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VwGH vom 30.04.2002, 99/08/0126

VwGH vom 30.04.2002, 99/08/0126

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Christian Preschitz, Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS9- 1064/2-1999, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 34 BSVG (mitbeteiligte Partei: M in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem - nicht im Verwaltungsakt einliegenden - Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt vom wurde - wie von den Verfahrensparteien nicht in Zweifel gezogen wird - der Mitbeteiligte verpflichtet, für eine Beitragsforderung von S 3.119,-- einen Beitragszuschlag von S 156,-- und Postauftragsgebühren von S 25,-- zu bezahlen. Nach der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Begründung des erstinstanzlichen Bescheides seien dem Mitbeteiligten die Beiträge zur Pflichtversicherung in der Pensions- und Unfallversicherung (der Bauern) für die Monate April bis Juni 1998 in der Höhe von S 3.119,-- im Juli 1998 vorgeschrieben worden. Diese Beiträge seien am fällig gewesen. Mangels Zahlung sei der rückständige Betrag eingemahnt worden. Die Zustellung des am per Post versandten Mahnschreibens werde mit vermutet. Am seien S 3.119,-- bezahlt worden (eingelangt am ). Da dieser Betrag nicht bis , somit binnen zwei Wochen nach Zustellung der Mahnung, beglichen worden sei, sei er nochmals mit Postauftrag "eingehoben" worden. In diesem Postauftrag sei auch der gesetzliche Beitragszuschlag von S 156,-- "verhängt" und gemeinsam mit der ausständigen Beitragszahlung "eingehoben" worden. Der Postauftrag habe S 25,-- gekostet, sodass nach der Einzahlung von S 3.119,-- am noch S 181,-- unberichtigt aushafteten.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch verwies der Mitbeteiligte auf den Umstand, es sei ihm kein Beweis dafür vorgelegt worden, dass das Mahnschreiben "wirklich am weggeschickt" worden sei und bezeichnete die Vermutung der Zustellung an ihn am als "sehr zweifelhaft". Er betrachte "die ganze Sache ... als sehr bedauernswert". Möglicherweise ergebe sich bei der Endabrechnung für das Jahr 1998 ein Guthaben für ihn, sodass die Vorschreibung überhaupt nicht notwendig gewesen wäre.

Im Zuge des Einspruchsverfahrens ersuchte die belangte Behörde die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt mit Schreiben vom , "den Entwurf für das Mahnschreiben, eine Fotokopie desselben oder sonstige, eventuell in einem anderen Akt befindliche Unterlagen, Vermerke etc., aus denen das Absendedatum hervorgeht bzw. auf dieses mit der erforderlichen Sicherheit zu schließen ist, dem Beitragsakt, der mit diesem Schreiben rückgemittelt wird, anzuschließen", woraufhin die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt zwei Urkunden vorgelegt hat. In einer Urkunde, einer mit "Beitragseinzugs-Mahnung" überschriebenen Tabelle, sind in der Spalte "Landesstelle" die neun Bundesländer untereinander angeführt, denen in der daneben liegenden Spalte "Postversand" jeweils Stückzahlen zugeordnet sind, deren Gesamtzahl "neu" 33.330 beträgt. Oberhalb der genannten Spalten befindet sich der Vermerk "Erstellt: 14.8. bis " und "Versand: ". In der zweiten als "Nachweisung der aufgegebenen Sendungen mit Entgeltstundung" überschriebenen Urkunde, auf die auch eine Unterschrift gesetzt wurde, ist in der Spalte "Tag" der und daneben der Ausdruck "Aufgabe" und in den für die "Stückzahl der aufgegebenen Briefe" vorgesehenen Spalten die Zahl

33.330 hinzugefügt worden.

In einer von der belangten Behörde dem Mitbeteiligten zu diesen Urkunden ermöglichten Äußerung bezweifelte dieser schon wegen eines im April 1999 für das Jahr 1998 zu seinen Gunsten bei der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt hervorgekommenen Guthabens von S 3.846,-- die "Sinnhaftigkeit" der Vorschreibung eines Betrages von S 3.119,--. Weiters bemängelte der Mitbeteiligte das Fehlen eines postamtlichen Nachweises für die Aufgabe der Mahnungen am und das Fehlen eines Nachweises über den Erhalt der Mahnung durch ihn am mit dem Zusatz "habe ich nämlich die Mahnung am

26. od. bekommen, so bin ich innerhalb der Frist".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge und hob den Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt auf. Nach einer Zusammenfassung des Verwaltungsgeschehens und der Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen stellte die belangte Behörde Überlegungen zu einer die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt treffenden Beweislast an. Danach hätte die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt das Datum der Postaufgabe des Mahnschreibens beweisen müssen, weil der Zustelltag des Mahnschreibens mangels Zusendung mit Rückscheinbrief nicht eindeutig nachvollziehbar sei. Der Nachweis der Versendung des Mahnschreibens am (auch) an den Mitbeteiligten habe von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt nicht geführt werden können, weil aus der über die am versendeten 33.330 Mahnschreiben errichteten Urkunden nicht hervorgehe, dass auch das den Beschwerdeführer betreffende Mahnschreiben darunter gewesen sei. Da somit die Postaufgabe am "nicht mit der erforderlichen Schlüssigkeit nachgewiesen werden kann", sei "im Zweifelsfalle" zu Gunsten des Mitbeteiligten zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde legte ihren Verwaltungsakt vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des BSVG lauten:

"§ 33. (1) Die Beiträge der ... Pflichtversicherten ... sind vierteljährlich im nachhinein vorzuschreiben (Vorschreibezeitraum). Sie sind mit dem Ablauf des Monates fällig, das dem Ende des Vorschreibezeitraumes folgt. ...

(4) Die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen gelten entsprechend für Beitragszuschläge und Verwaltungskostenersätze.

§ 34. (2) Werden die Beiträge zur Pflichtversicherung nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Fälligkeit eingezahlt, ist der rückständige Betrag einzumahnen. Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Postauftrages) vollzogen, in dem der Beitragsschuldner unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, den Beitragsrückstand binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen. Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet.

(3) Nach erfolgloser Mahnung gemäß Abs. 2 hat der Versicherungsträger einen Beitragszuschlag ... vorzuschreiben. Der Beitragszuschlag kann bis zum Ausmaß des eingemahnten Beitrages erhöht werden."

Die Bestimmung des § 34 Abs. 2 BSVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 587/1980 ist ab dem jeweils zweiten Satz gleich lautend mit § 64 Abs. 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 585/1980 (und entspricht im Übrigen auch der Regelung des § 227 Abs. 2 BAO).

Zu § 64 Abs. 3 ASVG hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass es hinsichtlich der Mahnung keines Nachweises der Zustellung bedarf, diese vielmehr bei Postversand am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet wird (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 93/08/0201). Auch treffe den Träger der Krankenversicherung keine Beweislast für die "Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung" der Beitragsvorschreibung, aber auch nicht für die "Aufgabe der Beitragsvorschreibung zur Post". Sie ist im Streitfall vielmehr - unter Mitwirkung der Parteien - von Amts wegen zu klären (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 94/08/0153). Dieses die Beitragsvorschreibung gemäß § 58 Abs. 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 111/1986 betreffende Erkenntnis ist auch für den vorliegenden Fall von Bedeutung, weil die fehlende Beweislast des Trägers der Krankenversicherung aus der Bestimmung des § 64 Abs. 3 ASVG gefolgert wurde und Gesagtes demnach auch für die dort, aber auch für die in der in Rede stehenden Norm des § 34 Abs. 2 BSVG geregelte Mahnung gilt.

Im Lichte dieser Rechtsprechung ist die die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides tragende Begründung der belangten Behörde, die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt treffe hinsichtlich des Datums der Postaufgabe des Mahnschreibens eine formelle Beweislast, rechtlich verfehlt. Die belangte Behörde hat die Rechtslage vor allem insofern verkannt, als sie der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt eine urkundliche Nachweispflicht für die Postaufgabe auferlegt und aus den - offenbar in Folge dieser unzutreffenden Rechtsansicht - abgeforderten Urkunden den "konkreten Nachweis" über die Absendung des Mahnschreibens "nicht mit der erforderlichen Schlüssigkeit" als erbracht ansah, sodass sie "im Zweifelsfalle zu Gunsten des Einspruchswerbers" entschied.

Aber auch ein "Streitfall" mit der Folge einer amtswegigen Ermittlungspflicht liegt nach den Verfahrensergebnissen nicht vor, weil der Mitbeteiligte den Erhalt des Mahnschreibens weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Gegenschrift bestritten hat; er hat in seinen Stellungnahmen kein Zustelldatum genannt, sondern sich in Mutmaßungen darüber ergangen, er könnte das Schreiben auch am 26. oder bekommen haben. Er hat lediglich angezweifelt, dass die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt das Mahnschreiben "wirklich am weggeschickt" habe. Damit scheint sich auch der Mitbeteiligte auf den Standpunkt gestellt zu haben, es sei der formelle Beweis durch die Beschwerdeführerin zu führen.

Selbst wenn man in der Vorgangsweise der belangten Behörde eine solche amtswegige Klärung des Sachverhaltes - wogegen die in diesem Punkt unmissverständliche Bescheidbegründung spricht - sähe, könnte ihr darin nicht gefolgt werden, dass der Nachweis der Postaufgabe am nicht "mit der erforderlichen Schlüssigkeit" erbracht worden sei, zumal die belangte Behörde ihr diesbezügliches Kalkül für die Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung nicht offen gelegt hat. Allein die Tatsache, dass bei Massensendungen nur die Stückzahl der Schreiben bekannt ist, wobei die Tatsache des Empfanges des Schreibens durch den Mitbeteiligten nicht bestritten wurde, begründet für sich allein noch nicht die "Unschlüssigkeit" eines Beweismittels, solange der Mitbeteiligte nicht ein anderes Zustelldatum konkret behauptet hat. Spricht die belangte Behörde in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit eines Rückscheinbriefes zum Nachweis des Aufgabe- und Zustelldatums, ist sie auf die Ausführungen zur Beweislast und die Gesetzeslage zur vermuteten Zustellung zu verweisen.

Durch die Verkennung der Rechtslage belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 501/2001.

Wien, am