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VwGH 17.09.1991, 91/05/0079

VwGH 17.09.1991, 91/05/0079

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ABGB §1010;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
RAO 1868 §14;
ZPO §31;
ZPO §32;
ZustG §9 Abs1;
RS 1
Der substituierte Rechtsanwalt steht nur dann in einem direkten Vertragsverhältnis mit dem Vollmachtgeber, wenn er von diesem direkt Vollmacht erhalten hat. Andernfalls hat der substituierte Rechtsanwalt im Verfahren keine Vollmacht zur Empfangsnahme von Schriftstücken (Hinweis E , 85/18/0268).
Normen
AVG §10 Abs1;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
ZustG §9 Abs1;
RS 2
Die Bestellung eines RA zum mittlerweiligen Stellvertreter eines ehemaligen RA begründet kein Vollmachtsverhältnis zwischen dem mittlerweiligen Vertreter und dem Klienten des ehemaligen RA (Hinweis B , 83/08/0091, VwSlg 11112 A/1983).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1990/10/30 90/04/0043 2
Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
ZustG §9 Abs1;
RS 3
Bestehen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu dem vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer bestellten "mittlerweiligen Stellvertreter", hat dieser keine Vollmacht zur Empfangnahme von Schriftstücken.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des Gottfried H in T, vertreten durch Dr. XN, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/3-1270-91, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Bauverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In einem Verfahren betreffend die Vorauszahlung der Kosten für die Entfernung eines Wohnhauses hat der Beschwerdeführer mit einem am bei der Bezirkshauptmannschaft Krems eingelangten Antrag auf Innehaltung der Exekution eine Vollmacht lautend auf Dr. YN, Rechtsanwalt in Wien, vorgelegt. Mit Bescheid vom behob die Bezirkshauptmannschaft Krems gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 ihren Bescheid vom , mit dem das Verfahren über die Zwangsversteigerung des Grundstückes Nr. 1702, EZ 1246, KG A, bis zum rechtskräftigen Abschluß des bei der Baubehörde der Stadtgemeinde Langenlois anhängigen Verfahrens um Erteilung einer Baubewilligung für eine Frühstückspension ausgesetzt worden war, mit sofortiger Wirkung. Dieser Bescheid erging an den Beschwerdeführer zu Handen Herrn Dr. YN und an den Beschwerdeführer in T, BRD (zur Kenntnis) persönlich. Im Akt ist lediglich die Zustellung zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. YN ausgewiesen, wobei auf dem Rückschein ein Stempel mit folgendem Wortlaut angebracht ist: "Dr. XN als mit Beschluß der RAK Wien vom für den am verstorbenen Dr. YN bestellter mittlerweiliger Stellvertreter". Der Bescheid wurde nach dem Rückschein von einem Arbeitnehmer des Empfängers übernommen. Am langte bei der Bezirkshauptmannschaft Krems eine auf Dr. XN lautende Vollmacht, unterzeichnet vom Beschwerdeführer am , ein. Diese Vollmachtsvorlage wurde mit dem Antrag verbunden, den Bescheid vom neuerlich zuzustellen, weil die seinerzeit erfolgte Zustellung an Dr. YN wegen dessen Ablebens am und dem damit verbundenen Erlöschen seiner Einschreitervollmacht ungültig sei. Der mittlerweilige Stellvertreter sei auf Grund der einschlägigen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung nicht zur Vertretung des Mandanten eines verstorbenen Rechtsanwaltes befugt. Mit Begleitschreiben vom wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom an den Beschwerdeführer zu Handen Dr. XN zugestellt, der Bescheid wurde laut Rückschein am von einem Arbeitnehmer des Dr. XN in dessen Kanzlei übernommen. Die dagegen am eingebrachte Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als verspätet zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, § 28 Abs. 1 lit. h RAO sehe vor, daß für einen verstorbenen, erkrankten oder abwesenden Rechtsanwalt ein "mittlerweiliger Stellvertreter" durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer bestellt werden könne. Abgesehen von dieser Regelung (mittlerweilige Stellvertretung) bestehe gemäß § 1025 ABGB eine Fortsetzungspflicht. Diese Tätigkeit im Rahmen der Fortsetzungspflicht gemäß § 1025 ABGB beruhe noch auf dem aufgehobenen Vollmachtsverhältnis. Die Fortsetzungspflicht sei aber zeitlich begrenzt und inhaltlich auf die unaufschiebbaren Geschäfte beschränkt. Danach müßten, wenn eine Vollmacht durch Tod aufgehoben werde, die Geschäfte, welchen keinen Aufschub litten, solange fortgesetzt werden, bis vom Machtgeber eine andere Verfügung getroffen worden ist oder füglich getroffen werden konnte. Hieraus ergebe sich, daß der "mittlerweilige Stellvertreter", wenn er das Rechtsmittel der Berufung ergreifen wolle, die Berufung nur innerhalb der nicht erstreckbaren Berufungsfrist erheben muß. Im gegenständlichen Fall sei der Bescheid vom am von einem Arbeitnehmer des Empfängers - hier nun des Rechtsanwaltes Dr. XN - übernommen worden. Mit diesem Tag () gelte sohin der Bescheid als erlassen und beginne mit diesem Tag die Berufungsfrist zu laufen. Daran vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, daß der Bescheid neuerlich zugestellt und am übernommen worden sei. Denn die mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen, insbesondere der Beginn des Laufes einer Rechtsmittelfrist, treten in dem Zeitpunkt ein, in dem das Schriftstück zum ersten Mal gültig zugestellt worden sei. Weiteren Zustellungen komme keine Wirkung zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden. Gemäß § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Beschluß vom , Zl. 85/18/0268, ausgesprochen, daß der substituierte Rechtsanwalt nur dann in einem direkten Vertragsverhältnis mit dem Vollmachtgeber steht, wenn er von diesem direkt Vollmacht erhalten hat. Andernfalls hat der substituierte Rechtsanwalt im Verwaltungsverfahren auch keine Vollmacht zur Empfangnahme von Schriftstücken.

Gemäß § 28 lit. h der Rechtsanwaltsordnung kann durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für einen verstorbenen, erkrankten oder abwesenden Rechtsanwalt ein "mittlerweiliger Stellvertreter" bestellt werden. Zu dieser Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof am , Zl. 1 Ob 725/50 (ÖJZ 1951, Evidenzblatt Nr. 123), ausgesprochen, daß die Bestellung zum Vertreter durch die Rechtsanwaltskammer gemäß § 28 lit. h RAO noch kein Vollmachtsverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Klienten des vertretenen Anwaltes begründet. Mit Urteil vom , Zl. 1 Ob 84/71 (ÖJZ 1971, Evidenzblatt Nr. 44), hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß die Bestellung zum mittlerweiligen Stellvertreter durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer noch kein Vollmachtsverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Klienten des vertretenen Anwaltes begründet, da der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer keine Vollmacht der Partei hat und sie daher auch nicht übertragen kann. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes, wonach die Bestellung zum mittlerweiligen Stellvertreter durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer kein Vollmachtsverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Klienten des vertretenen Anwaltes begründet. Da der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem zitierten Beschluß vom ausgesprochen hat, ausschlaggebend sei das Bestehen unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zu dem Substituten, ist in Verfolgung dieser Rechtsansicht davon auszugehen, daß mangels unmittelbarer vertraglicher Beziehung zu dem vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer bestellten "mittlerweiligen Stellvertreter" auch keine Vollmacht zur Empfangnahme von Schriftstücken (hier des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Krems vom ) vorlag. Die an den mittlerweiligen Stellvertreter erfolgte Zustellung des Bescheides entfaltete somit keine Rechtswirkung. Die Zustellung erfolgte vielmehr erst am , da zu diesem Zeitpunkt der nunmehrige Vertreter des Beschwerdeführers mit Vollmacht ausgewiesen war. Die am zur Post gegebene Berufung war daher rechtzeitig.

Da die belangte Behörde dies verkannte und die Berufung als verspätet zurückwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Aufwandersatz Umsatzsteuer bereits inbegriffen ist.

Mit der Erledigung der Beschwerde, ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

Zusatzinformationen


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Normen
ABGB §1010;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
RAO 1868 §14;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
ZPO §31;
ZPO §32;
ZustG §9 Abs1;
Schlagworte
Beginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilung
Ende Vertretungsbefugnis
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Substitution
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1991:1991050079.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAE-57201