelt es sich bei einem als Arbeitskleidung einem Orchestermitglied überlassenen schwarzen Anzug nicht um typische Berufskleidung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 83/13/0048).
Zwar hat die belangte Behörde darüber keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, doch ist aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid erkennbar, dass sie auf der Sachverhaltsebene davon ausgegangen ist, dass sämtliche Mitarbeiterinnen der Mitbeteiligten in der Zeit von 1993 bis 1997 (Prüfungszeitraum) während der Arbeitszeit von der Mitbeteiligten unentgeltlich überlassene Trachtenbekleidung bzw. aus unentgeltlich überlassenen Stoffen angefertigte Trachtenkleidung getragen hätten. Dagegen konnte die belangte Behörde - ebenso wie die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse im Verfahren erster Instanz - nicht feststellen, dass in den im Beschwerdefall maßgeblichen Beitragszeiträumen auf diesen Kleidungsstücken "Werbeaufdrucke oder Stickers" mit einem Hinweis auf das Unternehmen der Mitbeteiligten angebracht gewesen wären.
Auf Grund dieses Sachverhaltes ist es vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund rechtswidrig, wenn die belangte Behörde den von den Mitarbeiterinnen getragenen Kleidungsstücken alleine deswegen, weil diese "tagtäglich ihren Dienst in besagtem Dirndl-Look zu verrichten" hatten sowie wegen der Tatsache der Ausschließlichkeit des Tragens der Trachtenbekleidung während der Arbeitszeit den "eindeutigen Charakter einer Berufskleidung für ein Trachtenbekleidungsunternehmen dieser Art" beigemessen hat. Im Verwaltungsverfahren ist nicht hervorgekommen, dass sich die den Mitarbeiterinnen überlassene Trachtenbekleidung nicht für eine Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung geeignet bzw. dass diese Merkmale aufgewiesen hätte, wonach sie allgemein erkennbaren, eine private Nutzung praktisch ausschließenden Uniformcharakter gehabt hätte. Hat die Bekleidung aber solche Besonderheiten nicht aufgewiesen, ist sie als "bürgerliche Kleidung" anzusehen, der es dann aber, selbst wenn sie als Arbeitskleidung getragen wird, mangels Zuordenbarkeit sowohl der Kleidung als auch des Trägers der Kleidung zu einem bestimmten Unternehmen oder zu einer bestimmten Berufsgruppe - etwa durch auf der Kleidung angebrachte Beschriftungen oder Zeichen (Logos) - am Merkmal des für eine Berufskleidung "Typischen" fehlt. Durch das Fehlen solcher Besonderheiten unterschied sich die in Rede stehende Kleidung jedoch nicht von vergleichbarer allgemein verwendbarer Trachtenkleidung.
In Verkennung der dargestellten Rechtslage hat die belangte Behörde den Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse, dessen Beurteilung bei im Wesentlichen gleichem Sachverhalt zutreffend gewesen ist, aufgehoben, weshalb der angefochtene Bescheid seinerseits - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am