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VwGH vom 18.12.1998, 96/21/0546

VwGH vom 18.12.1998, 96/21/0546

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des KD (geboren am ) in Wien, vertreten durch Mag. Robert Abel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 49/19, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana, Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/Stg. 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr-4414/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Kamerun, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist; er sei weder im Besitz eines gültigen Reisedokuments noch einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich gewesen. Am habe er einen Asylantrag gestellt, welcher abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe am sein Heimatland verlassen und sei mit einem Autobus nach Nigeria gefahren. Sein Fluchtweg habe sich über Algerien nach Italien erstreckt, und er sei schließlich von Italien illegal eingereist. Er sei somit nicht direkt aus dem Land eingereist, in welchem verfolgt zu werden er behaupte. Es komme ihm demnach auch kein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz zu. Von der Bezirkshauptmannschaft Baden am niederschriftlich einvernommen, habe er angegeben, daß er völlig mittellos und die Einreise in das Bundesgebiet illegal erfolgt wäre. Während des Berufungsverfahrens habe er weder eine tragfähige Verpflichtungserklärung beigebracht, noch reiche der Hinweis, daß er von der Caritas untergebracht und versorgt werde, für die Erbringung des Nachweises der Mittel zum Unterhalt aus. Eine nicht bloß vorübergehende Sicherung des künftigen Unterhaltes könne daraus mangels eines durchsetzbaren Rechtsanspruches nicht abgeleitet werden. Eine Berufung auf Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention sei schon deshalb verfehlt, weil es sich bei einer Ausweisung nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handle. In diesem Zusammenhang sei nicht zu prüfen, ob die illegale Einreise infolge Vorliegens eines schuldausschließenden oder rechtfertigenden Notstandes nicht strafbar sei (§ 6 VStG). Die Rechtsordnung messe der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung paßrechtlicher (nunmehr fremdengesetzlicher) Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Somit seien sämtliche Tatbestandsmerkmale der zitierten gesetzlichen Bestimmungen erfüllt.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 2 FrG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 436/1996 können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie (u.a.) innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monates betreten werden (Z. 6).

Der Beschwerdeführer läßt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde unbestritten, daß er ohne Reisedokument und ohne Aufenthaltsberechtigung nach Österreich eingereist sei. Er hält dieser Feststellung bloß entgegen, daß er keine Gelegenheit gehabt habe, seinen Reisepaß mitzunehmen, weil ihm dieser von der Polizei in Kamerun abgenommen worden sei.

Selbst das Vorliegen dieses Umstandes könnte für sich allein genommen die Erfüllung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht hindern, hat der Beschwerdeführer doch mit seinem Verhalten gegen die in § 2 Abs. 1 leg. cit. normierte Paßpflicht verstoßen und damit "Bestimmungen des 2. Teiles" des Fremdengesetzes mißachtet. Ob der Beschwerdeführer auch - was in der Beschwerde (die allerdings einräumt, er habe sich im Zug versteckt) in Abrede gestellt wird - unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist, braucht nicht mehr geprüft zu werden.

Der Beschwerdeführer ist auch innerhalb eines Monats nach seiner Einreise betreten worden. Er hatte anläßlich der Stellung seines Asylantrages Behördenkontakt, was als Betretenwerden im Sinne des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/21/1025).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zu. Nur bei einer geringfügigen Störung der öffentlichen Ordnung ist in den Fällen des § 17 Abs. 2 von der Erlassung einer Ausweisung abzusehen; eine solche Geringfügigkeit liegt angesichts der unrechtmäßigen Einreise und des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers jedoch nicht vor (vgl. etwa das hg Erkenntnis vom , Zl. 95/21/1182).

Der Beschwerdeführer bringt vor, daß in sämtlichen Staaten, die auf dem afrikanischen Kontinent gelegen seien, die Stellung von Asylanträgen entweder aussichtslos sei, bzw. die politische Situation in diesen Ländern dergestalt sei, daß "es an seiner persönlichen Situation nichts geändert hätte". Hinsichtlich einer Antragstellung im "sicheren Drittstaat" Italien sei aus Medienberichten bekannt, daß Asylwerber, die ohne gültige Papiere nach Italien einreisten, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in ihren Staat zurückgeschoben würden. Es sei dem Beschwerdeführer daher einerseits nicht möglich, andererseits nicht zumutbar gewesen, einen Asylantrag in Italien zu stellen. Über seine Berufung gegen den abschlägigen erstinstanzlichen Asylbescheid sei noch nicht entschieden.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer erschließbar geltend, daß ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 zukomme, und seine Ausweisung im Grunde des § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 unzulässig sei. Gemäß § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 findet § 17 FrG (u.a.) auf Asylwerber, denen eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 zukommt, keine Anwendung. Nur jene Asylwerber haben eine derartige vorläufige Aufenthaltsberechtigung, die - neben der Rechtzeitigkeit der Antragstellung - auch die Voraussetzung des § 6 des Asylgesetzes 1991 erfüllen. Letzteres trifft aber auf den Beschwerdeführer nicht zu. Nach den unbestrittenen Feststellungen gelangte der Beschwerdeführer weder "direkt" aus einem Gebiet, wo sein Leben oder seine Freiheit im Sinn des Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bedroht war (Art. 31 Z. 1 der Konvention) noch "direkt" aus dem Staat, in dem er behauptete, insoweit Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991), nach Österreich; ferner lag kein Anhaltspunkt für die Annahme vor, er hätte gemäß § 37 FrG wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem er direkt einreiste (Italien), zurückgewiesen werden dürfen und es wäre ihm die Einreise gestattet worden oder zu gestatten gewesen (§ 6 Abs. 2 zweiter Fall Asylgesetz 1991). Daß es ihm einerseits nicht möglich, andererseits nicht zumutbar gewesen sei, einen Asylantrag in Italien zu stellen, weil er im Fall von dessen Abweisung sofort abgeschoben worden wäre, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren - in dem er lediglich vorgebracht hat, daß er in Italien nicht habe um Asyl ansuchen wollen, weil Österreich ein neutrales Land sei - nicht behauptet. Sein diesbezüglich erstmals in der Beschwerde erstattetes Vorbringen stellt daher eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Die Anwendung des § 17 FrG war somit im vorliegenden Fall auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ausgeschlossen.

Der Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, fehlt die Relevanz, weil die Beschwerde nicht aufzeigt, durch welche Verfahrenshandlungen es zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Bescheid gekommen wäre.

Die im Grund des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG verfügte Ausweisung erweist sich daher nicht als rechtswidrig, weshalb die Beschwerde, ohne daß geprüft zu werden brauchte, ob der angefochtene Bescheid auch auf § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG gestützt werden durfte, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am