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VwGH 12.12.1997, 96/19/3389

VwGH 12.12.1997, 96/19/3389

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ARB1/80;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
VwRallg;
RS 1
Der Assoziationsratsbeschluß Nr 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates ist ein unmittelbar anwendbarer Rechtsakt der Europäischen Union (Hinweis EB E , 96/21/0641; Hinweis E , 95/19/0424).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1997/05/30 95/19/1469 1
Normen
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
RS 2
Es zeigt schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs 3 Z 4 AufenthaltsG 1992, welche die Bundesregierung berechtigt, Personen, die gemäß § 1 Abs 3 Z 1 AufenthaltsG 1992 aufenthaltsberechtigt SIND, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, daß auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs 3 Z 1 AufenthaltsG 1992 erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann. Daher ist die Frage, ob dem Fremden eine Bewilligung nach dem AufenthaltsG 1992 erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach DIESEM Gesetz vorlagen oder nicht (Hinweis E , 95/19/1549).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1997/04/25 95/19/0897 3 (hier ohne zweiten Satz)
Normen
AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §1;
B-VG Art103 Abs4;
RS 3
Aus der Tatsache, daß die Bezirkshauptmannschaft als erstinstanzliche Aufenthaltsbehörde tätig wird, folgt, daß eine derartige der Bezirkshauptmannschaft zuzurechnende (RV 525 BlgNr achtzehnte GP, 10; vgl auch VfSlg 11563/1987) Entscheidung hinsichtlich des Instanzenzuges als erstinstanzliche Entscheidung des Landeshauptmannes iSd Art 103 Abs 4 B-VG anzusehen ist, weshalb in dieser Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung der Instanzenzug mangels anderer bundesgesetzlicher Regelung an den zuständigen Bundesminister,im vorliegenden Fall an den Bundesminister für Inneres, geht.
Norm
AVG §66 Abs4;
RS 4
"Sache" iSd § 66 Abs 4 erster Satz AVG ist für die Berufungsbehörde die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (Hinweis E VS , 82/11/0270, VwSlg 11237 A/1983) und nicht das, was der Berufungswerber zum Inhalt der Berufungsschrift gemacht hat.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/11/11 90/19/0505 1
Normen
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §15;
FrG 1993 §65;
RS 5
Sowohl das im Berufungsantrag formulierte Erstbegehren auf Abänderung des Bescheides dahingehend, daß "die europarechtliche Aufenthaltsberechtigung des Berufungswerbers im Inland festgestellt" werde, als auch das Eventualbegehren auf Abänderung des Bescheides dahingehend, daß dem Berufungswerber "ein fremdenrechtlicher Sichtvermerk" erteilt werde, betrafen eine andere Sache. Da der Berufungswerber von der Berufungsinstanz nur eine andere Entscheidung in derselben "Sache", nicht aber die Entscheidung in einer anderen "Sache" begehren kann, ist ein in der Berufung gestellter Antrag auf Entscheidung in einer anderen Sache kein zulässiger Berufungsantrag. Da sich weder der Berufungshauptantrag noch der Berufungseventualantrag innerhalb der "Sache" des Verfahrens erster Instanz bewegten, liegt ein zulässiger Berufungsantrag nicht vor. Die Berufung ist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (Hinweis E , 784/68, VwSlg 7655 A/1969). Für die Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung, ein Fremder halte sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wäre die Fremdenpolizeibehörde, für eine solche über einen Antrag auf Feststellung, er sei zur Begründung eines Hauptwohnsitzes berechtigt, aber die Aufenthaltsbehörde zuständig.
Normen
61993CJ0312 Peterbroeck Van Campenhout VORAB;
61993CJ0430 Jeroen van Schijndel VORAB;
ARB1/80;
AufG 1992 §1;
AVG §66 Abs4;
EURallg;
RS 6
Eine iSd Judikatur des EuGH unzulässige (Hinweis Jeroen van Schijndel und Johannes Nicolaas Cornelis van Veen gegen Stichting Pensionsfonds voor Fysiotherapeuten, Slg 1995, I-4705, Rs C-430/93 und C-431/93, sowie Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS gegen Belgischer Staat, Slg 1995, I-4599, RS C-312/93) Verunmöglichung oder übermäßige Erschwernis der Geltendmachung der dem Fremden aus dem Beschluß Nr 1/80 des aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates allenfalls zustehenden Rechte ist durch die im österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht angeordnete Beschränkung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde auf die "Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens nicht gegeben, stand es dem Fremden doch frei, seinen Anspruch auf Feststellung seiner "europarechtlichen Aufenthaltsberechtigung im Inland" statt mit Berufung gegen den in einer anderen "Sache" (Abspruch über den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufenthaltsG 1992) ergangenen erstinstanzlichen Bescheid mit einer entsprechenden Antragstellung auf Feststellung bei der hiefür zuständigen erstinstanzlichen Behörde zu verfolgen.
Normen
AufG 1992 §6 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
RS 7
Indem die Berufungsbehörde eine Sachentscheidung über den Antrag des Berufungswerbers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erließ, ohne daß ein tauglicher Berufungsantrag des Berufungswerbers vorlag, nahm sie eine funktionelle Zuständigkeit in Anspruch, die ihr nicht zukam. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit. Dieser war gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des 1962 geborenen CK in R, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 120.222/2-III/11/96, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch ausdrücklich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch im Namen des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom gemäß § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, welche er ausdrücklich an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg richtete. Er beantragte, die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg möge bescheidmäßig die eigene Unzuständigkeit aussprechen und die Berufung erst nach dieser bescheidmäßigen Unzuständigkeitsentscheidung dem Bundesminister für Inneres übermitteln. In der Sache vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, er erfülle die Voraussetzungen der Art. 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates. Er stellte den Berufungsantrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, "daß die europarechtliche Aufenthaltsberechtigung des Berufungswerbers im Inland festgestellt wird, in eventu, daß ihm ein fremdenrechtlicher Sichtvermerk erteilt wird".

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom wurde diese Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG" als unzulässig zurückgewiesen. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vertrat im wesentlichen die Auffassung, wollte man der Ansicht des Beschwerdeführers folgen, ihm wäre ein Sichtvermerk zu erteilen, so ergäbe sich aus § 70 Abs. 2 FrG, daß gegen die Versagung eines solchen keine Berufung zulässig sei.

Infolge einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof hob dieser mit Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0716, diesen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in diesem Erkenntnis im wesentlichen die Auffassung, die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid nicht nur ihre Unzuständigkeit zu einer meritorischen Entscheidung über den im Berufungsschriftsatz gestellten Antrag des Beschwerdeführers ausgesprochen, sondern darüber auch endgültig entschieden. Unter Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 94/05/0370, wird in diesem Erkenntnis ausgeführt, eine Behörde, an die eine Berufung nach ihrer Ansicht zu Unrecht gerichtet werde, habe diese gemäß § 6 AVG an die ihrer Auffassung nach zuständige Berufungsbehörde weiterzuleiten. Dies gelte auch für in Berufungsschriftsätzen enthaltene Anträge, die keine Berufungsanträge seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde die in Rede stehende Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe das in dieser Bestimmung normierte Erfordernis der Antragstellung vor der Einreise vom Ausland aus nicht erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in folgenden Rechten verletzt:

"* Recht auf Feststellung der Aufenthaltsberechtigung

* Recht auf Sachentscheidung durch die zuständige Behörde * Recht auf ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren

* Recht auf Manuduktion

* Recht auf Parteiengehör"

Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben. Er vertritt im wesentlichen die Auffassung, die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, über seinen Berufungshauptantrag auf "Feststellung seiner europarechtlichen Aufenthaltsberechtigung" meritorisch zu entscheiden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer, welcher die Auffassung vertritt, er erfülle die Voraussetzungen des Art. 6 und 7 des vorzitierten Assoziationsratsbeschlusses, beruft sich damit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/0424). Ein Recht aufgrund eines solchen Rechtsaktes stünde im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. Andererseits zeigt schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG, welche die Bundesregierung berechtigt, Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, daß auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/19/0897).

Der Beschwerdeführer hat nun - ungeachtet der seines Erachtens bestehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem in Rede stehenden Assoziationsratsbeschluß - ausdrücklich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beantragt. Die erstinstanzliche Behörde hat demgemäß mit Bescheid vom ausschließlich über diesen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung entschieden. Sie wurde dabei, wie sich aus der Zitierung der entsprechenden Bestimmungen des AufG und der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz, LGBl. Nr. 32/1993, ergibt, als Aufenthaltsbehörde (§ 6 Abs. 4 AufG) tätig. Daraus folgt, daß eine derartige der Bezirkshauptmannschaft zuzurechnende (RV 525 BlgNR 18. GP, 10; vgl. auch VfSlg. 11.563/1987) Entscheidung hinsichtlich des Instanzenzuges als erstinstanzliche Entscheidung des Landeshauptmannes im Sinne des Art. 103 Abs. 4 B-VG anzusehen ist, weshalb in dieser Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung der Instanzenzug mangels anderer bundesgesetzlicher Regelung an den zuständigen Bundesminister, im vorliegenden Fall an den Bundesminister für Inneres, geht. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, an die der Beschwerdeführer seine Berufung richtete, war unzuständige Behörde.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Abs. 2 leg. cit. die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Aufgrund der Rückwirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom ist bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides jedenfalls davon auszugehen, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde kein die Berufung des Beschwerdeführers zurückweisender Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg mehr vorlag.

Der belangten Behörde kam daher als der im Instanzenzug zuständigen Berufungsbehörde jedenfalls die funktionelle Zuständigkeit zur Überprüfung der Berufung auf ihre Zulässigkeit zu.

Im vorliegenden Fall war "Sache" des Berufungsverfahrens angesichts des klar auf den - allein gestellten - Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG begrenzten Abspruches der ersten Instanz nur dieser Abspruch (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1032/77, in dem in Slg. Nr. 9673/A, nicht veröffentlichten Teil, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/1468). Sowohl das im Berufungsantrag formulierte Erstbegehren auf Abänderung des Bescheides dahingehend, daß "die europarechtliche Aufenthaltsberechtigung des Berufungswerbers im Inland festgestellt" werde, als auch das Eventualbegehren auf Abänderung des Bescheides dahingehend, daß dem Beschwerdeführer "ein fremdenrechtlicher Sichtvermerk" erteilt werde, betrafen eine andere Sache. Da der Berufungswerber von der Berufungsinstanz nur eine andere Entscheidung in derselben "Sache", nicht aber die Entscheidung in einer anderen "Sache" begehren kann, ist ein in der Berufung gestellter Antrag auf Entscheidung in einer anderen Sache kein zulässiger Berufungsantrag. Da sich weder der Berufungshaupt- noch der Berufungseventualantrag innerhalb der "Sache" des Verfahrens erster Instanz bewegten, liegt ein zulässiger Berufungsantrag nicht vor. Die Berufung wäre ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen gewesen (vgl. das zum selben Ergebnis führende hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7655/A).

In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß für die Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung, ein Fremder halte sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, die Fremdenpolizeibehörde, für eine solche über einen Antrag auf Feststellung, er sei zur Begründung eines Hauptwohnsitzes berechtigt, aber die Aufenthaltsbehörde zuständig wäre.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Rechte aus dem in Rede stehenden Assoziationsratsbeschluß solche aus einem unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft sind. Wie der EuGH im Fall Jeroen van Schijndel und Johannes Nicolaas Cornelis van Veen gegen Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten, Slg. 1995, I-4705, Rs C-430/93 und C-431/93, am ausgesprochen hat, ist die Bestimmung der zuständigen Gerichte (und Behörden) und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der den Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten. Jedoch dürfen diese Verfahren nicht ungünstiger gestaltet werden als bei entsprechenden Verfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. Rz 17 dieses Urteiles Slg. 1995, I-4705; ebenso Peterbroeck, Van Campenhout & Cie. SCS gegen Belgischer Staat, Slg. 1995, I-4599, Rs C-312/93).

Eine solche Verunmöglichung oder übermäßige Erschwernis der Geltendmachung der dem Beschwerdeführer aus dem in Rede stehenden Assoziationsratsbeschluß allenfalls zustehenden Rechte ist jedoch durch die im österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht angeordnete Beschränkung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde auf die "Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens nicht gegeben, stand es dem Beschwerdeführer doch frei, seinen Feststellungsanspruch statt mit Berufung gegen den in einer anderen "Sache" ergangenen erstinstanzlichen Bescheid vom mit einer entsprechenden Antragstellung auf Feststellung bei der hiefür zuständigen erstinstanzlichen Behörde zu verfolgen.

Nach dem Vorgesagten kam der belangten Behörde daher lediglich die funktionelle Zuständigkeit zur Zurückweisung der unzulässigen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu. Demgegenüber hätte die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung einer Sachentscheidung das Vorliegen eines zulässigen Berufungsantrages, im besonderen Fall eines Berufungsantrages innerhalb der durch den erstinstanzlichen Abspruch umschriebenen Sache des weiteren Verwaltungsverfahrens, vorausgesetzt. Indem die belangte Behörde eine Sachentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erließ, ohne daß ein tauglicher Berufungsantrag des Beschwerdeführers vorlag, nahm sie eine funktionelle Zuständigkeit in Anspruch, die ihr nicht zukam. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit. Dieser war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren mit Zurückweisung der Berufung vorzugehen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Zusatzinformationen


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Normen
61993CJ0312 Peterbroeck Van Campenhout VORAB;
61993CJ0430 Jeroen van Schijndel VORAB;
ARB1/80;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs4;
AVG §1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art103 Abs4;
EURallg;
FrG 1993 §15;
FrG 1993 §65;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland
VwRallg12
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die
Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen
im Berufungsverfahren
sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten
Instanzenzug
Verhältnis zu anderen Materien und Normen B-VG
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen
Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde
Spruch des Berufungsbescheides
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1997:1996193389.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAE-56997