VwGH vom 28.08.1998, 96/19/3194
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1973 geborenen VV in Wien, vertreten durch DDr. G, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 306.087/3-III/11/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung. Sie gab als aufrechte polizeiliche Meldung und als gesicherte Unterkunft in Österreich eine Adresse in der Laxenburgerstraße im 10. Wiener Gemeindebezirk an. Dem Antrag lag ein Meldezettel der Beschwerdeführerin bei, aus dem hervorging, daß diese seit an der betreffenden Adresse in der Laxenburgerstraße gemeldet war und ihren früheren Wohnsitz in der Triesterstraße aufgegeben hatte.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom den Antrag mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Dieser Bescheid wurde im Wege der Ersatzzustellung vom Ehegatten der Beschwerdeführerin am an der Adresse in der Laxenburgerstraße übernommen.
In der am bei der Behörde erster Instanz persönlich eingebrachten Berufung, die das Datum aufweist, gab die Beschwerdeführerin neuerlich als Adresse die erwähnte Adresse in der Laxenburgerstraße an und führte aus, entgegen der Annahme der belangten Behörde über ausreichendes Einkommen zu verfügen und ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall zu sein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, die Zustellung sei am rechtswirksam erfolgt und die Berufung der Beschwerdeführerin sei erst am und daher verspätet eingebracht worden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, daß es sich beim angefochtenen Bescheid nicht um einen solchen handelt, mit dem die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, sondern um die Zurückweisung einer verspäteten Berufung. Deshalb liegt kein Anwendungsfall des § 113 Abs. 6 und 7 und des Fremdengesetzes 1997 vor.
Aus diesem Grund ist im gegenständlichen Fall auch nicht zu prüfen, ob die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu Recht erfolgte oder nicht; Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist vielmehr - was der Beschwerdeführer verkennt - allein die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung.
Die Beschwerdeführerin führt unter "Beschwerdegründe" ihre Beschwerde folgendermaßen aus:
"Aus dem Akt der MA 62, Zahl: MA 62-9/2112118/2, ergibt sich, daß die BF offensichtlich zwei Adressen bewohnt, nämlich 1100 Wien, Laxenburgerstraße ..... und zusätzlich 1100 Wien, Triesterstraße .... Eine Zustellung an eine Adresse, unter welcher sich die BF nicht aufgehalten hatte, wäre sohin unwirksam und würde in diesem Falle die Berufungsfrist zu laufen beginnen an dem Tag des tatsächlichen Zukommens der Briefsendung. Die Behörde hat es unterlassen, zu überprüfen, ob der gegenständliche Bescheid tatsächlich der BF auch zugekommen ist. Es geht nicht an, daß derartig wichtige Schriftstücke irgendjemanden und dies noch an der womöglich nicht richtigen Adresse überreicht werden und sie so nicht in die Gewahrsame der BF rechtzeitig kommen konnte. Das Verfahren vor dem Bundesministerium für Inneres ist daher mangelhaft geblieben."
Vor Zurückweisung einer Berufung als verspätet hat die Behörde entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2367/A), oder dem Berufungswerber die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterläßt sie dies, so kann der Berufungswerber ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot den Zustellmangel in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dartun (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/18/0048). Geht die Behörde von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dies dem Berufungswerber vorgehalten zu haben, so hat sie das Risiko einer Bescheidaufhebung zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/10/0010, m.w.N).
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt jedoch nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Es obliegt der beschwerdeführenden Partei, in der Beschwerde darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften (im gegenständlichen Fall: des Rechtes auf Parteiengehör) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Gemäß § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG) darf an den Ersatzempfänger zugestellt werden (Ersatzzustellung), wenn die Sendung dem Empfänger nicht zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Nach Ausweis des im Akt erliegenden Rückscheines wurde der erstinstanzliche Bescheid im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustG durch den Ehegatten der Beschwerdeführerin an der von der Beschwerdeführerin sowohl im Antrag als auch in der Beschwerde als Wohnort genannten Abgabestelle in der Laxenburgerstraße am übernommen. Diese Art der Zustellung wäre daher nur dann rechtswidrig, wenn sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Ersatzzustellung nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten hätte. Den oben wiedergegebenen Beschwerdegründen ist aber die Behauptung einer derartige Abwesenheit nicht zu entnehmen. Mit den Ausführungen, wonach eine Zustellung an eine Adresse, an welcher sich die Beschwerdeführerin nicht aufgehalten hatte, unwirksam wäre und in diesem Fall die Berufungsfrist erst am Tag des tatsächlichen Zukommens der Briefsendung zu laufen beginnen würde, ist keine Behauptung einer im relevanten Zeitpunkt gegebenen Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin verknüpft. Aus der Formulierung in der Beschwerde, es sei unzulässig, in derartig wichtigen Schriftstücken "an der womöglich nicht richtigen Adresse" (Unterstreichung nicht im Original) zu überreichen, ergibt sich ebenfalls keine Behauptung der Beschwerdeführerin, sich an der Abgabestelle in der Laxenburgerstraße nicht regelmäßig aufgehalten zu haben. Auch aus dem Hinweis in der Beschwerde, wonach die Beschwerdeführerin "offensichtlich" zwei Adressen bewohne, ist nichts zu gewinnen, weil die Behörde in diesem Fall berechtigt gewesen wäre, an jede der beiden Adressen rechtswirksam zuzustellen, die regelmäßige Anwesenheit an der jeweiligen Abgabestelle vorausgesetzt.
Sollten die Beschwerdeausführungen, wonach es nicht angehe, "daß derartig wichtige Schriftstücke irgendjemanden ..... überreicht würden" (Unterstreichung nicht im Original) so zu verstehen sein, daß der Ersatzempfänger der Voraussetzung des § 16 Abs. 2 Zustellgesetz nicht entspricht, so ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, daß der Bescheid erster Instanz durch den - wie sie in ihrem Antrag selbst angibt - an der gleichen Abgabenstelle wohnenden Ehegatten übernommen wurde und dieser gemäß § 16 Abs. 2 ZustG sogar zur Annahme des Schriftstückes im Ersatzweg verpflichtet ist.
Mangels einer entsprechenden Behauptung der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Ersatzzustellung ist davon auszugehen, daß die am erfolgte Zustellung im Weg des § 16 ZustG rechtswirksam war. Die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach die Berufung erst am durch persönliche Übergabe bei der Behörde erster Instanz eingebracht wurde, wird in der Beschwerde ebenfalls nicht in Abrede gestellt.
Da die Angaben der Beschwerdeführerin somit nicht dartun können, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich auch ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am