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VwGH 29.06.1995, 94/07/0178

VwGH 29.06.1995, 94/07/0178

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §9;
RS 1
Allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, daß dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, findet eine Auswechslung oder eine Überschreitung der "Sache" nicht statt (Hinweis E , 87/04/0022). Dasselbe gilt für den Fall, daß dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen (hier: des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH, sondern als Inhaber einer Einzelfirma zugerechnet werden können. Der § 9 VStG legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, er normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe (Hinweis E , 81/11/0097, VwSlg 10893 A/1982).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1994/06/30 94/09/0035 6
Normen
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §9;
RS 2
Der VwGH hat wiederholt ausgesprochen, daß allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, daß dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der Sache des Berufungsverfahrens nicht stattfindet, was auch für den Fall gilt, daß dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GesmbH, sondern als Inhaber eines Einzelunternehmens zugerechnet werden können (Hinweis E , 94/09/0035, E , 87/04/0022, E , 81/11/0097). Nichts anderes gilt, wenn die Berufungsbehörde den Beschuldigten als nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen hat, für welche er im erstinstanzlichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht worden war. Dies stellt also keine unzulässige Änderung des Tatvorwurfs oder eine Überschreitung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde nach § 66 Abs 4 AVG dar.
Normen
AVG §45 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
RS 3
Das Recht auf Parteiengehör ist kein abstraktes, sondern ein solches, das den ordentlichen Gang des Ermittlungsverfahrens in Richtung der Erforschung der materiellen Wahrheit gewährleisten soll. Verletzungen des Parteiengehörs, die auf den Verfahrensausgang keine Auswirkungen haben, sind keine im § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG genannten Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Hinweis E , 16/66, VwSlg 7070 A/1967).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 85/02/0272 E RS 3

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der I in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. I/6-1579/93, betreffend Übertretung nach dem Chemikaliengesetz (weitere Partei des Verfahrens: Bundesminister für Umwelt), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Krems (BM) vom wurde die Beschwerdeführerin wegen näher bezeichneter Tathandlungen, die sie "als Verantwortliche der Firma S. Gesellschaft m.b.H." gesetzt habe, dreier Verwaltungsübertretungen nach dem Chemikaliengesetz schuldig erkannt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung beschränkte sich die Beschwerdeführerin, wie sie dies schon in einem zuvor erhobenen Einspruch gegen die Strafverfügung und in einer schriftlichen Rechtfertigung getan hatte, auf eine ohne Erstattung eines Sachvorbringens erklärte Bestreitung des Tatvorwurfes.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß der Spruch dieses Straferkenntnisses dahin abgeändert wurde, daß die Bezeichnung "Verantwortliche" durch die Funktionsbezeichnung "handelsrechtliche Geschäftsführerin" ergänzt und die "Firmenbezeichnung" in "Johann S. & Co Gesellschaft m.b.H." richtiggestellt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom , B 1958/94, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof erklärt die Beschwerdeführerin sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Parteiengehör und einschlußweise auch in ihrem Recht darauf als verletzt, in dem über ihre Berufung ergehenden Bescheid nicht als handelsrechtliche Geschäftsführerin eines anderen Unternehmens als desjenigen zur Verantwortung gezogen zu werden, für welches sie im erstinstanzlichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht worden war. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde seiner Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die genannte Bestimmung legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, sie normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, daß dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der Sache des Berufungsverfahrens nicht stattfindet, was auch für den Fall gilt, daß dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H., sondern als Inhaber eines Einzelunternehmens zugerechnet werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 94/09/0035, vom , 87/04/0022, und vom , 81/11/0097). Nichts anderes hat im Beschwerdefall zu gelten. Daß die belangte Behörde die Beschwerdeführerin als nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen hat, für welche sie im erstinstanzlichen Straferkenntnis verantwortlich gemacht worden war, stellte eine unzulässige Änderung des Tatvorwurfes oder eine Überschreitung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG nicht dar.

Soweit die Beschwerdeführerin es aber rügt, daß ihr zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Änderung der juristischen Person, als deren verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche sie nunmehr angesehen wurde, das Parteiengehör nicht gewährt wurde, könnte ein darin gelegener Verfahrensmangel zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nur dann führen, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung des gegebenenfalls vorgelegenen Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können. Dies dem Verwaltungsgerichtshof aufzuzeigen, wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, welcher es oblag, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels durch ein Vorbringen darüber darzutun, welches im Falle der Gewährung des Parteiengehörs von ihr erstattete Vorbringen im Verwaltungsverfahrens aus welchen Gründen geeignet hätte sein können, die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid gelangen zu lassen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 610, wiedergegebene

hg. Judikatur). Dies hat die Beschwerdeführerin unterlassen, womit ihrer Verfahrensrüge schon aus diesem Grund kein Erfolg beschieden sein kann.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die
Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht
Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes
Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten
Instanz
Verantwortlichkeit (VStG §9) zur Vertretung berufenes Organ
Parteiengehör
Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich
Tatbestand und Subsumtion
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1995:1994070178.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAE-57178