VwGH vom 05.09.1995, 94/08/0019

VwGH vom 05.09.1995, 94/08/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der E in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom , Zl. IVc 7022 B-Mag. Bo/Fe, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand ab bis jedenfalls im Bezug der Notstandshilfe. Durch eine Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde dem Arbeitsamt Bruck/Mur erstmalig im September 1992 der Umstand bekannt, daß die Beschwerdeführerin seit bei der L.-GmbH in Leoben beschäftigt gewesen sei.

Über eine Anfrage des Arbeitsamtes teilte die Steiermärkische Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom mit, daß sich die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin auf ihre Angaben "anläßlich ihrer Einvernahme durch die Verwaltungsbehörde" stütze. Darin habe die Beschwerdeführerin angegeben, gegen ein monatliches Entgelt von S 2.400,-- zuzüglich einem Trinkgeld von S 1.000,-- beschäftigt gewesen zu sein, wobei sich das Entgelt im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses auf S 2.700,-- pro Monat (exklusive Trinkgeld) erhöht habe. Die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin bei der L.-GmbH sei demnach gegeben.

Am übermittelte der Steuerberater der L.-GmbH dem Arbeitsamt eine mit datierte Arbeitsbescheinigung, wonach die Beschwerdeführerin bei der L.-GmbH in der Zeit vom bis als "Aushilfe-Service" und vom bis als "Abwäscherin geringfügig beschäftigt" gewesen sei. Sie habe im November und Dezember 1991 je S 2.772,-- brutto und in der Zeit vom Jänner bis April 1992 je S 2.924,-- brutto monatlich erhalten. Sie sei bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse als Arbeiterin versichert und auch arbeitslosenversichert gewesen.

Am gab die Beschwerdeführerin vor dem Arbeitsamt niederschriftlich an, sie gebe zu, daß sie die Angaben in der Niederschrift mit der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gemacht habe, müsse aber rückwirkend betrachtet dazu sagen, daß sie sich überrumpelt vorgekommen sei, weil sie monatlich nur drei bis vier Tage beschäftigt gewesen sei und pro Tag maximal S 100,-- Trinkgeld bekommen habe. Im Service sei sie vom bis beschäftigt gewesen. Vom bis habe sie nur noch abräumen und abwaschen dürfen. Seit sei sie nicht mehr - auch nicht geringfügig - beschäftigt. Sie ersuche mit der Rückforderung abzuwarten, bis das Verfahren vor der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse abgeschlossen sei.

Am übersandte der Steuerberater der L.-GmbH eine "berichtigte Arbeitsbescheinigung" vom , weil jetzt mit der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse abgeklärt worden sei, wann die Beschwerdeführerin bei der Gebietskrankenkasse hätte gemeldet werden müssen. Nach dieser berichtigten Arbeitsbescheinigung sei die Beschwerdeführerin vom bis als "Aushilfe-Service" und vom 1. Jänner bis als "Abwäscherin" geringfügig beschäftigt gewesen. Sie sei bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse als Arbeiterin versichert und auch arbeitslosenversichert gewesen. An Bezügen habe sie von Juli 1991 bis Dezember 1991 monatlich S 3.772,-- brutto und von Jänner 1992 bis April 1992 monatlich S 2.924,-- brutto erhalten.

Mit Bescheid vom sprach das Arbeitsamt aus, daß gemäß § 38 i.V.m. § 24 Abs. 2 ASVG der Bezug der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für die Zeit vom bis widerrufen und die Beschwerdeführerin gemäß § 38 i.V.m. § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Betrag von S 145.838,-- verpflichtet werde. Begründet wurde die Entscheidung damit, daß die Beschwerdeführerin im genannten Zeitraum Notstandshilfe zu Unrecht bezogen habe, weil sie in Beschäftigung gestanden sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin lediglich ein, daß die Angaben, die der erstinstanzlichen Behörde zur Verfügung gestellt worden seien, sich mit ihren Angaben nicht deckten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Bescheidbegründung wird nach Zitierung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens ausgeführt, es werde von der belangten Behörde festgestellt, daß laut Steiermärkischer Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin vom bis monatlich brutto S 3.400,-- und vom bis monatlich brutto S 3.772,-- an Einkommen erzielt habe; an Sonderzahlungen habe sie für das Jahr 1989 S 1.000,--, für 1990 S 4.800,-- und für 1991 S 5.544,-- erhalten. Entgegen dem Berufungseinwand sei somit im relevanten Zeitraum ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen, weil das bezogene Einkommen einschließlich des von der Beschwerdeführerin angegebenen Trinkgeldes über der jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenze gelegen sei. Sie gelte daher nach den zitierten gesetzlichen Bestimmungen im relevanten Zeitraum nicht als arbeitslos. Die gewährte Nostandshilfe sei daher zu widerrufen gewesen. Da die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit verschwiegen habe, sei die Nostandshilfe auch zurückzufordern gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach ausschließlich Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Beschwerdevorbringen sei die Begründung des angefochtenen Bescheides in sich widersprüchlich. Die belangte Behörde stütze sich nämlich darauf, daß die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben drei bis vier Tage beschäftigt gewesen sei und pro Tag maximal S 100,-- an Trinkgeld bekommen habe. Im Text sei jedoch weiters sofort ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis nur als Abräumerin und Abwäscherin tätig gewesen sei, womit kaum Trinkgeld habe verbunden sein können. Aus der Arbeitsbescheinigung des Steuerberaters der L.-GmbH ergebe sich wiederum, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit vom " bis und vom bis " beschäftigt gewesen sei. Dennoch werde mit dem angefochtenen Bescheid die bezogene Notstandshilfe für den gesamten Zeitraum vom bis zurückgefordert, wobei sich die belangte Behörde hinsichtlich der Höhe des Entgeltes auf diese offenbar unrichtige Arbeitsbescheinigung stütze, von der die Beschwerdeführerin überhaupt keine Kenntnis gehabt habe. Der Beschwerdeführerin selbst lägen Lohnzettel für die Monate Oktober und Dezember 1990 sowie Jänner bis Oktober 1991 vor, aus denen sich ergebe, daß sie Bezüge jeweils unter der Geringfügigkeitsgrenze erhalten habe. Diese Lohnzettel sowie die Überweisungsbelege der L.-GmbH für Oktober 1990 sowie Juli bis Oktober 1991 würden vorgelegt. Die Beschwerdeführerin, die im Verwaltungsverfahren unvertreten gewesen sei, habe also nach den ihr zur Verfügung stehenden Beweismitteln jeweils nur Entgelte unter der Geringfügigkeitsgrenze bezogen, sodaß die bescheidmäßig festgesetzte Rückforderung an Notstandshilfe ungerechtfertigt sei. Die belangte Behörde habe sich offenbar nur unzureichend mit dem Sachverhalt befaßt und insbesondere der Beschwerdeführerin kein ausreichendes Gehör gewährt bzw. keine ausreichende Belehrung über erforderliche Beweisanbote erteilt.

Daran ist richtig, daß die belangte Behörde in der Sachverhaltsdarstellung - offenkundig unrichtig, wie sich aus der im Akt erliegenden und oben wiedergegebenen berichtigten Arbeitsbescheinigung ergibt - festgestellt hat, es sei aus dieser Arbeitsbescheinigung zu ersehen, daß die Beschwerdeführerin vom " bis als Aushilfe im Service und vom bis zum als Abwäscherin" bei der L.-GmbH beschäftigt gewesen sei.

Die belangte Behörde stützt sich aber - entgegen den Beschwerdeausführungen - nicht auf diese unrichtig zitierte berichtigte Arbeitsbescheinigung, sondern auf Feststellungen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse im Verfahren über die Versicherungspflicht, die sich wiederum entscheidend auf die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Vernehmung vor der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur gründen. Die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde vorgelegten Lohnzettel, die mit den im Akt erliegenden übereinstimmen, stehen unter Bedachtnahme auf die genannte Aussage, wonach sie zuzüglich ein Trinkgeld von S 1.000,-- monatlich erhalten habe, diesen Feststellungen nicht entgegen: Nach diesen Lohnzetteln erhielt sie nämlich im Oktober 1990 sowie von Dezember 1990 bis Februar 1991 von der L.-GmbH monatlich zwar nur S 2.400,-- brutto und von März 1991 bis Dezember 1991 nur S 2.772,--, erzielte aber nach der gemäß § 49 Abs. 1 ASVG gebotenen Hinzurechnung des Trinkgeldes von S 1.000,-- monatlich an Entgelt S 3.400,-- bis und S 3.772,-- vom 1. März bis . Demnach hat die Beschwerdeführerin, wenn man im übrigen von der Aussage vor der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur ausgeht, auch nach den "ihr zur Verfügung stehenden Beweismitteln" unter Hinzurechnung der Trinkgelder im relevanten Zeitraum doch Entgelte über der Geringfügigkeitsgrenze bezogen.

Die Beschwerdeführerin hat nun allerdings in der oben wiedergegebenen Niederschrift vor dem Arbeitsamt am angeführt, sie habe zwar die Angaben, auf die sich die Steiermärkische Gebietskrankenkasse stütze, gemacht, sei sich aber aus den angeführten Gründen "rückwirkend betrachtet" als "überrumpelt" vorgekommen.

Darauf hat sich aber die belangte Behörde - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht gestützt, sondern diese Angaben angesichts der ursprünglichen Angaben der Beschwerdeführerin vor der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur nicht als glaubwürdig erachtet. Die Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) hat der Verwaltungsgerichtshof aber im Rahmen der ihm obliegenden Bescheidkontrolle nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit und Mängelfreiheit (Berücksichtigung aller im Rahmen der Beweiswürdigung in Betracht kommenden Umstände) zu prüfen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 8619/A, und vom , Zl. 92/08/0175). Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes ist aber diese Beweiswürdigung, einerseits unter Bedachtnahme auf die einleitend angestellten Erwägungen und andererseits angesichts des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin ihre ursprünglichen Angaben vor der Verwaltungsbehörde erst in der genannten Weise abgeschwächt hat, als sie die Gefahr einer Rückforderung der bezogenen Notstandshilfe erkannt hat, nicht mit Verfahrensmängeln behaftet, die vom Verwaltungsgerichtshof aufgegriffen werden könnten.

Die Beschwerdeführerin übersieht überdies, daß selbst bei Zugrundelegung ihrer Aussage vom , das von ihr im relevanten Zeitraum bezogene Entgelt (unter Einschluß der behaupteten Trinkgelder von S 300,-- bis S 400,-- monatlich) ebenfalls über der jeweiligen Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. b ASVG von S 2.593,-- monatlich im Jahre 1989, S 2.658,-- monatlich im Jahre 1990 und S 2.772,-- monatlich im Jahre 1991 gelegen wäre, wenn man als Trinkgeld in den Monaten Jänner und Februar 1991 ein solches von S 400,-- annähme. Daß sie in den Monaten Oktober bis Dezember 1991, in denen sie nach ihrer Behauptung nicht mehr im Service tätig gewesen sei, kein Trinkgeld erhalten habe, hat sie in dieser Vernehmung nicht angeführt; diesbezüglich heißt es aber auch in der Beschwerde nur, es habe mit dieser Tätigkeit "kaum Trinkgeld verbunden sein" können. Da die Beschwerdeführerin aber in diesen Monaten S 2.772,-- von der L.-GmbH erhalten hat, genügte zur Überschreitung der damit identen Geringfügigkeitsgrenze ein auch nur geringes Trinkgeld.

Aus den angeführten Gründen ist auch in dem Umstand, daß der Beschwerdeführerin die berichtigte Arbeitsbescheinigung der L.-GmbH im Verwaltungsverfahren offensichtlich nicht zur Kenntnis gelangt ist, kein relevanter Verfahrensmangel zu erblicken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.