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VwGH vom 01.06.1999, 99/08/0011

VwGH vom 01.06.1999, 99/08/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Dr. Eva-Maria Bachmann und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 15-II-E 13/97, betreffend rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 69 GSVG (mitbeteiligte Partei: J in W, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Ebendorferstraße 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Beschwerdeführerin vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 69 GSVG hinsichtlich der dem Mitbeteiligten mit Bescheid vom zuerkannten vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer, statt und trug der Beschwerdeführerin auf, einen neuen Leistungsbescheid über die Höhe der dem Mitbeteiligten zustehenden vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer für den Zeitraum vom bis zu erlassen.

In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage folgenden Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin habe mit Bescheid vom dem Mitbeteiligten ab eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in einer monatlichen Höhe von S 14.838,60 zuerkannt. Der Mitbeteiligte habe am die Übermittlung einer Pensionsberechnung begehrt. Nach Zusendung derselben habe er am den Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes mit der Wirkung vom Pensionsstichtag an gestellt, weil seine Pension zu niedrig bemessen worden sei.

Die Beschwerdeführerin habe am bescheidmäßig die Alterspension ab in Höhe von S 19.491,90 zuerkannt.

Mit weiterem Bescheid vom habe die Beschwerdeführerin den Antrag auf rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 69 GSVG abgelehnt. Hiebei sei die Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass der Pensionsberechnung 536 Versicherungsmonate zugrunde lägen. Der Versicherungsverlauf sei unstrittig geblieben.

Im Jahre 1984 seien die Beiträge von einer Beitragsgrundlage von S 240.229,-- und im Jahre 1988 von der Mindestbeitragsgrundlage entrichtet worden. Diese Beitragsgrundlagen seien auch der Pensionsbemessung lt. Bescheid vom zugrunde gelegen. Weder bei der Rechenoperation an sich, noch bei der EDV-mäßigen Verarbeitung sei ein Fehler unterlaufen.

Unstrittig sei jedoch auch, dass die Beschwerdeführerin bei der Feststellung der Beitragsgrundlage 1988 die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 enthaltenen Einkünfte aus selbständiger Arbeit in der Höhe von S 124.195,-- nicht berücksichtigt habe. Ebenso sei bei der Feststellung der Beitragsgrundlage 1984 ein Investitionsfreibetrag 1981 in der Höhe von S 458.844,-- nicht berücksichtigt worden.

In der rechtlichen Beurteilung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Nichtberücksichtigung der Einkünfte lt. Einkommensteuerbescheid 1985 für die Beitragsgrundlage 1988 stelle ein offenkundiges Versehen dar. Dieses Einkommen hätte zweifellos für die Feststellung der Beitragsgrundlage herangezogen werden müssen. Die dadurch unrichtige Beitragsgrundlage habe in weiterer Folge eine zu niedrig bemessene Pension des Mitbeteiligten bewirkt. Dies gelte auch für die Nichtberücksichtigung des Investitionsfreibetrages 1981.

Da der Versicherungsträger lt. dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , 12 R 104/62 (richtig: 15 R 104/62) verpflichtet sei, den gesetzlichen Zustand ab dem Anfallstag der Pension herzustellen, wenn ihm nach der Bescheiderlassung nachgewiesen werde, dass die von ihm angenommene Bemessungsgrundlage unrichtig sei, seien die Voraussetzungen für die Herstellung des gesetzlichen Zustandes nach § 69 GSVG gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet stellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. die zur Parallelbestimmung des § 101 ASVG ergangenen Erkenntnisse vom , Zl. 98/08/0002, und vom , Zl. 97/08/0639, mit Hinweisen auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes) ist die Entscheidung, ob der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, eine Verwaltungssache, die Herstellung dieses Zustandes selbst hingegen eine Leistungssache. Demgemäß hat sich der mit Einspruch angerufene Landeshauptmann auf die Frage der Zulässigkeit der Herstellung des gesetzlichen Zustandes (die auch dann zu verneinen ist, wenn kein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt und kein offenkundiges Versehen vorliegt) zu beschränken und den Sozialversicherungsträger bejahendenfalls die Herstellung, und d.h. die Erlassung eines neuen Leistungsbescheides aufzutragen.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unstrittig, dass bei Feststellung der Beitragsgrundlage 1984 der im Jahre 1981 getätigte Investitionsfreibetrag von S 458.844,-- nicht berücksichtigt wurde; bei Bedachtnahme darauf wäre die Beitragsgrundlage für das Jahr 1984 mit einer höheren, nämlich der Höchstbeitragsgrundlage, zu bemessen gewesen. Bei der Beitragsgrundlagenbildung 1988 blieben die Einkünfte aus selbständiger Arbeit von S 124.195,-- unberücksichtigt. Aus diesem Grunde wurden die Beiträge aufgrund der Mindestbeitragsgrundlage, anstelle einer solchen von S 123.428,--, bemessen.

Die belangte Behörde zieht im angefochtenen Bescheid daraus den Schluss, dass die unrichtige Berechnung der Beitragsgrundlagen auch eine zu niedrig bemessene Pension bewirkt habe und darin ein gemäß § 69 GSVG zu behebender Bemessungsfehler zu erblicken sei. Dieser Auffassung kann - wie noch darzustellen sein wird - nicht gefolgt werden.

Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt macht geltend, dass die (erst 1997, im Anschluss an die Antragstellung des Mitbeteiligten erfolgte) Berichtigung der Beitragsgrundlagen eine Beitragsnachbelastung gezeitigt habe. Diese Beitragsdifferenz habe der Mitbeteiligte am bezahlt. Aus diesem Grunde habe die Beschwerdeführerin die Pensionsleistung ab dem nächstfolgenden Monatsersten neu bemessen. Die Nachzahlung dieser Beitragsdifferenz könne aber nicht zu einer höheren Pension bereits ab dem Stichtag, nämlich dem , führen. Es sei ein allgemeiner Grundsatz der Pensionsversicherung, dass ein Pensionsanspruch erst dann entstehe, wenn entsprechende Beitragsleistungen erbracht worden seien. So seien nach § 115 Abs. 1 Z. 1 GSVG Zeiten der Beitragspflicht nach diesem Bundesgesetz erst dann als Beitragszeiten anzusehen, wenn die Beiträge i.S. des § 118 GSVG wirksam entrichtet worden seien. Von diesem Grundsatz bestünden zwar Ausnahmen, die jedoch im vorliegenden Fall keine Bedeutung hätten.

Der Mitbeteiligte bekämpft in seiner Gegenschrift diese Auffassung der Beschwerdeführerin mit dem Hinweis, dass § 115 GSVG die Frage behandle, unter welchen Voraussetzungen Zeiten als Beitragszeiten anzusehen seien. Bei den im Beschwerdefall fraglichen Zeiträumen handle es sich unstrittig um Beitragszeiten. Zur Ermittlung der Beitragsgrundlage trage diese Bestimmung nichts bei. Auch die Bestimmung des § 118 GSVG könne sich nicht auf Fälle der rückwirkenden Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen gemäß § 69 GSVG beziehen. Dies würde nämlich bedeuten, dass die rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gar nicht möglich wäre, weil in so einem Fall die vom Versicherungsträger ursprünglich zu niedrig vorgeschriebenen und erst nachträglich in der richtigen Höhe einbezahlten Beträge als unwirksam anzusehen wären. Da die unrichtige Bemessung der Versicherungsleistung auf einem offenkundigen Versehen bzw. einem wesentlichen Irrtum über den Sachverhalt beruhe, und bei ordnungsgemäßer Ermittlung der entsprechenden Daten durch den Versicherungsträger von Beginn an die Geldleistungen in einem höheren Betrag gebührt hätten, habe der neue Leistungsbescheid auf den ursprünglichen Leistungszeitpunkt, hier den , abzustellen.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin ist im Ergebnis zuzustimmen. Die entscheidende Frage ist, ob der bei Ermittlung der Beitragsgrundlagen unterlaufene Tatirrtum dafür kausal war, dass die Leistung zu Unrecht zu niedrig bemessen wurde. Dies ist zu verneinen.

Gemäß § 122 Abs. 1 GSVG ist Bemessungsgrundlage für die Leistungen aus der Pensionsversicherung die Summe der 180 höchsten monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen (§ 127 bzw. § 127a) aus dem Zeitraum vom erstmaligen Eintritt in die Versicherung bis zum Ende des Letzten vor dem Stichtag oder dem Bemessungszeitpunkt gemäß § 143 liegenden Kalenderjahres, geteilt durch 210. Gemäß § 127 Abs. 1 sind die für die Bildung der Bemessungsgrundlage gemäß § 122 heranzuziehenden monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen aus den Beitragsgrundlagen eines Beitragsjahres unter Bedachtnahme auf Abs. 2 zu ermitteln, indem die Summe der Beitragsgrundlagen der Pflichtversicherung eines Kalenderjahres durch die in diesem Kalenderjahr liegenden Beitragsmonate der Pflichtversicherung geteilt wird. Gemäß § 127 Abs. 2 leg. cit. ist bei der Ermittlung der jeweiligen Gesamtbeitragsgrundlage als Beitragsgrundlage für Beitragszeiten nach dem die Beitragsgrundlage gemäß § 25 dieses Bundesgesetzes oder gemäß § 17 des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes heranzuziehen. Als Beitragszeiten sind gemäß § 115 Abs. 1 Z. 1 GSVG die Zeiten der Beitragspflicht nach diesem Bundesgesetz oder nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes, wenn die Beiträge innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Kalendermonates, für den sie gelten sollen, die Beiträge gemäß § 35 Abs. 2, 3 oder 4 innerhalb von fünf Jahren nach Feststellung der endgültigen Beitragszulage wirksam (§ 118) entrichtet worden sind, anzusehen.

Die in den §§ 122 und 127 GSVG angesprochenen Beitragszeiten sind Zeiten der Beitragspflicht nach diesem Bundesgesetz oder nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz, wenn die Beiträge fristgerecht (§ 115 Abs. 1 Z. 1 GSVG) und wirksam (§ 118 GSVG) entrichtet worden sind. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass grundsätzlich bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage Beitragsgrundlagen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn die hierauf beruhenden Beiträge fristgerecht, vollständig und wirksam entrichtet wurden. Im GSVG ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, dass die Höhe der Pension von der Höhe der entrichteten Beiträge abhängt, dies folgt jedoch aus den einzelnen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang. Die richtige Ermittlung von Beitragsgrundlagen schlechthin, wie die belangte Behörde meint, führt für sich allein noch nicht dazu, dass diese Beitragsgrundlagen als Bemessungsgrundlagen für die Leistung heranzuziehen sind. Auch der Mitbeteiligte übersieht dies, wenn er meint, Beitragszeiten seien gegeben und daher sei statt der fehlerhaften niedrigeren Beitragsgrundlage die berichtigte höhere als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt dem gegenüber die Auffassung, dass die Bemessungsgrundlage aus den vom Versicherten erworbenen Beitragsgrundlagen gebildet wird. Der Erwerb von Beitragsgrundlagen setzt nach dem GSVG nicht nur Zeiten der Beitragspflicht nach diesem Bundesgesetz oder nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz voraus, sondern u.a. auch die wirksame Entrichtung der Beiträge für diese Zeiten.

Für die hier strittigen Jahre liegt eine auf dem Stichtag für die Pensionszuerkennung zurückwirkende Beitragsentrichtung nicht vor:

Der Beschwerdeführerin ist daher zuzustimmen, dass § 118 Abs. 1 GSVG der nachträglichen Beitragsentrichtung die Wirksamkeit für die Zeiten vor dem Stichtag nimmt. Zweck dieser Bestimmung ist es, zu verhindern, dass der Versicherte durch spekulative Überlegungen das Versicherungsrisiko einseitig zu Lasten des Versicherungsträgers verschiebt. Auch ein Ausnahmefall im Sinn § 118 Abs. 2 GSVG ist nicht gegeben. Eine analoge Anwendung des § 118 Abs. 2 lit. f oder g GSVG scheidet aus. Nach diesen Bestimmungen hat der Leistungsansprecher die nachträglich festgesetzten Beiträge nämlich unbedingt zu entrichten, es kommt ihm also keine Entscheidungsmöglichkeit darüber zu, ob er die Beiträge bezahlt oder nicht bezahlt. Demgegenüber hätte es der Leistungsbezieher in einem Fall wie dem vorliegenden in der Hand, die nachträglich festgestellten Beiträge zu entrichten oder nicht.

Da die belangte Behörde bereits das bloße Hervorkommen eines Fehlers bei Ermittlung der Beitragsgrundlagen als kausal für die Leistungsbemessung angesehen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am