VwGH vom 28.01.1992, 91/05/0118

VwGH vom 28.01.1992, 91/05/0118

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde

1) der MN und 2) des AN, beide in W, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Erledigung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG i.V.m. § 62 VwGG und § 71 AVG wird dem Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Mannersdorf vom nicht stattgegeben.

Die Stadtgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erließ der Bürgermeister der damaligen Marktgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge gegen die Beschwerdeführer einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"I. Gemäß § 55 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-2, in Verbindung mit § 17 Abs. 1 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-0, und auf Grund des Ergebnisses der am durchgeführten Besichtigung von amtswegen wird Ihnen hiermit für Ihr Wohnhaus in 2452 Mannersdorf, X-Gasse 11 (Parz.Nr. .nn, EZ. n1, KG. Mannersdorf/Lthgb.) aufgetragen, einen Abort mit Wasserspülung zu errichten. Binnen 4 Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides haben Sie unter Vorlage von Plänen und Beschreibungen in dreifacher Ausfertigung um die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Abortes mit Wasserspülung beim Bürgermeister der Marktgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge als Baubehörde I. Instanz anzusuchen. Weiters wurde bei dieser Beschau festgestellt, daß ein im linken Wohnraum aufgestellter Einzelofen für feste Brennstoffe über einen Rauchabzug verfügt, der durch eine Zwischenmauer und sodann eine offensichtlich gemauerte Poterie oberhalb der Eingangstür in den schliefbaren Kamin führt. Diese Art der Ableitung der Verbrennungsgase ist gemäß § 51 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1976 unzulässig und daher unverzüglich zu beseitigen. Gemäß § 92 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 ist für die Nebengebäude, für die offensichtlich bisher keine Baubewilligung erwirkt wurde, binnen 4 Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides unter Vorlage von Projektsunterlagen in dreifacher Ausfertigung um die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung beim Bürgermeister der Marktgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge als Baubehörde I. Instanz anzusuchen.

II. An Verfahrenskosten ist ein Betrag von S 2.100,-- binnen acht Tagen nach Rechtskraft dieses Bescheides mittels beiliegendem Zahlschein zur Einzahlung zu bringen"

Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern, wie sie in ihrer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausführen, am zugestellt.

In einer mit datierten Berufung beantragten die Beschwerdeführer, den gesamten Bescheid aufzuheben. Dieser Schriftsatz enthielt zunächst ausschließlich Ausführungen zu dem Auftrag, einen Abort mit Wasserspülung zu errichten. Abschließend wurde bemerkt, daß die Begründung zu den weiteren Punkten in den nächsten Tagen nachgereicht werde. Diese Berufung wurde am zur Post gegeben.

In einem weiteren Schriftsatz vom setzten die Beschwerdeführer die Begründung der Berufung fort, indem sie sich auch gegen die anderen Vorschreibungen der Behörde wendeten. In einem Schreiben vom führten die Beschwerdeführer aus, durch einen unerwarteten Rückfall in einer schweren Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin bzw. infolge einer kurzfristigen Erkrankung des Zweitbeschwerdeführers sei es ihnen unmöglich gewesen, das Berufungsschreiben vom ordentlich fertigzustellen. Sie hätten die Begründung dazu im beiliegenden Schreiben angeschlossen. Sie ersuchten die Behörde um Fristverlängerung für diese Nachreichung. Sollte das der Behörde nicht möglich sein, stellten sie den Antrag, aus den genannten Gründen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dieses Schreiben wurde offensichtlich mit dem im Akt erliegenden Kuvert am der Post zur Beförderung übergeben.

Nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gab der Gemeinderat der nunmehrigen Stadtgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge mit Bescheid vom der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde zu dem Vorbringen der Beschwerdeführer über die geforderte Errichtung des Abortes Stellung genommen, hinsichtlich des Schriftsatzes vom (Fortsetzung der Begründung) jedoch nur festgestellt, daß dieser verspätet eingebracht worden sei und daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen werde. In diesem Punkt werde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Gegen diese Berufungserledigung erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die NÖ Landesregierung.

Mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Säumnisbeschwerde beantragten die Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, nämlich dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgeben und bis dahin dem Antrag aufschiebende Wirkung beilegen bzw. falls nicht anders möglich, der belangten Behörde den kurz befristeten Auftrag zur Entscheidung erteilen und auch diesem aufschiebende Wirkung beilegen.

Mit Verfügung vom leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und stellte der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG die Beschwerde mit dem Auftrag zu, innerhalb der Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen.

Mit Schreiben vom teilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß die Angelegenheit derzeit nicht bearbeitet werden könne, da sich der gesamte Bauakt beim Amt der NÖ Landesregierung befinde. Die Stadtgemeinde sei der Meinung, daß sich der Verwaltungsgerichtshof an Ort und Stelle von den Gegebenheiten auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer überzeugen und in der Sache selbst eine Entscheidung treffen sollte.

Auf telefonisches Ersuchen legte das Amt der NÖ Landesregierung die Akten der Gemeinde vor.

Da die belangte Behörde über den Antrag der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bisher nicht entschieden hat, erweist sich die Beschwerde als zulässig. Da die belangte Behörde auch die ihr mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom eingeräumte Frist zur Nachholung des Bescheides ungenützt verstreichen ließ, hatte der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden.

Nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Ihren Antrag haben die Beschwerdeführer, wie erwähnt, auf Verwaltungsebene damit begründet, daß die Erstbeschwerdeführerin durch einen unerwarteten Rückfall in einer schweren Erkrankung und der Zweitbeschwerdeführer durch kurzfristige Erkrankung ihre Berufung vom nicht hätten ordentlich fertigstellen können. In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang vorgebracht, die Erstbeschwerdeführerin sei zu dieser Zeit pflegebedürftig (Zeit vor schweren Operationen und Grippe) gewesen und hätte die Berufung nicht schreiben können. Der Zweitbeschwerdeführer hätte die Berufung fristgerecht fertigstellen können, wenn in den letzten Stunden der Frist (ohne Delegationsmöglichkeit) nicht auch ihm durch hohes Fieber als Folge eines grippalen Infektes und Kreislaufschwäche ein Arbeiten unmöglich geworden wäre.

Die Beschwerdeführer haben im Verwaltungsverfahren selbst nicht einmal den Versuch unternommen, den von ihnen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine Krankheit nicht von vornherein regelmäßig als Wiedereinsetzungsgrund zu werten ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 9706/A). Im gegenständlichen Fall ist nicht erkennbar, was auf das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes hinweist. Damit sind die Antragsteller ihrer Pflicht zur Glaubhaftmachung im Sinne des Gesetzes nicht nachgekommen. Wenn eine Berufung rechtzeitig erstellt werden konnte, dann ist nicht einzusehen, warum eine geringfügige Ergänzung dieser Berufung nicht mehr möglich gewesen sein sollte. Da die Beschwerdeführer jedenfalls nicht glaubhaft gemacht haben, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert waren, die Berufungsfrist einzuhalten, war schon aus diesem Grunde ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.