VwGH vom 21.11.1997, 96/19/3392
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des 1956 geborenen CC in Wien, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Markus Groh in 1080 Wien, Florianigasse 19/7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 118.987/2-III/11/96, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Er legte eine Bescheinigung des Bundesasylamtes vor, wonach er aufgrund eines rechtzeitig gestellten Asylantrages bis vorläufig aufenthaltsberechtigt sei.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er brachte vor, sein Asylantrag sei mit einem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Bundesministers für Inneres im Herbst 1995 abgewiesen worden. Seither verfüge er nicht mehr über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz. Zwar habe er dagegen "bei den Höchstgerichten" eine Beschwerde eingebracht, befinde sich aber bis zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieser Beschwerde "im rechtsfreien Raum".
Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluß vom der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den letztinstanzlichen Bescheid im Asylverfahren die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Der Beschwerdeführer verfüge daher nach wie vor über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz. Er benötige daher gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG auch keine Aufenthaltsbewilligung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
§ 1 Abs. 3, § 6 Abs. 2 und § 13 AufG lauten auszugsweise:
"§ 1. ...
...
(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie
...
6. auf Grund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.
§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ...
§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.
(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."
§ 7 Abs. 3 AsylG 1991 lautet:
"§ 7. ...
...
(3) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung kommt einem Asylwerber ab dem Zeitpunkt nicht mehr zu, zu dem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen wird oder einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung der Asylbehörden keine aufschiebende Wirkung zukommt."
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu einem Zeitpunkt, in dem ein Fremder aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt war, nicht zu erteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/19/1535 = ZfVB 1997/2/663, und vom , Zl. 96/19/0280).
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde gegen den seinen Asylantrag in letzter Instanz abweisenden Bescheid bewirke nicht, daß er gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG keine Aufenthaltsbewilligung benötige.
Ein die Zuerkennung des Asyls abweisender Bescheid ist nicht unmittelbar der "Vollstreckung" zugänglich. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem "Vollzug" für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Im Sinne des von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weit verstandenen Begriffes der "aufschiebenden Wirkung" bedeutet deren Zuerkennung, daß der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene letztinstanzliche Asylbescheid vorläufig keine Rechtswirkungen zu entfalten vermag (vgl. die zu einem Aufenthaltsverbot ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 93/18/0084, 0085, und vom , Zl. 93/18/0550). Danach ist davon auszugehen, daß mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung alle mit dem die Versagung des Asyls aussprechenden rechtskräftigen Bescheid verbundenen Wirkungen aufgeschoben wurden, somit auch die Gestaltungs-, Bindungs- und Tatbestandswirkung dieses Bescheides. Dies hatte wieder zur Folge, daß das Asylverfahren aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung noch nicht im Sinne des § 7 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991 als rechtskräftig abgeschlossen galt, weshalb dem Beschwerdeführer auch wieder das vorläufige Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. zukam.
Insoweit sich der Beschwerdeführer auf einen Erlaß "Dr. Matzkas" (gemeint wohl: des Bundesministers für Inneres) vom beruft, ist ihm zu entgegnen, daß dieser nicht im Bundesgesetzblatt kundgemachte Erlaß den Verwaltungsgerichtshof nicht zu binden vermag (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/0738).
Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, eine Überleitung seiner vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in eine reguläre Aufenthaltsbewilligung während seines Asylverfahrens sei notwendig, weil er ansonsten im Falle einer Abweisung seiner Beschwerde im Asylverfahren als unbegründet das Bundesgebiet verlassen müßte, so ist ihm zu entgegnen, daß gerade diese Konsequenz vom Gesetzgeber - wie aus §§ 6 Abs. 2 und 13 AufG unzweifelhaft hervorgeht - als gewünscht erachtet wurde.
Wenn der Beschwerdeführer darauf verweist, daß er im Falle einer Abschiebung in seinen Heimatstaat in Gefahr liefe, sein Leben oder seine Freiheit zu verlieren, so ist ihm zu entgegnen, daß diese Umstände nicht zu einer Erteilung der Aufenthaltsbewilligung trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes zu führen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 96/19/3402, AW 96/19/1873). Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe können bei der Entscheidung über seinen Asylantrag oder über die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 im Falle der Abweisung dieses Antrages von Bedeutung sein oder aber mit einem Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG geltend gemacht werden.
Die unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Rügen der Verletzung der Pflicht zur Ermittlung des Sachverhaltes sowie der Gewährung von rechtlichem Gehör vermögen der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil der Beschwerdeführer verabsäumt darzulegen, zu welchen konkreten Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel gelangt wäre.
Schließlich erachtet sich der Beschwerdeführer auch in seinem Recht auf Entscheidung der gegenständlichen Verwaltungsangelegenheit durch ein unabhängiges Tribunal im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK verletzt. Dabei verkennt er jedoch, daß eine Entscheidung darüber, ob es einem Fremden gestattet werden soll, im Bundesgebiet zu bleiben, keine Entscheidung über zivile Rechte oder strafrechtliche Anschuldigungen im Sinne des Art. 6 MRK betrifft. Art. 6 Abs. 1 MRK ist daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar (vgl. die Entscheidung der EKMR vom über die Beschwerde Nr. 14.620/89 gegen Österreich, abgedruckt in ÖJZ 1994, 34). Die Frage, die in der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des EGMR vom , Nr. 33/1994/480/562, im Fall Gradinger gegen Österreich (abgedruckt in ZVR 1996, 12 f) releviert wurde, ob der Verwaltungsgerichtshof (im Beschwerdeverfahren gegen einen im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen Bescheid) als Tribunal im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK zu qualifizieren ist, kann nach dem Vorgesagten hier dahingestellt bleiben.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und - wie oben dargestellt - Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Fundstelle(n):
YAAAE-57002