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VwGH vom 14.05.2003, 2003/08/0070

VwGH vom 14.05.2003, 2003/08/0070

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2003/08/0074 E

2003/08/0071 E

2003/08/0077 E

2003/08/0073 E

2003/08/0078 E

2003/08/0076 E

2003/08/0075 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom , Zl. 6-SO-N1995/2-2003, betreffend Beitragsgrundlagen in der Pensions- und Unfallversicherung der Bauern nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Stefan-Josef B in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Stattgebung des Einspruches des Mitbeteiligten die von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt für die Zeit vom bis festgestellten monatlichen Beitragsgrundlagen in der Pensions- und Unfallversicherung nach dem BSVG in jener Höhe festgesetzt, die sich aus den Einheitswerten der im Inland gelegenen landwirtschaftlichen Grundstücke des Mitbeteiligten errechnen. Die belangte Behörde gelangte dadurch zu einem vom erstinstanzlichen Bescheid abweichenden Ergebnis ihres Verfahrens, dass sie - anders als die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt - die Einbeziehung von Pachtflächen des Mitbeteiligten, die auf dem Staatsgebiet Ungarns gelegen sind, für die Bemessung der Beitragsgrundlage unterließ: Für die Berücksichtigung von nicht im Inland gelegenen landwirtschaftlichen Grundflächen bei Festsetzung der Beitragsgrundlage in der Pflichtversicherung nach dem BSVG biete weder ein innerstaatliches Gesetz noch das Abkommen der Republik Österreich mit der Republik Ungarn über soziale Sicherheit eine Handhabe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, in der die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt weiterhin an ihrer Rechtsauffassung festhält, dass für Zwecke der Beitragsbemessung nach dem BSVG dem land(forst)wirtschaftliche Betrieb des Mitbeteiligten nicht nur die im Burgenland gelegenen Grundflächen, sondern auch die auf dem Staatsgebiet von Ungarn gelegenen zugepachteten Flächen zuzurechnen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 BSVG regelt - nach seinem Wortlaut (Hervorhebung nicht im Original) - u.a. "die Kranken- und die Pensionsversicherung sowie die Unfallversicherung der im Inland in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen und ihrer mittätigen Angehörigen ...".

Bei den im § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG bezeichneten versicherten Personen handelt es sich um Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.

Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist somit die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr, wobei auch die Absicht auf Erzielung eines Gewinnes fehlen kann. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes ist dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolgt. Das Vorliegen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft muss auch dann angenommen werden, wenn eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn entwickelt wird, ohne dass hiebei eine Gewinnerzielung beabsichtigt oder möglich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 2663/79, sowie aus jüngerer Zeit jenes vom , Zl. 96/08/0355).

Eine Zurechnung einer Liegenschaft zu einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb setzt aber auch voraus, dass keine Aufgabe der Bewirtschaftung dieser Liegenschaft vorliegt (vgl. zu diesem Problemkreis die Erkenntnisse vom , Zl. 90/08/0155, - mit Hinweis u.a. auf das Erkenntnis vom , Zlen. 2869, 2870/78 -, und vom , Zl. 97/08/0643, und vom , Zl. 97/08/0479, sowie ferner das im Zusammenhang mit der Anrechnung von Einkommen auf die Notstandshilfe ergangene Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0274). Es sind somit für die Beitragsbemessung nach dem BSVG nur die Einheitswerte solcher land(forst)wirtschaftlichen Flächen zu berücksichtigen, die im Rahmen eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes im Sinne des Landarbeitsgesetzes in die Bewirtschaftung einbezogen sind - wobei die zeitweilige Unterbrechung der Nutzung einzelner Flächen aus agrartechnischen Gründen nicht schadet -, auf denen also in einer Art verfahren wird, die auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liegt, dh zB ein auf Hervorbringung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse gerichteter Zweck verfolgt wird (vgl. auch die Judikaturübersicht bei Teschner/Widlar, Die Sozialversicherung der Bauern, § 2 BSVG, Anm. 6).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kommt aber die Zurechnung von in Ungarn gelegenen Grundstücken zu einem inländischen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb nicht in Betracht:

Anders als zB das Einkommensteuerrecht, welches alle in- und ausländischen Einkünfte von natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben, der Besteuerung im Inland unterwirft (vgl. § 1 Abs. 2 EStG 1988), ist das österreichische Sozialversicherungsrecht nicht vom Personalitätsprinzip, sondern vom Territorialitätsprinzip geprägt (siehe die jeweiligen §§ 1 des ASVG, des BSVG und des GSVG; vgl. das zum ASVG ergangene Erkenntnis vom , Slg. Nr. 14767/A; zum Territorialitätsgrundsatz als prägendes normatives Merkmal der europäischen Sozialversicherungssysteme vgl. Eichenhofer in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts 3, § 73 RNr. 6). Bestimmungen, welche die Sozialversicherungspflicht im Falle einer grenzüberschreitenden landwirtschaftlichen Tätigkeit abweichend vom Territorialitätsprinzip (etwa im Sinne des "Ausstrahlungs"- bzw. des "Einstrahlungsgrundsatzes", vgl. zB § 3 ASVG, sowie Krejci/Marhold in Tomandl, System, 40) regeln würden, kennt das BSVG nicht.

Hängt nach der vorstehend dargestellten Rechtslage die Eigenschaft eines Betriebes als ein "land(fort)wirtschaftlicher" Betrieb bzw. die Zurechnung eines Grundstückes zu einem solchen Betrieb in tatsächlicher Hinsicht davon ab, ob auf den betreffenden Grundflächen landwirtschaftliche Tätigkeiten im technischen Sinne verrichtet werden, so hat diese in einer Kombination aus Flächen- und Tätigkeitsbezogenheit bestehende Sichtweise des Gesetzes notwendigerweise zur Folge, dass ein Eigentümer oder sonst Nutzungsberechtigter als Zurechnungssubjekt solcher Grundflächen auch nur insoweit eine land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit im Inland in Sinne des § 1 BSVG ausübt, als diese, die Versicherungspflicht begründenden Tätigkeiten auf Grundflächen im Inland verrichtet werden. Dabei kommt es auf die Lage des Betriebssitzes ebensowenig an wie darauf, ob überhaupt ein Betriebssitz (im Sinne einer zentralen Verwaltung) des landwirtschaftlichen Betriebes im Inland besteht, und auch nicht auf die Frage, ob der Betriebsinhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, also derjenige, auf dessen Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt wird, auch seinen Wohnsitz im Inland hat (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0268). Da das BSVG nur die im Inland (dh. auf im Inland gelegenen Grundflächen) entfaltete landwirtschaftliche Tätigkeit (im technischen Sinne) erfasst (und jene natürliche Person, auf deren Rechnung und Gefahr diese Tätigkeit im Inland verrichtet wird, der Versicherungspflicht unterwirft), ist es aus rechtlicher Sicht auch gleichgültig, ob die auf ungarischem Staatsgebiet gelegenen Pachtflächen mit den im Inland gelegenen Flächen im wirtschaftlichen Sinne einheitlich organisiert sind. Der nicht näher begründeten gegenteiligen Auffassung von Teschner/Widlar (Die Sozialversicherung der Bauern, § 1 Anm. 2) vermag sich der Verwaltungsgerichtshof daher nicht anzuschließen. Auch aus dem von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt ins Treffen geführten (noch zu § 2 B-KVG ergangenen) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 134/69 (SVSlg. 20.983), lässt sich nichts anderes gewinnen: Wenn der Verwaltungsgerichtshof darin in Ansehung einer im Inland gelegenen Alm deren Eigenschaft als selbständiger landwirtschaftlicher Betrieb für den Fall ihrer organisatorischen Zusammenfassung mit dem im Ausland befindlichen landwirtschaftlichen Betrieb (und damit die Sozialversicherungspflicht des Betriebsinhabers nach dem B-KVG) verneint hat, so kann daraus jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass ausländische Grundflächen in die Bildung der Beitragsgrundlage im Zusammenhang mit einem im Inland gelegenen landwirtschaftlichen Betrieb einzubeziehen wären. Im Übrigen ergeben sich aus diesem Erkenntnis keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Verwaltungsgerichtshof auch die Einbeziehung der im Ausland gelegenen Grundflächen in die Beitragsbemessung nach dem (damaligen) B-KVG für rechtmäßig erkannt hätte, wenn der Betriebssitz nicht im Ausland gelegen wäre: In diesem Erkenntnis wurde vielmehr ausdrücklich die Rechtsauffassung vertreten, dass der damalige Beschwerdeführer "auf Grund seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb des Gebietes der Republik Österreich im Hinblick auf die Bestimmung des § 1 Abs. 1 B-KVG"nicht der Pflichtversicherung unterliege.

Eine grenzüberschreitende Betriebsbildung für Zwecke der Bemessung der Beitragsgrundlagen in der Sozialversicherung der Bauern durch Zuordnung im Ausland gelegener Grundflächen zu einem inländischen Betrieb (etwa auf Grund der Anknüpfung an einen inländischen Betriebssitz), wie dies schon de lege lata von der Beschwerdeführerin vertreten wird, bedürfte einer ausdrücklichen Kollisionsnorm, welche die jeweiligen Staatsgebiete einander für diesen Zweck gleichstellt. Eine solche Regelung besteht derzeit nur im Verhältnis zu Nachbarstaaten, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, in Art. 14a Z. 3 der VO (EWG) 1408/71 und nur für eine bestimmte Fallgruppe grenzüberschreitender selbständiger Erwerbstätigkeit: nach dieser Bestimmung unterliegt eine Person, die eine selbständige Tätigkeit in einem Unternehmen ausübt, das seinen Sitz im Gebiet eines Mitgliedstaates hat und durch dessen Betrieb die gemeinsame Grenze von zwei Mitgliedstaaten verläuft, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Unternehmen seinen Sitz hat.

Das bis zum Wirksamwerden des Beitritts Ungarns zur Europäischen Union derzeit noch maßgebliche Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit, BGBl. III Nr. 199/2000, hält hingegen für die Versicherungspflicht selbständig Erwerbstätiger am Territorialitätsprinzip fest (vgl. auch Linka, Das Abkommen über soziale Sicherheit mit Ungarn, SoSi 2001, 172) ; es enthält in Art. 7 Abs. 5 für einen Betrieb, der sich vom "Grenzgebiet" des einen in jenes des anderen Vertragsstaates erstreckt - also für eine mit der im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsrecht erwähnten vergleichbare Fallgruppe -, nur eine Regelung über die grenzüberschreitende Zuordnung von Dienstnehmern: sie gelten als im Gebiet des Vertragsstaates beschäftigt, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Eine Regelung über die Zuordnung der Versicherungspflicht selbständig Erwerbstätiger, die einen solchen Betrieb führen, enthält das Abkommen nicht.

Die Voraussetzungen des "im Inland in der Land- und Forstwirtschaft Tätigseins" im Sinne des § 1 BSVG liegen in Ansehung des Mitbeteiligten daher nur insoweit vor, als es sich um Grundflächen handelt, die sich entweder auf österreichischen Hoheitsgebiet oder auf einem durch zwischenstaatliche Verträge insoweit gleichgestellten Gebiet befinden. Beides ist in Ansehung der in Ungarn gelegenen Pachtflächen des Mitbeteiligten in den fraglichen Zeiträumen nicht der Fall gewesen, wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat.

Da somit schon die vorliegende Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, was sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am